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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Zwey hundert
Regeln und Maximen
vom
gesunden Witze, dem Wohlklange
und guten Geschmacke.


Erstes Hundert.
I.
Ein gesunder Witz, oder bon sens, der
Wohlklang und gute Geschmack können
nie von einander getrennet werden; son-
dern sind drey Schwestern, die sich einander
freundlich herzen.
II. Der bon sens, oder gesunde Witz, be-
urtheilet, was wohl klinge, und gut schmecke.
Wenn nun etwas mit dem guten Geschmacke
und dem Wohlklange übereinkömmt: So kann
man sicher auf den vorhandenen gesunden Witz
schliessen.
III. Wer eine Sprache aus dem Grunde ver-
stehet, der höret gleich, ob eine Redens-Art gut
klinge;
sein zartes Gehör beurtheilet alsofort,
was falsch und unrein ist. Eben so ist der ge-
sunde Witz der genaue Aufmerker, ob etwas
dem Wohlklange und guten Geschmacke gemäß
sey, oder nicht.
IV. Der gesunde Witz ist hauptsächlich eine
Gabe der gütigen Natur; doch kann er durch
die Wissenschaften und den Umgang mit beaux
Esprits,
Zwey hundert
Regeln und Maximen
vom
geſunden Witze, dem Wohlklange
und guten Geſchmacke.


Erſtes Hundert.
I.
Ein geſunder Witz, oder bon ſens, der
Wohlklang und gute Geſchmack koͤnnen
nie von einander getrennet werden; ſon-
dern ſind drey Schweſtern, die ſich einander
freundlich herzen.
II. Der bon ſens, oder geſunde Witz, be-
urtheilet, was wohl klinge, und gut ſchmecke.
Wenn nun etwas mit dem guten Geſchmacke
und dem Wohlklange uͤbereinkoͤmmt: So kann
man ſicher auf den vorhandenen geſunden Witz
ſchlieſſen.
III. Wer eine Sprache aus dem Grunde ver-
ſtehet, der hoͤret gleich, ob eine Redens-Art gut
klinge;
ſein zartes Gehoͤr beurtheilet alſofort,
was falſch und unrein iſt. Eben ſo iſt der ge-
ſunde Witz der genaue Aufmerker, ob etwas
dem Wohlklange und guten Geſchmacke gemaͤß
ſey, oder nicht.
IV. Der geſunde Witz iſt hauptſaͤchlich eine
Gabe der guͤtigen Natur; doch kann er durch
die Wiſſenſchaften und den Umgang mit beaux
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[[188]/0196] Zwey hundert Regeln und Maximen vom geſunden Witze, dem Wohlklange und guten Geſchmacke. Erſtes Hundert. I. Ein geſunder Witz, oder bon ſens, der Wohlklang und gute Geſchmack koͤnnen nie von einander getrennet werden; ſon- dern ſind drey Schweſtern, die ſich einander freundlich herzen. II. Der bon ſens, oder geſunde Witz, be- urtheilet, was wohl klinge, und gut ſchmecke. Wenn nun etwas mit dem guten Geſchmacke und dem Wohlklange uͤbereinkoͤmmt: So kann man ſicher auf den vorhandenen geſunden Witz ſchlieſſen. III. Wer eine Sprache aus dem Grunde ver- ſtehet, der hoͤret gleich, ob eine Redens-Art gut klinge; ſein zartes Gehoͤr beurtheilet alſofort, was falſch und unrein iſt. Eben ſo iſt der ge- ſunde Witz der genaue Aufmerker, ob etwas dem Wohlklange und guten Geſchmacke gemaͤß ſey, oder nicht. IV. Der geſunde Witz iſt hauptſaͤchlich eine Gabe der guͤtigen Natur; doch kann er durch die Wiſſenſchaften und den Umgang mit beaux Eſprits,

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. [188]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/196>, abgerufen am 28.03.2024.