Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
I.

Eines Tages wurde dem Büttnerbauer ein Schreiben vom
Amtsgericht zugestellt. Es war ein Zahlungsbefehl. Das
Gesuch dazu war von Ernst Kaschel gestellt, welcher Zahlung
seiner siebzehnhundert Mark nebst Zinsen und Kosten verlangte,
widrigenfalls er mit Zwangsvollstreckung drohte.

Die Nachricht schlug wie ein Blitzstrahl ein. Trotz seiner
mangelhaften Kenntnis von der Rechtspflege, begriff der alte
Mann doch sofort, was das zu bedeuten habe. Nun stand es
fest, daß Kaschelernst seinen Untergang wollte; dies hier war
die Waffe, mit der er ihm auf den Leib rückte. Zwangsvoll¬
streckung und in letzter Linie Zwangsversteigerung des Gutes,
darauf hatte der Kretschamwirt es abgesehen.

Der Büttnerbauer hatte in seinem Leben mehr als ein
Gut der Nachbarschaft unter dem Hammer weggehen sehen.
Manchen Bauern hatte er gekannt, der als wohlhabender
Mann angefangen, und schließlich mit dem weißen Stabe in
der Hand aus dem Hofe geschritten war. Zwangsversteigerung!
Der Gedanke daran konnte einem das Blut in den Adern ge¬
rinnen machen. Das war das Ende von allem! Der Bauer,
dem das geschah, war gestrichen aus der Liste der Lebenden,
losgerissen von seinem Gute, ausgerodet, hinausgeworfen auf
die Landstraße, wie man ein Unkraut aus dem Acker rauft
und über den Zaun wirft. --

Gustav war der einzige von der ganzen Familie, mit dem
der Bauer von diesem neuesten Unglück sprach. Gustav sah

I.

Eines Tages wurde dem Büttnerbauer ein Schreiben vom
Amtsgericht zugeſtellt. Es war ein Zahlungsbefehl. Das
Geſuch dazu war von Ernſt Kaſchel geſtellt, welcher Zahlung
ſeiner ſiebzehnhundert Mark nebſt Zinſen und Koſten verlangte,
widrigenfalls er mit Zwangsvollſtreckung drohte.

Die Nachricht ſchlug wie ein Blitzſtrahl ein. Trotz ſeiner
mangelhaften Kenntnis von der Rechtspflege, begriff der alte
Mann doch ſofort, was das zu bedeuten habe. Nun ſtand es
feſt, daß Kaſchelernſt ſeinen Untergang wollte; dies hier war
die Waffe, mit der er ihm auf den Leib rückte. Zwangsvoll¬
ſtreckung und in letzter Linie Zwangsverſteigerung des Gutes,
darauf hatte der Kretſchamwirt es abgeſehen.

Der Büttnerbauer hatte in ſeinem Leben mehr als ein
Gut der Nachbarſchaft unter dem Hammer weggehen ſehen.
Manchen Bauern hatte er gekannt, der als wohlhabender
Mann angefangen, und ſchließlich mit dem weißen Stabe in
der Hand aus dem Hofe geſchritten war. Zwangsverſteigerung!
Der Gedanke daran konnte einem das Blut in den Adern ge¬
rinnen machen. Das war das Ende von allem! Der Bauer,
dem das geſchah, war geſtrichen aus der Liſte der Lebenden,
losgeriſſen von ſeinem Gute, ausgerodet, hinausgeworfen auf
die Landſtraße, wie man ein Unkraut aus dem Acker rauft
und über den Zaun wirft. —

Guſtav war der einzige von der ganzen Familie, mit dem
der Bauer von dieſem neueſten Unglück ſprach. Guſtav ſah

