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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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Reflexe bereits ausgelöst hat, und, indem sie sich
weiter verbreitet
, auch Motoren der entgegengesetz¬
ten Rückenmarkshälfte erregt
, also doppelseitige
Reflexe erzeugt
, so werden stets und unter allen
Umständen nur solche Motoren innervirt
, die auch
bereits auf der primär affizirten Seite erregt sind
,
so dass also doppelseitige Reflexe nie in kreuzender
Richtung erzeugt werden
.

Es brauchen alsdann nicht alle Muskeln zum Krampfe be¬
stimmt zu werden, welche bereits auf der primär affizirten Seite
erregt sind. Diejenigen Muskeln aber, welche auf der anderen
Seite in den Bereich der Reflex-Neurose gezogen werden, sind
bereits auf der primär ergriffenen Seite affizirt. (Siehe hierfür
die Fälle.)

Hieraus folgt nun, wie sich der Leser überzeugen wird,
dass ein doppelseitiger Reflex nie so eintreten kann, dass nach
einem Reize, der z. B. die Fasern des rechten Nervus ischia¬
dicus trifft, halbseitiger Trismus der entgegengesetzten, also
linken Seite folgen könne. In diesem Falle werden entweder
die rechten Mastikatoren erst zum Krampfe erregt und dann
auch zu diesen die linken, oder es tritt sofort completer Tris¬
mus ein. Ich habe als Beispiel hier ein recht in die Augen
springendes gewählt. John Mitchell theilt einen Fall mit in den
Medico-chirurgical Transactions, Vol. IV. p. 25 etc., wo ein Reiz
des linken Quintus Zuckungen und Convulsionen im Bereiche
des linken Facialis, linken Hypoglossus und Accessorius, lin¬
ken
plexus cervicalis und brachialis erzeugte. Secundär er¬
schienen auch Convulsionen auf der rechten Körperseite. Wo
befanden sich dieselben indessen? Im Bereiche des rechten
Facialis. -- Einen anderen interessanten Fall hat Edward Seah
mitgetheilt in dem Edinburgh Medical and Surgical Journal Vol.
XXX. (1828) p. 23. Ein Midshipman der englischen Flotte ver¬
lor durch einen Kanonenschuss den rechten Arm. Der Teta¬
nus, welcher folgte und von Oben nach Unten herabstieg, trat
nicht sofort doppelseitig in den Musculi abdominis auf. Er be¬

Reflexe bereits ausgelöst hat, und, indem sie sich
weiter verbreitet
, auch Motoren der entgegengesetz¬
ten Rückenmarkshälfte erregt
, also doppelseitige
Reflexe erzeugt
, so werden stets und unter allen
Umständen nur solche Motoren innervirt
, die auch
bereits auf der primär affizirten Seite erregt sind
,
so dass also doppelseitige Reflexe nie in kreuzender
Richtung erzeugt werden
.

Es brauchen alsdann nicht alle Muskeln zum Krampfe be¬
stimmt zu werden, welche bereits auf der primär affizirten Seite
erregt sind. Diejenigen Muskeln aber, welche auf der anderen
Seite in den Bereich der Reflex-Neurose gezogen werden, sind
bereits auf der primär ergriffenen Seite affizirt. (Siehe hierfür
die Fälle.)

Hieraus folgt nun, wie sich der Leser überzeugen wird,
dass ein doppelseitiger Reflex nie so eintreten kann, dass nach
einem Reize, der z. B. die Fasern des rechten Nervus ischia¬
dicus trifft, halbseitiger Trismus der entgegengesetzten, also
linken Seite folgen könne. In diesem Falle werden entweder
die rechten Mastikatoren erst zum Krampfe erregt und dann
auch zu diesen die linken, oder es tritt sofort completer Tris¬
mus ein. Ich habe als Beispiel hier ein recht in die Augen
springendes gewählt. John Mitchell theilt einen Fall mit in den
Medico-chirurgical Transactions, Vol. IV. p. 25 etc., wo ein Reiz
des linken Quintus Zuckungen und Convulsionen im Bereiche
des linken Facialis, linken Hypoglossus und Accessorius, lin¬
ken
plexus cervicalis und brachialis erzeugte. Secundär er¬
schienen auch Convulsionen auf der rechten Körperseite. Wo
befanden sich dieselben indessen? Im Bereiche des rechten
Facialis. — Einen anderen interessanten Fall hat Edward Seah
mitgetheilt in dem Edinburgh Medical and Surgical Journal Vol.
XXX. (1828) p. 23. Ein Midshipman der englischen Flotte ver¬
lor durch einen Kanonenschuss den rechten Arm. Der Teta¬
nus, welcher folgte und von Oben nach Unten herabstieg, trat
nicht sofort doppelseitig in den Musculi abdominis auf. Er be¬

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[72/0094] Reflexe bereits ausgelöst hat, und, indem sie sich weiter verbreitet, auch Motoren der entgegengesetz¬ ten Rückenmarkshälfte erregt, also doppelseitige Reflexe erzeugt, so werden stets und unter allen Umständen nur solche Motoren innervirt, die auch bereits auf der primär affizirten Seite erregt sind, so dass also doppelseitige Reflexe nie in kreuzender Richtung erzeugt werden. Es brauchen alsdann nicht alle Muskeln zum Krampfe be¬ stimmt zu werden, welche bereits auf der primär affizirten Seite erregt sind. Diejenigen Muskeln aber, welche auf der anderen Seite in den Bereich der Reflex-Neurose gezogen werden, sind bereits auf der primär ergriffenen Seite affizirt. (Siehe hierfür die Fälle.) Hieraus folgt nun, wie sich der Leser überzeugen wird, dass ein doppelseitiger Reflex nie so eintreten kann, dass nach einem Reize, der z. B. die Fasern des rechten Nervus ischia¬ dicus trifft, halbseitiger Trismus der entgegengesetzten, also linken Seite folgen könne. In diesem Falle werden entweder die rechten Mastikatoren erst zum Krampfe erregt und dann auch zu diesen die linken, oder es tritt sofort completer Tris¬ mus ein. Ich habe als Beispiel hier ein recht in die Augen springendes gewählt. John Mitchell theilt einen Fall mit in den Medico-chirurgical Transactions, Vol. IV. p. 25 etc., wo ein Reiz des linken Quintus Zuckungen und Convulsionen im Bereiche des linken Facialis, linken Hypoglossus und Accessorius, lin¬ ken plexus cervicalis und brachialis erzeugte. Secundär er¬ schienen auch Convulsionen auf der rechten Körperseite. Wo befanden sich dieselben indessen? Im Bereiche des rechten Facialis. — Einen anderen interessanten Fall hat Edward Seah mitgetheilt in dem Edinburgh Medical and Surgical Journal Vol. XXX. (1828) p. 23. Ein Midshipman der englischen Flotte ver¬ lor durch einen Kanonenschuss den rechten Arm. Der Teta¬ nus, welcher folgte und von Oben nach Unten herabstieg, trat nicht sofort doppelseitig in den Musculi abdominis auf. Er be¬

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/94>, abgerufen am 24.04.2024.