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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Vollkommenere und stärkere Variante. Panmixie.

Nach den obigen Ausführungen bedeutete ein besseres
Gehirn für seinen Besitzer eine Verstärkung der gesammten
Constitutionskraft. Zwischen einer vollkommneren Convari-
ante und einer stärkeren war also in Bezug auf diesen
Punkt kein Unterschied. Ebenso ist klar, dass auch alle
anderen besseren Regulations-Vorrichtungen, wo sie uns
offenbar werden, von uns Vervollkommnungen genannt
werden müssen. Jede Erhöhung unserer Kraft, die Aussen-
welt zu beherrschen und uns Geltung gegenüber unseren
Artgenossen zu verschaffen, bezieht sich eben direct auf
die bessere Möglichkeit, unsere Glücksbedürfnisse zu be-
friedigen, die Quelle aller unserer Werthbegriffe. Jede
Convariante, die vollkommener war als eine andere, war
somit -- gleiche Bedingungen vorausgesetzt -- zugleich
die im Kampf um's Dasein stärkere. Hierauf basirt ja
überhaupt die darwinistische Erklärung der gesammten auf-
steigenden Entwickelung der Lebewelt.

Es fragt sich nun aber, ist auch umgekehrt jede Con-
variante, die stärker ist als eine andere, zu gleicher Zeit
eine vollkommnere?

Das sieht zuerst selbstverständlich aus. Und doch
kennen die Biologen Beispiele, wo eine bessere Anpassung
verbunden erscheint mit einer Vereinfachung des Functionen-
systems des Organismus. Hierauf fussend, haben einige
Naturforscher, unter ihnen besonders Nägeli *), Anpassungs-
Vollkommenheit und Organisations-Vollkommenheit von
einander geschieden, und ausser der durch den Kampf
um's Dasein regulirten Anpassung eine innere Tendenz
zur Vervollkommnung angenommen.

*) Nägeli, C. Mechanisch physiologische Theorie der Ab-
stammungslehre. München und Leipzig 1884. S. 326 u. ff. -- Vgl.
auch darüber Hauptmann, a. a. O. S. 344--349.
Vollkommenere und stärkere Variante. Panmixie.

Nach den obigen Ausführungen bedeutete ein besseres
Gehirn für seinen Besitzer eine Verstärkung der gesammten
Constitutionskraft. Zwischen einer vollkommneren Convari-
ante und einer stärkeren war also in Bezug auf diesen
Punkt kein Unterschied. Ebenso ist klar, dass auch alle
anderen besseren Regulations-Vorrichtungen, wo sie uns
offenbar werden, von uns Vervollkommnungen genannt
werden müssen. Jede Erhöhung unserer Kraft, die Aussen-
welt zu beherrschen und uns Geltung gegenüber unseren
Artgenossen zu verschaffen, bezieht sich eben direct auf
die bessere Möglichkeit, unsere Glücksbedürfnisse zu be-
friedigen, die Quelle aller unserer Werthbegriffe. Jede
Convariante, die vollkommener war als eine andere, war
somit — gleiche Bedingungen vorausgesetzt — zugleich
die im Kampf um’s Dasein stärkere. Hierauf basirt ja
überhaupt die darwinistische Erklärung der gesammten auf-
steigenden Entwickelung der Lebewelt.

Es fragt sich nun aber, ist auch umgekehrt jede Con-
variante, die stärker ist als eine andere, zu gleicher Zeit
eine vollkommnere?

Das sieht zuerst selbstverständlich aus. Und doch
kennen die Biologen Beispiele, wo eine bessere Anpassung
verbunden erscheint mit einer Vereinfachung des Functionen-
systems des Organismus. Hierauf fussend, haben einige
Naturforscher, unter ihnen besonders Nägeli *), Anpassungs-
Vollkommenheit und Organisations-Vollkommenheit von
einander geschieden, und ausser der durch den Kampf
um’s Dasein regulirten Anpassung eine innere Tendenz
zur Vervollkommnung angenommen.

*) Nägeli, C. Mechanisch physiologische Theorie der Ab-
stammungslehre. München und Leipzig 1884. S. 326 u. ff. — Vgl.
auch darüber Hauptmann, a. a. O. S. 344—349.
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[98/0118] Vollkommenere und stärkere Variante. Panmixie. Nach den obigen Ausführungen bedeutete ein besseres Gehirn für seinen Besitzer eine Verstärkung der gesammten Constitutionskraft. Zwischen einer vollkommneren Convari- ante und einer stärkeren war also in Bezug auf diesen Punkt kein Unterschied. Ebenso ist klar, dass auch alle anderen besseren Regulations-Vorrichtungen, wo sie uns offenbar werden, von uns Vervollkommnungen genannt werden müssen. Jede Erhöhung unserer Kraft, die Aussen- welt zu beherrschen und uns Geltung gegenüber unseren Artgenossen zu verschaffen, bezieht sich eben direct auf die bessere Möglichkeit, unsere Glücksbedürfnisse zu be- friedigen, die Quelle aller unserer Werthbegriffe. Jede Convariante, die vollkommener war als eine andere, war somit — gleiche Bedingungen vorausgesetzt — zugleich die im Kampf um’s Dasein stärkere. Hierauf basirt ja überhaupt die darwinistische Erklärung der gesammten auf- steigenden Entwickelung der Lebewelt. Es fragt sich nun aber, ist auch umgekehrt jede Con- variante, die stärker ist als eine andere, zu gleicher Zeit eine vollkommnere? Das sieht zuerst selbstverständlich aus. Und doch kennen die Biologen Beispiele, wo eine bessere Anpassung verbunden erscheint mit einer Vereinfachung des Functionen- systems des Organismus. Hierauf fussend, haben einige Naturforscher, unter ihnen besonders Nägeli *), Anpassungs- Vollkommenheit und Organisations-Vollkommenheit von einander geschieden, und ausser der durch den Kampf um’s Dasein regulirten Anpassung eine innere Tendenz zur Vervollkommnung angenommen. *) Nägeli, C. Mechanisch physiologische Theorie der Ab- stammungslehre. München und Leipzig 1884. S. 326 u. ff. — Vgl. auch darüber Hauptmann, a. a. O. S. 344—349.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/118>, abgerufen am 24.04.2024.