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0179" n="[165]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head>
          <p>Eines Tages wurde dem Büttnerbauer ein Schreiben vom<lb/>
Amtsgericht zuge&#x017F;tellt. Es war ein Zahlungsbefehl. Das<lb/>
Ge&#x017F;uch dazu war von Ern&#x017F;t Ka&#x017F;chel ge&#x017F;tellt, welcher Zahlung<lb/>
&#x017F;einer &#x017F;iebzehnhundert Mark neb&#x017F;t Zin&#x017F;en und Ko&#x017F;ten verlangte,<lb/>
widrigenfalls er mit Zwangsvoll&#x017F;treckung drohte.</p><lb/>
          <p>Die Nachricht &#x017F;chlug wie ein Blitz&#x017F;trahl ein. Trotz &#x017F;einer<lb/>
mangelhaften Kenntnis von der Rechtspflege, begriff der alte<lb/>
Mann doch &#x017F;ofort, was das zu bedeuten habe. Nun &#x017F;tand es<lb/>
fe&#x017F;t, daß Ka&#x017F;chelern&#x017F;t &#x017F;einen Untergang wollte; dies hier war<lb/>
die Waffe, mit der er ihm auf den Leib rückte. Zwangsvoll¬<lb/>
&#x017F;treckung und in letzter Linie Zwangsver&#x017F;teigerung des Gutes,<lb/>
darauf hatte der Kret&#x017F;chamwirt es abge&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Der Büttnerbauer hatte in &#x017F;einem Leben mehr als ein<lb/>
Gut der Nachbar&#x017F;chaft unter dem Hammer weggehen &#x017F;ehen.<lb/>
Manchen Bauern hatte er gekannt, der als wohlhabender<lb/>
Mann angefangen, und &#x017F;chließlich mit dem weißen Stabe in<lb/>
der Hand aus dem Hofe ge&#x017F;chritten war. Zwangsver&#x017F;teigerung!<lb/>
Der Gedanke daran konnte einem das Blut in den Adern ge¬<lb/>
rinnen machen. Das war das Ende von allem! Der Bauer,<lb/>
dem das ge&#x017F;chah, war ge&#x017F;trichen aus der Li&#x017F;te der Lebenden,<lb/>
losgeri&#x017F;&#x017F;en von &#x017F;einem Gute, ausgerodet, hinausgeworfen auf<lb/>
die Land&#x017F;traße, wie man ein Unkraut aus dem Acker rauft<lb/>
und über den Zaun wirft. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Gu&#x017F;tav war der einzige von der ganzen Familie, mit dem<lb/>
der Bauer von die&#x017F;em neue&#x017F;ten Unglück &#x017F;prach. Gu&#x017F;tav &#x017F;ah<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[165]/0179] I. Eines Tages wurde dem Büttnerbauer ein Schreiben vom Amtsgericht zugeſtellt. Es war ein Zahlungsbefehl. Das Geſuch dazu war von Ernſt Kaſchel geſtellt, welcher Zahlung ſeiner ſiebzehnhundert Mark nebſt Zinſen und Koſten verlangte, widrigenfalls er mit Zwangsvollſtreckung drohte. Die Nachricht ſchlug wie ein Blitzſtrahl ein. Trotz ſeiner mangelhaften Kenntnis von der Rechtspflege, begriff der alte Mann doch ſofort, was das zu bedeuten habe. Nun ſtand es feſt, daß Kaſchelernſt ſeinen Untergang wollte; dies hier war die Waffe, mit der er ihm auf den Leib rückte. Zwangsvoll¬ ſtreckung und in letzter Linie Zwangsverſteigerung des Gutes, darauf hatte der Kretſchamwirt es abgeſehen. Der Büttnerbauer hatte in ſeinem Leben mehr als ein Gut der Nachbarſchaft unter dem Hammer weggehen ſehen. Manchen Bauern hatte er gekannt, der als wohlhabender Mann angefangen, und ſchließlich mit dem weißen Stabe in der Hand aus dem Hofe geſchritten war. Zwangsverſteigerung! Der Gedanke daran konnte einem das Blut in den Adern ge¬ rinnen machen. Das war das Ende von allem! Der Bauer, dem das geſchah, war geſtrichen aus der Liſte der Lebenden, losgeriſſen von ſeinem Gute, ausgerodet, hinausgeworfen auf die Landſtraße, wie man ein Unkraut aus dem Acker rauft und über den Zaun wirft. — Guſtav war der einzige von der ganzen Familie, mit dem der Bauer von dieſem neueſten Unglück ſprach. Guſtav ſah

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/179
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [165]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/179>, abgerufen am 19.04.2024.