Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

zu wollen.) Es versteht sich nun von selbst, dass von diesem
gleichen Niveau aus secundär andere nahen Nervengeflechte
selbst in grösserem Maasse nach dem Gesetze der Reflex-Irra¬
diation in den Bereich der Reflexionen gezogen werden können.

B. Tritt aber der Reflex in Motoren auf, welche
entfernt und selbst sehr entfernt von dem Niveau
der gereizten Empfindungsnerven liegen
, so sind
die reflectorisch erregten Motoren stets solche
,
welche aus der Medulla oblongata entspringen. Hier
her gehören zunächst alle Fälle von Tetanus traumaticus. Mag
die Wunde liegen, wo sie will, der erste reflectorische Aus¬
schlag erfolgt aus der Medulla oblongata, von welcher er sich
successive in der oben angegebenen Weise über den ganzen
Körper ausdehnt. Hierher gehören alle Fälle von Trismus. Hier¬
her gehören die hysterischen Lach- und Weinkrämpfe, der hyste¬
rische Singultus, die hysterischen Magenkrämpfe, welche wohl
ihren Grund in einem Krampfe des Zwerchfells haben. Hierher
gehören ebenfalls die hysterischen Erbrechungsbeschwerden,
wenn es überhaupt erlaubt sein dürfte, die Hysterie für eine
Reflexneurose anzusehen. Hierher gehören die leichten Con¬
tractionen der respiratorischen Muskeln nach Entleerung des
Urins durch die Berührung der Blasenwände bei reizbaren Men¬
schen. Hierher gehört das reflectorische Niesen bei Reizen im
Tractus intestinorum. Hierher ferner das bei Einwirkung der
Kälte auf die Rami cutanei eintretende Zähneklappern. Hierher
gehören endlich ohne Ausnahme die in den pathologischen Fäl¬
len weiter unten verzeichneten Reflexionen, die entfernt von
dem Niveau der gereizten Empfindungsnerven liegen. -- Nie
treten hier nach Reizen, welche z. B. die Empfindungsnerven
des Plexus brachialis treffen, entfernte Convulsionen allein in
den Bauchmuskeln, den Schenkelmuskeln u. s. w. ein, wohl
aber kann Trismus und Tetanus entstehen, sehr wohl Convul¬
sionen im Gebiete des Facialis und Accessorius. -- Nie können
nach Reizen, welche Empfindungsfasern z. B. des plexus ischia¬
dicus treffen, entfernte Convulsionen sich im Gebiete des Plexus

zu wollen.) Es versteht sich nun von selbst, dass von diesem
gleichen Niveau aus secundär andere nahen Nervengeflechte
selbst in grösserem Maasse nach dem Gesetze der Reflex-Irra¬
diation in den Bereich der Reflexionen gezogen werden können.

