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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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II.

Samuel Harrassowitz saß in seinem halbverdeckten Wägel¬
chen, in welchem er über Land zu fahren pflegte. Auf dem
Bocke der Kutscher mit einer goldbetressten Livree angethan, die
Sam bei irgend einer Zwangsversteigerung billig erstanden
hatte. Er war auf der Fahrt nach Wörmsbach begriffen, ein
Dorf, in dem er verschiedene Häuser und Landparzellen besaß.
Sein Weg führte ihn über Halbenau. Eigentlich hatte es
nicht in seinem Plane gelegen, sich hier aufzuhalten, aber, als
er von weitem den Giebel des Büttnerschen Hauses winken sah,
konnte er der Versuchung nicht widerstehen, einen Abstecher
dorthin zu unternehmen. 'mal sehen, wie die Dinge dort
standen. Auf ein Stündchen kam es ja nicht an. Und ,stets
auf dem Platze sein', das war eines von Sams Geschäftsge¬
heimnissen.

Außerdem hatte er den Bauernhof und seine Bewohner
nicht ungern, Harrassowitz war einer gewissen Gutmütigkeit
fähig. Er haßte die nicht, welche er schädigte. Auch besaß er
Sinn für die Gemütlichkeit. Er vertilgte nicht gierig; das
war nicht klug, und man verdarb sich den Genuß. Er nahm
sich Zeit, und machte sich öfters das Vergnügen, um seinen
Baum herumzugehen, mit den Früchten zu liebäugeln, ehe er
sie schüttelte.

Er gab dem Kutscher Weisung, von der großen Straße
abzubiegen, und hielt bald darauf im Büttnerschen Hofe.

II.

Samuel Harraſſowitz ſaß in ſeinem halbverdeckten Wägel¬
chen, in welchem er über Land zu fahren pflegte. Auf dem
Bocke der Kutſcher mit einer goldbetreſſten Livree angethan, die
Sam bei irgend einer Zwangsverſteigerung billig erſtanden
hatte. Er war auf der Fahrt nach Wörmsbach begriffen, ein
Dorf, in dem er verſchiedene Häuſer und Landparzellen beſaß.
Sein Weg führte ihn über Halbenau. Eigentlich hatte es
nicht in ſeinem Plane gelegen, ſich hier aufzuhalten, aber, als
er von weitem den Giebel des Büttnerſchen Hauſes winken ſah,
konnte er der Verſuchung nicht widerſtehen, einen Abſtecher
dorthin zu unternehmen. 'mal ſehen, wie die Dinge dort
ſtanden. Auf ein Stündchen kam es ja nicht an. Und ‚ſtets
auf dem Platze ſein‘, das war eines von Sams Geſchäftsge¬
heimniſſen.

Außerdem hatte er den Bauernhof und ſeine Bewohner
nicht ungern, Harraſſowitz war einer gewiſſen Gutmütigkeit
fähig. Er haßte die nicht, welche er ſchädigte. Auch beſaß er
Sinn für die Gemütlichkeit. Er vertilgte nicht gierig; das
war nicht klug, und man verdarb ſich den Genuß. Er nahm
ſich Zeit, und machte ſich öfters das Vergnügen, um ſeinen
Baum herumzugehen, mit den Früchten zu liebäugeln, ehe er
ſie ſchüttelte.

Er gab dem Kutſcher Weiſung, von der großen Straße
abzubiegen, und hielt bald darauf im Büttnerſchen Hofe.

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[[192]/0206] II. Samuel Harraſſowitz ſaß in ſeinem halbverdeckten Wägel¬ chen, in welchem er über Land zu fahren pflegte. Auf dem Bocke der Kutſcher mit einer goldbetreſſten Livree angethan, die Sam bei irgend einer Zwangsverſteigerung billig erſtanden hatte. Er war auf der Fahrt nach Wörmsbach begriffen, ein Dorf, in dem er verſchiedene Häuſer und Landparzellen beſaß. Sein Weg führte ihn über Halbenau. Eigentlich hatte es nicht in ſeinem Plane gelegen, ſich hier aufzuhalten, aber, als er von weitem den Giebel des Büttnerſchen Hauſes winken ſah, konnte er der Verſuchung nicht widerſtehen, einen Abſtecher dorthin zu unternehmen. 'mal ſehen, wie die Dinge dort ſtanden. Auf ein Stündchen kam es ja nicht an. Und ‚ſtets auf dem Platze ſein‘, das war eines von Sams Geſchäftsge¬ heimniſſen. Außerdem hatte er den Bauernhof und ſeine Bewohner nicht ungern, Harraſſowitz war einer gewiſſen Gutmütigkeit fähig. Er haßte die nicht, welche er ſchädigte. Auch beſaß er Sinn für die Gemütlichkeit. Er vertilgte nicht gierig; das war nicht klug, und man verdarb ſich den Genuß. Er nahm ſich Zeit, und machte ſich öfters das Vergnügen, um ſeinen Baum herumzugehen, mit den Früchten zu liebäugeln, ehe er ſie ſchüttelte. Er gab dem Kutſcher Weiſung, von der großen Straße abzubiegen, und hielt bald darauf im Büttnerſchen Hofe.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [192]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/206>, abgerufen am 29.03.2024.