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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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Beobachtung XXVII.

B. C. Brodie, a. a. O. p. 249.

Ein Frauenzimmer von 30 Jahren hatte die beiden Knochen
des Vorderarms fracturirt. Heftiger Schmerz stellte sich ein
mit Mitempfindungen, welche über den Arm, den Nacken und
den Kopf ausstrahlten (!), und zwar blos auf dieselbe Seite
beschränkt blieben. Zugleich wurde das Glied von Convulsio¬
nen befallen. Diese Erscheinungen verschwanden erst, nachdem
die Fractur geheilt war.

Physiologische Resultate: Das Gesetz der gleichseiti¬
gen Leitung für Reflexe und Irradiationen. Wir bemerken fer¬
ner, dass die Irradiationen immer zuerst nach Oben strahlen,
also nach der Medulla oblongata eilen, nicht aber vom Plexus
brachialis sofort zu den Nervi dorsales spinales etc. herabstei¬
gen. (Gesetz I., IV., V. A.)

Beobachtung XXVIII.

Montani, History of a Case of Traumatic Tetanus in London Me¬
dical and Physical Journal. Vol. XLIII. p. 192.

A. Brunetti, 50 Jahre alt, verwundete sich auf dem Rük¬
ken der linken Hand zwischen dem Daumen und Zeigefinger
und nahe der Strecksehne des letzteren. Die Wunde war un¬
gefähr einen Zoll lang und zwei Linien tief. Nach drei Wochen
wurde der linke Arm schwer beweglich und der linke kleine
Finger krampfhaft in die Handfläche gezogen. Bald waren auch
die anderen Finger der linken Hand contrahirt und nur der
Daumen frei. Alsbald bildete sich der Tetanus allgemein aus
und erschütterte durch Frequenz und Intensität mächtig den
Körper des Kranken. Die Muskeln des Vorderarms waren fort¬
während contrahirt, und Berührung der Wunde erzeugte sofort
den tetanischen Paroxysmus. Der Kranke genas bald, nachdem
in der geheilten Narbe ein Nervenfilament getrennt war.

Physiologische Resultate: Gesetz der gleichseitigen
Leitung. Heftigeres Auftreten des Reflexkrampfes auf derjenigen

Beobachtung XXVII.

B. C. Brodie, a. a. O. p. 249.

Ein Frauenzimmer von 30 Jahren hatte die beiden Knochen
des Vorderarms fracturirt. Heftiger Schmerz stellte sich ein
mit Mitempfindungen, welche über den Arm, den Nacken und
den Kopf ausstrahlten (!), und zwar blos auf dieselbe Seite
beschränkt blieben. Zugleich wurde das Glied von Convulsio¬
nen befallen. Diese Erscheinungen verschwanden erst, nachdem
die Fractur geheilt war.

Physiologische Resultate: Das Gesetz der gleichseiti¬
gen Leitung für Reflexe und Irradiationen. Wir bemerken fer¬
ner, dass die Irradiationen immer zuerst nach Oben strahlen,
also nach der Medulla oblongata eilen, nicht aber vom Plexus
brachialis sofort zu den Nervi dorsales spinales etc. herabstei¬
gen. (Gesetz I., IV., V. A.)

Beobachtung XXVIII.

Montani, History of a Case of Traumatic Tetanus in London Me¬
dical and Physical Journal. Vol. XLIII. p. 192.

A. Brunetti, 50 Jahre alt, verwundete sich auf dem Rük¬
ken der linken Hand zwischen dem Daumen und Zeigefinger
und nahe der Strecksehne des letzteren. Die Wunde war un¬
gefähr einen Zoll lang und zwei Linien tief. Nach drei Wochen
wurde der linke Arm schwer beweglich und der linke kleine
Finger krampfhaft in die Handfläche gezogen. Bald waren auch
die anderen Finger der linken Hand contrahirt und nur der
Daumen frei. Alsbald bildete sich der Tetanus allgemein aus
und erschütterte durch Frequenz und Intensität mächtig den
Körper des Kranken. Die Muskeln des Vorderarms waren fort¬
während contrahirt, und Berührung der Wunde erzeugte sofort
den tetanischen Paroxysmus. Der Kranke genas bald, nachdem
in der geheilten Narbe ein Nervenfilament getrennt war.

Physiologische Resultate: Gesetz der gleichseitigen
Leitung. Heftigeres Auftreten des Reflexkrampfes auf derjenigen

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[98/0120] Beobachtung XXVII. B. C. Brodie, a. a. O. p. 249. Ein Frauenzimmer von 30 Jahren hatte die beiden Knochen des Vorderarms fracturirt. Heftiger Schmerz stellte sich ein mit Mitempfindungen, welche über den Arm, den Nacken und den Kopf ausstrahlten (!), und zwar blos auf dieselbe Seite beschränkt blieben. Zugleich wurde das Glied von Convulsio¬ nen befallen. Diese Erscheinungen verschwanden erst, nachdem die Fractur geheilt war. Physiologische Resultate: Das Gesetz der gleichseiti¬ gen Leitung für Reflexe und Irradiationen. Wir bemerken fer¬ ner, dass die Irradiationen immer zuerst nach Oben strahlen, also nach der Medulla oblongata eilen, nicht aber vom Plexus brachialis sofort zu den Nervi dorsales spinales etc. herabstei¬ gen. (Gesetz I., IV., V. A.) Beobachtung XXVIII. Montani, History of a Case of Traumatic Tetanus in London Me¬ dical and Physical Journal. Vol. XLIII. p. 192. A. Brunetti, 50 Jahre alt, verwundete sich auf dem Rük¬ ken der linken Hand zwischen dem Daumen und Zeigefinger und nahe der Strecksehne des letzteren. Die Wunde war un¬ gefähr einen Zoll lang und zwei Linien tief. Nach drei Wochen wurde der linke Arm schwer beweglich und der linke kleine Finger krampfhaft in die Handfläche gezogen. Bald waren auch die anderen Finger der linken Hand contrahirt und nur der Daumen frei. Alsbald bildete sich der Tetanus allgemein aus und erschütterte durch Frequenz und Intensität mächtig den Körper des Kranken. Die Muskeln des Vorderarms waren fort¬ während contrahirt, und Berührung der Wunde erzeugte sofort den tetanischen Paroxysmus. Der Kranke genas bald, nachdem in der geheilten Narbe ein Nervenfilament getrennt war. Physiologische Resultate: Gesetz der gleichseitigen Leitung. Heftigeres Auftreten des Reflexkrampfes auf derjenigen

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/120>, abgerufen am 28.03.2024.