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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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III.

Die Sachsengänger waren mit ihren Arbeiten rüstig vor¬
wärts geschritten. Den Rüben war bereits die dritte Hand¬
hacke gegeben worden. Der trockene Sommer hatte die Reife
des Getreides stark gefördert; bereits Ende Juni verkündete
die weißgelbe Farbe der Kornähren die herannahende Ernte.

Die Erntezeit bedeutete für die Wanderarbeiter eine Änderung
ihrer ganzen Arbeitsweise. Bis dahin hatten sie hauptsächlich
in Stücklohn gearbeitet. Es war ihnen überlassen worden, sich
Beginn und Dauer der Arbeitszeit selbst zu legen. Erwerbs¬
beflissen wie sie waren, hatten sie bei grauendem Tage die
Arbeit aufgenommen und niemals vor sinkender Nacht aufge¬
hört, nur mit kurzen Unterbrechungen für Frühstück, Mittag¬
brot und Vesper. So hatten sie durch große Emsigkeit schöne
Einnahmen erzielt. Und die Güte der Arbeit hatte doch nicht
unter dem Eifer, möglichst viel vor sich zu bringen, zu leiden
gehabt, denn Gustav Büttner stand als strenger Aufseher hinter
ihnen. Gustav setzte seinen Ehrgeiz darein, daß bei seiner
Gruppe nicht über Schleuderarbeit geklagt werden durfte.
Das Auge des schneidigen Herrn Inspektors schien oft genug
nach einer Gelegenheit zu Tadel, oder gar zu Lohnabzügen,
zu suchen, wenn er plötzlich an die rübenhackenden Leute heran¬
gesprengt kam; aber bis dahin hatte er keine Möglichkeit ge¬
funden, seine wohlwollende Absicht auszuführen.

Anders gestaltete sich die Sache, als die Erntezeit heran¬
kam. An Stelle des Stücklohnes sollte nun, laut Kontrakt,

III.

Die Sachſengänger waren mit ihren Arbeiten rüſtig vor¬
wärts geſchritten. Den Rüben war bereits die dritte Hand¬
hacke gegeben worden. Der trockene Sommer hatte die Reife
des Getreides ſtark gefördert; bereits Ende Juni verkündete
die weißgelbe Farbe der Kornähren die herannahende Ernte.

Die Erntezeit bedeutete für die Wanderarbeiter eine Änderung
ihrer ganzen Arbeitsweiſe. Bis dahin hatten ſie hauptſächlich
in Stücklohn gearbeitet. Es war ihnen überlaſſen worden, ſich
Beginn und Dauer der Arbeitszeit ſelbſt zu legen. Erwerbs¬
befliſſen wie ſie waren, hatten ſie bei grauendem Tage die
Arbeit aufgenommen und niemals vor ſinkender Nacht aufge¬
hört, nur mit kurzen Unterbrechungen für Frühſtück, Mittag¬
brot und Veſper. So hatten ſie durch große Emſigkeit ſchöne
Einnahmen erzielt. Und die Güte der Arbeit hatte doch nicht
unter dem Eifer, möglichſt viel vor ſich zu bringen, zu leiden
gehabt, denn Guſtav Büttner ſtand als ſtrenger Aufſeher hinter
ihnen. Guſtav ſetzte ſeinen Ehrgeiz darein, daß bei ſeiner
Gruppe nicht über Schleuderarbeit geklagt werden durfte.
Das Auge des ſchneidigen Herrn Inſpektors ſchien oft genug
nach einer Gelegenheit zu Tadel, oder gar zu Lohnabzügen,
zu ſuchen, wenn er plötzlich an die rübenhackenden Leute heran¬
geſprengt kam; aber bis dahin hatte er keine Möglichkeit ge¬
funden, ſeine wohlwollende Abſicht auszuführen.

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kam. An Stelle des Stücklohnes ſollte nun, laut Kontrakt,

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[0317] III. Die Sachſengänger waren mit ihren Arbeiten rüſtig vor¬ wärts geſchritten. Den Rüben war bereits die dritte Hand¬ hacke gegeben worden. Der trockene Sommer hatte die Reife des Getreides ſtark gefördert; bereits Ende Juni verkündete die weißgelbe Farbe der Kornähren die herannahende Ernte. Die Erntezeit bedeutete für die Wanderarbeiter eine Änderung ihrer ganzen Arbeitsweiſe. Bis dahin hatten ſie hauptſächlich in Stücklohn gearbeitet. Es war ihnen überlaſſen worden, ſich Beginn und Dauer der Arbeitszeit ſelbſt zu legen. Erwerbs¬ befliſſen wie ſie waren, hatten ſie bei grauendem Tage die Arbeit aufgenommen und niemals vor ſinkender Nacht aufge¬ hört, nur mit kurzen Unterbrechungen für Frühſtück, Mittag¬ brot und Veſper. So hatten ſie durch große Emſigkeit ſchöne Einnahmen erzielt. Und die Güte der Arbeit hatte doch nicht unter dem Eifer, möglichſt viel vor ſich zu bringen, zu leiden gehabt, denn Guſtav Büttner ſtand als ſtrenger Aufſeher hinter ihnen. Guſtav ſetzte ſeinen Ehrgeiz darein, daß bei ſeiner Gruppe nicht über Schleuderarbeit geklagt werden durfte. Das Auge des ſchneidigen Herrn Inſpektors ſchien oft genug nach einer Gelegenheit zu Tadel, oder gar zu Lohnabzügen, zu ſuchen, wenn er plötzlich an die rübenhackenden Leute heran¬ geſprengt kam; aber bis dahin hatte er keine Möglichkeit ge¬ funden, ſeine wohlwollende Abſicht auszuführen. Anders geſtaltete ſich die Sache, als die Erntezeit heran¬ kam. An Stelle des Stücklohnes ſollte nun, laut Kontrakt,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/317>, abgerufen am 19.04.2024.