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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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stimmte Bewegung erzeugt, so muss sie eben immer eintreten,
so lange der angestossene Mechanismus derselbe ist. Jene
Stemmbewegung wechselt aber nunmehr mit einer ganz ande¬
ren Bewegung. Der Fuss wird auf die gereizte Hautstelle ge¬
führt und hier hin und her gerieben. Dies geschieht in der
Weise, dass der Oberschenkel mässig, der Unterschenkel stark
gebeugt ist, während der adducirte Fuss mit dem inneren Fuss¬
rande in die Kerbe zwischen den Beinen geführt wird. Um
diese Bewegung genau zu studiren, thut man gut, einen Schen¬
kel ein wenig unter der Pfannenarticulation ganz abzuschneiden,
damit man nur ein Bein zu beobachten hat und deshalb auch
eine sicherere Erkenntniss erwarten kann.

Derartige Variationen des Grundexperimentes lassen sich
sehr viele denken, die alle darauf hinauslaufen, dass es sich
nach Anbringung eines auf das Thier wirkenden Reizes nicht
darum handelt, bestimmte Motoren zu innerviren, sondern be¬
stimmte Zwecke zu erreichen. So kann die Erreichung des Zweckes
nicht für den Reflexprozess verloren gehen, sondern die Inner¬
vation bestimmter Motoren geht verloren, wenn der Zweck nicht
mehr durch sie erreicht werden kann. Da nun die nach einem
Reize eintretende Bewegung, obgleich immer dieselbe Hautstelle
gereizt ist, den mannigfaltigsten Wechsel durchläuft, je nachdem
es die Erreichung bestimmter Zwecke erheischt, so ist unwider¬
legbar dargethan, dass wir es mit empfindenden und wollenden
Thierfragmenten zu thun gehabt haben. --


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stimmte Bewegung erzeugt, so muss sie eben immer eintreten,
so lange der angestossene Mechanismus derselbe ist. Jene
Stemmbewegung wechselt aber nunmehr mit einer ganz ande¬
ren Bewegung. Der Fuss wird auf die gereizte Hautstelle ge¬
führt und hier hin und her gerieben. Dies geschieht in der
Weise, dass der Oberschenkel mässig, der Unterschenkel stark
gebeugt ist, während der adducirte Fuss mit dem inneren Fuss¬
rande in die Kerbe zwischen den Beinen geführt wird. Um
diese Bewegung genau zu studiren, thut man gut, einen Schen¬
kel ein wenig unter der Pfannenarticulation ganz abzuschneiden,
damit man nur ein Bein zu beobachten hat und deshalb auch
eine sicherere Erkenntniss erwarten kann.

Derartige Variationen des Grundexperimentes lassen sich
sehr viele denken, die alle darauf hinauslaufen, dass es sich
nach Anbringung eines auf das Thier wirkenden Reizes nicht
darum handelt, bestimmte Motoren zu innerviren, sondern be¬
stimmte Zwecke zu erreichen. So kann die Erreichung des Zweckes
nicht für den Reflexprozess verloren gehen, sondern die Inner¬
vation bestimmter Motoren geht verloren, wenn der Zweck nicht
mehr durch sie erreicht werden kann. Da nun die nach einem
Reize eintretende Bewegung, obgleich immer dieselbe Hautstelle
gereizt ist, den mannigfaltigsten Wechsel durchläuft, je nachdem
es die Erreichung bestimmter Zwecke erheischt, so ist unwider¬
legbar dargethan, dass wir es mit empfindenden und wollenden
Thierfragmenten zu thun gehabt haben. —


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[129/0151] stimmte Bewegung erzeugt, so muss sie eben immer eintreten, so lange der angestossene Mechanismus derselbe ist. Jene Stemmbewegung wechselt aber nunmehr mit einer ganz ande¬ ren Bewegung. Der Fuss wird auf die gereizte Hautstelle ge¬ führt und hier hin und her gerieben. Dies geschieht in der Weise, dass der Oberschenkel mässig, der Unterschenkel stark gebeugt ist, während der adducirte Fuss mit dem inneren Fuss¬ rande in die Kerbe zwischen den Beinen geführt wird. Um diese Bewegung genau zu studiren, thut man gut, einen Schen¬ kel ein wenig unter der Pfannenarticulation ganz abzuschneiden, damit man nur ein Bein zu beobachten hat und deshalb auch eine sicherere Erkenntniss erwarten kann. Derartige Variationen des Grundexperimentes lassen sich sehr viele denken, die alle darauf hinauslaufen, dass es sich nach Anbringung eines auf das Thier wirkenden Reizes nicht darum handelt, bestimmte Motoren zu innerviren, sondern be¬ stimmte Zwecke zu erreichen. So kann die Erreichung des Zweckes nicht für den Reflexprozess verloren gehen, sondern die Inner¬ vation bestimmter Motoren geht verloren, wenn der Zweck nicht mehr durch sie erreicht werden kann. Da nun die nach einem Reize eintretende Bewegung, obgleich immer dieselbe Hautstelle gereizt ist, den mannigfaltigsten Wechsel durchläuft, je nachdem es die Erreichung bestimmter Zwecke erheischt, so ist unwider¬ legbar dargethan, dass wir es mit empfindenden und wollenden Thierfragmenten zu thun gehabt haben. — 9

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/151>, abgerufen am 24.04.2024.