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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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XVII. Gebratener Haasen.
schet man in seiner Schrift, daß, da er einen
so neumodischen Tempel angegeben, er einen
vollständigen Riß davon dem Leser mitgetheilt
hätte, zumal er hintenher eine von ihm in der
Note p. 31. genannte Nebencapelle, nemlich
den Tempel der Freunoschaft, angeflicket;
da man wahrlich nicht siehet, was der gute
Geschmack
mit der Freundschaft vor eine Con-
nexion
habe. Man siehets wol, der Autor
ist zum Scherzen nicht gebohren. Sein Ba-
diniren
hat weder Saft noch Geschmack.

Siebenzehendes Couvert.
Gebratener Haasen.

Ein gebratener Haase in der Schüssel ist un-
streitig von besserm Geschmack, als ein leben-
diger Haase
auf der Schaubühne. Als ei-
nen solchen führt sich beynahe der Autor auf
der 13 und 14 Seite auf. Denn wie hasi-
lirt
er nicht da ungescheut, daß er also reimet:
Das sind, Gott gebs! die großen Geister, im
Schreiben Flink, im Tadeln Meister.
Wie
schickt sich doch immer hier die Brocke: Gott
gebs?
Er hat gewiß das andre Gebot ver-
gessen! Wer redet ferner also: Jm Schrei-
ben flink seyn?
Er hat vielleicht sagen wol-
len: Zum Schreiben leicht fertig seyn; so hat
er sich ja selber abgeschildert. Die Worte
aber: im Tadeln Meister, und selbst zum
Schreiben noch zu jung,
mag er mit güldnen

Buch-
T 3

XVII. Gebratener Haaſen.
ſchet man in ſeiner Schrift, daß, da er einen
ſo neumodiſchen Tempel angegeben, er einen
vollſtaͤndigen Riß davon dem Leſer mitgetheilt
haͤtte, zumal er hintenher eine von ihm in der
Note p. 31. genannte Nebencapelle, nemlich
den Tempel der Freunoſchaft, angeflicket;
da man wahrlich nicht ſiehet, was der gute
Geſchmack
mit der Freundſchaft vor eine Con-
nexion
habe. Man ſiehets wol, der Autor
iſt zum Scherzen nicht gebohren. Sein Ba-
diniren
hat weder Saft noch Geſchmack.

Siebenzehendes Couvert.
Gebratener Haaſen.

Ein gebratener Haaſe in der Schuͤſſel iſt un-
ſtreitig von beſſerm Geſchmack, als ein leben-
diger Haaſe
auf der Schaubuͤhne. Als ei-
nen ſolchen fuͤhrt ſich beynahe der Autor auf
der 13 und 14 Seite auf. Denn wie haſi-
lirt
er nicht da ungeſcheut, daß er alſo reimet:
Das ſind, Gott gebs! die großen Geiſter, im
Schreiben Flink, im Tadeln Meiſter.
Wie
ſchickt ſich doch immer hier die Brocke: Gott
gebs?
Er hat gewiß das andre Gebot ver-
geſſen! Wer redet ferner alſo: Jm Schrei-
ben flink ſeyn?
Er hat vielleicht ſagen wol-
len: Zum Schreiben leicht fertig ſeyn; ſo hat
er ſich ja ſelber abgeſchildert. Die Worte
aber: im Tadeln Meiſter, und ſelbſt zum
Schreiben noch zu jung,
mag er mit guͤldnen

Buch-
T 3
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[293/0301] XVII. Gebratener Haaſen. ſchet man in ſeiner Schrift, daß, da er einen ſo neumodiſchen Tempel angegeben, er einen vollſtaͤndigen Riß davon dem Leſer mitgetheilt haͤtte, zumal er hintenher eine von ihm in der Note p. 31. genannte Nebencapelle, nemlich den Tempel der Freunoſchaft, angeflicket; da man wahrlich nicht ſiehet, was der gute Geſchmack mit der Freundſchaft vor eine Con- nexion habe. Man ſiehets wol, der Autor iſt zum Scherzen nicht gebohren. Sein Ba- diniren hat weder Saft noch Geſchmack. Siebenzehendes Couvert. Gebratener Haaſen. Ein gebratener Haaſe in der Schuͤſſel iſt un- ſtreitig von beſſerm Geſchmack, als ein leben- diger Haaſe auf der Schaubuͤhne. Als ei- nen ſolchen fuͤhrt ſich beynahe der Autor auf der 13 und 14 Seite auf. Denn wie haſi- lirt er nicht da ungeſcheut, daß er alſo reimet: Das ſind, Gott gebs! die großen Geiſter, im Schreiben Flink, im Tadeln Meiſter. Wie ſchickt ſich doch immer hier die Brocke: Gott gebs? Er hat gewiß das andre Gebot ver- geſſen! Wer redet ferner alſo: Jm Schrei- ben flink ſeyn? Er hat vielleicht ſagen wol- len: Zum Schreiben leicht fertig ſeyn; ſo hat er ſich ja ſelber abgeſchildert. Die Worte aber: im Tadeln Meiſter, und ſelbſt zum Schreiben noch zu jung, mag er mit guͤldnen Buch- T 3

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/301>, abgerufen am 20.04.2024.