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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Die Reimschmiede-Kunst etc.
Wahrheit in der Reimschmiede-Kunst, und
billig hochzuhalten.

Erweis.

Die Reimschmiede-Kunst gestattet, auf alles
und jedes, darauf nur ein Reim möglich ist,
solchen anzubringen (§ 1). Da nun die Erfin-
dung eines noch nie zuvor vorgekommenen Rei-
mes eine Entdeckung neuer Möglichkeiten ist:
So wird dadurch der Reim-Wörter-Schatz
vermehret, mithin eine neue Wahrheit ans Licht
gebracht; welches das erste war.

Da aber eine erfundene neue Wahrheit billig
dem Erfinder zu Ehren gereichet und seinen Ruhm
vergrößert: So hat man also ganz neue und zu-
vor nie erhörte Reime allerdings hochzuschätzen;
welches das andere war. Q. E. D.

Zusatz.

§ 18. Da nun aber die Reimschmiede-Kunst
eine große Verwandtschaft mit der kriechenden
Poesie hat (§ 5, 9): So folget, daß auch ein
solcher angebrachter neuer niedriger Gedanke,
dergleichen noch niemand vorher gehabt, un-
ter die neue kriechende Wahrheiten zu setzen
und hochzuhalten sey.

Anmerkung.

§ 19. Als eine gute Cautel, dahinter zu kom-
men, muß man in Lesung der Poeten geübt seyn,
damit man nicht etwas für einen neuen Reim
oder frischen Einfall halte, den doch schon an-
dere vorher gehabt. Gewiß der Kützel und die

Freude

Die Reimſchmiede-Kunſt ꝛc.
Wahrheit in der Reimſchmiede-Kunſt, und
billig hochzuhalten.

Erweis.

Die Reimſchmiede-Kunſt geſtattet, auf alles
und jedes, darauf nur ein Reim moͤglich iſt,
ſolchen anzubringen (§ 1). Da nun die Erfin-
dung eines noch nie zuvor vorgekommenen Rei-
mes eine Entdeckung neuer Moͤglichkeiten iſt:
So wird dadurch der Reim-Woͤrter-Schatz
vermehret, mithin eine neue Wahrheit ans Licht
gebracht; welches das erſte war.

Da aber eine erfundene neue Wahrheit billig
dem Erfinder zu Ehren gereichet und ſeinen Ruhm
vergroͤßert: So hat man alſo ganz neue und zu-
vor nie erhoͤrte Reime allerdings hochzuſchaͤtzen;
welches das andere war. Q. E. D.

Zuſatz.

§ 18. Da nun aber die Reimſchmiede-Kunſt
eine große Verwandtſchaft mit der kriechenden
Poeſie hat (§ 5, 9): So folget, daß auch ein
ſolcher angebrachter neuer niedriger Gedanke,
dergleichen noch niemand vorher gehabt, un-
ter die neue kriechende Wahrheiten zu ſetzen
und hochzuhalten ſey.

Anmerkung.

§ 19. Als eine gute Cautel, dahinter zu kom-
men, muß man in Leſung der Poeten geuͤbt ſeyn,
damit man nicht etwas fuͤr einen neuen Reim
oder friſchen Einfall halte, den doch ſchon an-
dere vorher gehabt. Gewiß der Kuͤtzel und die

Freude
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[24/0032] Die Reimſchmiede-Kunſt ꝛc. Wahrheit in der Reimſchmiede-Kunſt, und billig hochzuhalten. Erweis. Die Reimſchmiede-Kunſt geſtattet, auf alles und jedes, darauf nur ein Reim moͤglich iſt, ſolchen anzubringen (§ 1). Da nun die Erfin- dung eines noch nie zuvor vorgekommenen Rei- mes eine Entdeckung neuer Moͤglichkeiten iſt: So wird dadurch der Reim-Woͤrter-Schatz vermehret, mithin eine neue Wahrheit ans Licht gebracht; welches das erſte war. Da aber eine erfundene neue Wahrheit billig dem Erfinder zu Ehren gereichet und ſeinen Ruhm vergroͤßert: So hat man alſo ganz neue und zu- vor nie erhoͤrte Reime allerdings hochzuſchaͤtzen; welches das andere war. Q. E. D. Zuſatz. § 18. Da nun aber die Reimſchmiede-Kunſt eine große Verwandtſchaft mit der kriechenden Poeſie hat (§ 5, 9): So folget, daß auch ein ſolcher angebrachter neuer niedriger Gedanke, dergleichen noch niemand vorher gehabt, un- ter die neue kriechende Wahrheiten zu ſetzen und hochzuhalten ſey. Anmerkung. § 19. Als eine gute Cautel, dahinter zu kom- men, muß man in Leſung der Poeten geuͤbt ſeyn, damit man nicht etwas fuͤr einen neuen Reim oder friſchen Einfall halte, den doch ſchon an- dere vorher gehabt. Gewiß der Kuͤtzel und die Freude

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/32>, abgerufen am 28.03.2024.