B. Tritt aber der Reflex in Motoren auf, welche
entfernt und selbst sehr entfernt von dem Niveau
der gereizten Empfindungsnerven liegen
, so sind
die reflectorisch erregten Motoren stets solche
,
welche aus der Medulla oblongata entspringen. Hier
her gehören zunächst alle Fälle von Tetanus traumaticus. Mag
die Wunde liegen, wo sie will, der erste reflectorische Aus¬
schlag erfolgt aus der Medulla oblongata, von welcher er sich
successive in der oben angegebenen Weise über den ganzen
Körper ausdehnt. Hierher gehören alle Fälle von Trismus. Hier¬
her gehören die hysterischen Lach- und Weinkrämpfe, der hyste¬
rische Singultus, die hysterischen Magenkrämpfe, welche wohl
ihren Grund in einem Krampfe des Zwerchfells haben. Hierher
gehören ebenfalls die hysterischen Erbrechungsbeschwerden,
wenn es überhaupt erlaubt sein dürfte, die Hysterie für eine
Reflexneurose anzusehen. Hierher gehören die leichten Con¬
tractionen der respiratorischen Muskeln nach Entleerung des
Urins durch die Berührung der Blasenwände bei reizbaren Men¬
schen. Hierher gehört das reflectorische Niesen bei Reizen im
Tractus intestinorum. Hierher ferner das bei Einwirkung der
Kälte auf die Rami cutanei eintretende Zähneklappern. Hierher
gehören endlich ohne Ausnahme die in den pathologischen Fäl¬
len weiter unten verzeichneten Reflexionen, die entfernt von
dem Niveau der gereizten Empfindungsnerven liegen. — Nie
treten hier nach Reizen, welche z. B. die Empfindungsnerven
des Plexus brachialis treffen, entfernte Convulsionen allein in
den Bauchmuskeln, den Schenkelmuskeln u. s. w. ein, wohl
aber kann Trismus und Tetanus entstehen, sehr wohl Convul¬
sionen im Gebiete des Facialis und Accessorius. — Nie können
nach Reizen, welche Empfindungsfasern z. B. des plexus ischia¬
dicus treffen, entfernte Convulsionen sich im Gebiete des Plexus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0100" n="78"/>
zu wollen.) Es versteht sich nun von selbst, dass von diesem<lb/>
gleichen Niveau aus secundär andere nahen Nervengeflechte<lb/>
selbst in grösserem Maasse nach dem Gesetze der Reflex-Irra¬<lb/>
diation in den Bereich der Reflexionen gezogen werden können.</p><lb/>
            <p>B. <hi rendition="#g">Tritt aber der Reflex in Motoren auf</hi>, <hi rendition="#g">welche<lb/>
entfernt und selbst sehr entfernt von dem Niveau<lb/>
der gereizten Empfindungsnerven liegen</hi>, <hi rendition="#g">so sind<lb/>
die reflectorisch erregten Motoren stets solche</hi>,<lb/><hi rendition="#g">welche aus der Medulla oblongata entspringen</hi>. Hier<lb/>
her gehören zunächst alle Fälle von Tetanus traumaticus. Mag<lb/>
die Wunde liegen, wo sie will, der erste reflectorische Aus¬<lb/>
schlag erfolgt aus der Medulla oblongata, von welcher er sich<lb/>
successive in der oben angegebenen Weise über den ganzen<lb/>
Körper ausdehnt. Hierher gehören alle Fälle von Trismus. Hier¬<lb/>
her gehören die hysterischen Lach- und Weinkrämpfe, der hyste¬<lb/>
rische Singultus, die hysterischen Magenkrämpfe, welche wohl<lb/>
ihren Grund in einem Krampfe des Zwerchfells haben. Hierher<lb/>
gehören ebenfalls die hysterischen Erbrechungsbeschwerden,<lb/>
wenn es überhaupt erlaubt sein dürfte, die Hysterie für eine<lb/>
Reflexneurose anzusehen. Hierher gehören die leichten Con¬<lb/>
tractionen der respiratorischen Muskeln nach Entleerung des<lb/>
Urins durch die Berührung der Blasenwände bei reizbaren Men¬<lb/>
schen. Hierher gehört das reflectorische Niesen bei Reizen im<lb/>
Tractus intestinorum. Hierher ferner das bei Einwirkung der<lb/>
Kälte auf die Rami cutanei eintretende Zähneklappern. Hierher<lb/>
gehören endlich ohne Ausnahme die in den pathologischen Fäl¬<lb/>
len weiter unten verzeichneten Reflexionen, die entfernt von<lb/>
dem Niveau der gereizten Empfindungsnerven liegen. &#x2014; Nie<lb/>
treten hier nach Reizen, welche z. B. die Empfindungsnerven<lb/>
des Plexus brachialis treffen, entfernte Convulsionen allein in<lb/>
den Bauchmuskeln, den Schenkelmuskeln u. s. w. ein, wohl<lb/>
aber kann Trismus und Tetanus entstehen, sehr wohl Convul¬<lb/>
sionen im Gebiete des Facialis und Accessorius. &#x2014; Nie können<lb/>
nach Reizen, welche Empfindungsfasern z. B. des plexus ischia¬<lb/>
dicus treffen, entfernte Convulsionen sich im Gebiete des Plexus<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0100] zu wollen.) Es versteht sich nun von selbst, dass von diesem gleichen Niveau aus secundär andere nahen Nervengeflechte selbst in grösserem Maasse nach dem Gesetze der Reflex-Irra¬ diation in den Bereich der Reflexionen gezogen werden können. B. Tritt aber der Reflex in Motoren auf, welche entfernt und selbst sehr entfernt von dem Niveau der gereizten Empfindungsnerven liegen, so sind die reflectorisch erregten Motoren stets solche, welche aus der Medulla oblongata entspringen. Hier her gehören zunächst alle Fälle von Tetanus traumaticus. Mag die Wunde liegen, wo sie will, der erste reflectorische Aus¬ schlag erfolgt aus der Medulla oblongata, von welcher er sich successive in der oben angegebenen Weise über den ganzen Körper ausdehnt. Hierher gehören alle Fälle von Trismus. Hier¬ her gehören die hysterischen Lach- und Weinkrämpfe, der hyste¬ rische Singultus, die hysterischen Magenkrämpfe, welche wohl ihren Grund in einem Krampfe des Zwerchfells haben. Hierher gehören ebenfalls die hysterischen Erbrechungsbeschwerden, wenn es überhaupt erlaubt sein dürfte, die Hysterie für eine Reflexneurose anzusehen. Hierher gehören die leichten Con¬ tractionen der respiratorischen Muskeln nach Entleerung des Urins durch die Berührung der Blasenwände bei reizbaren Men¬ schen. Hierher gehört das reflectorische Niesen bei Reizen im Tractus intestinorum. Hierher ferner das bei Einwirkung der Kälte auf die Rami cutanei eintretende Zähneklappern. Hierher gehören endlich ohne Ausnahme die in den pathologischen Fäl¬ len weiter unten verzeichneten Reflexionen, die entfernt von dem Niveau der gereizten Empfindungsnerven liegen. — Nie treten hier nach Reizen, welche z. B. die Empfindungsnerven des Plexus brachialis treffen, entfernte Convulsionen allein in den Bauchmuskeln, den Schenkelmuskeln u. s. w. ein, wohl aber kann Trismus und Tetanus entstehen, sehr wohl Convul¬ sionen im Gebiete des Facialis und Accessorius. — Nie können nach Reizen, welche Empfindungsfasern z. B. des plexus ischia¬ dicus treffen, entfernte Convulsionen sich im Gebiete des Plexus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/100
Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/100>, abgerufen am 28.03.2024.