Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
XI.

Ernestine überbrachte eines Tages ihrem Bruder Gustav
einen Brief von Häschke. Dabei erzählte sie, daß sie in der
nächsten Zeit Halbenau verlassen werde, ihr Bräutigam habe
eine Wohnung gemietet und wolle sie nun heiraten.

Eigentlich hatte Ernestine gewünscht, daß die Hochzeit in
Halbenau stattfinden solle; aber Häschke hatte gemeint, da müsse
man sich womöglich kirchlich einsegnen lassen, und "den Mum¬
pitz" mache er nicht mit. Ernestine fand sich schließlich darein.
Sie war schon so weit von der fortgeschrittenen Weltanschauung
ihres Bräutigams angesteckt, daß sie sich aus solchen alt¬
modischen Gebräuchen, wie kirchliche Trauung und Taufe, nichts
mehr machte. Da sie außerdem praktisch war, sagte sie sich,
daß man durch Weglassen dieser Ceremonien Geld ersparen
könne, welches anderweit besser zu verwenden sei.

Häschke berichtete in seinem Briefe an Gustav, daß er in
einer Maschinenfabrik Anstellung als Schlosser gefunden habe.
Er setzte dem Freunde zu, daß er's ihm nachmachen solle.
In der Stadt sei doch ein ganz anderes Leben, als in dem lang¬
weiligen Dorfe. Auf einen grünen Zweig werde er in Hal¬
benau doch niemals kommen. Wenn Gustav ihm Auftrag gebe,
wolle er sich für ihn um einen Dienst bemühen. Gustav solle
ihm sofort seine Papiere einsenden. Er werde ihm schon etwas
Passendes ausfindig machen. Gediente Unteroffiziere hätten
immer Aussicht, genommen zu werden.

XI.

Erneſtine überbrachte eines Tages ihrem Bruder Guſtav
einen Brief von Häſchke. Dabei erzählte ſie, daß ſie in der
nächſten Zeit Halbenau verlaſſen werde, ihr Bräutigam habe
eine Wohnung gemietet und wolle ſie nun heiraten.

Eigentlich hatte Erneſtine gewünſcht, daß die Hochzeit in
Halbenau ſtattfinden ſolle; aber Häſchke hatte gemeint, da müſſe
man ſich womöglich kirchlich einſegnen laſſen, und „den Mum¬
pitz“ mache er nicht mit. Erneſtine fand ſich ſchließlich darein.
Sie war ſchon ſo weit von der fortgeſchrittenen Weltanſchauung
ihres Bräutigams angeſteckt, daß ſie ſich aus ſolchen alt¬
modiſchen Gebräuchen, wie kirchliche Trauung und Taufe, nichts
mehr machte. Da ſie außerdem praktiſch war, ſagte ſie ſich,
daß man durch Weglaſſen dieſer Ceremonien Geld erſparen
könne, welches anderweit beſſer zu verwenden ſei.

Häſchke berichtete in ſeinem Briefe an Guſtav, daß er in
einer Maſchinenfabrik Anſtellung als Schloſſer gefunden habe.
Er ſetzte dem Freunde zu, daß er's ihm nachmachen ſolle.
In der Stadt ſei doch ein ganz anderes Leben, als in dem lang¬
weiligen Dorfe. Auf einen grünen Zweig werde er in Hal¬
benau doch niemals kommen. Wenn Guſtav ihm Auftrag gebe,
wolle er ſich für ihn um einen Dienſt bemühen. Guſtav ſolle
ihm ſofort ſeine Papiere einſenden. Er werde ihm ſchon etwas
Paſſendes ausfindig machen. Gediente Unteroffiziere hätten
immer Ausſicht, genommen zu werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0416" n="[402]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">XI</hi>.<lb/></head>
          <p>Erne&#x017F;tine überbrachte eines Tages ihrem Bruder Gu&#x017F;tav<lb/>
einen Brief von Hä&#x017F;chke. Dabei erzählte &#x017F;ie, daß &#x017F;ie in der<lb/>
näch&#x017F;ten Zeit Halbenau verla&#x017F;&#x017F;en werde, ihr Bräutigam habe<lb/>
eine Wohnung gemietet und wolle &#x017F;ie nun heiraten.</p><lb/>
          <p>Eigentlich hatte Erne&#x017F;tine gewün&#x017F;cht, daß die Hochzeit in<lb/>
Halbenau &#x017F;tattfinden &#x017F;olle; aber Hä&#x017F;chke hatte gemeint, da mü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
man &#x017F;ich womöglich kirchlich ein&#x017F;egnen la&#x017F;&#x017F;en, und &#x201E;den Mum¬<lb/>
pitz&#x201C; mache er nicht mit. Erne&#x017F;tine fand &#x017F;ich &#x017F;chließlich darein.<lb/>
Sie war &#x017F;chon &#x017F;o weit von der fortge&#x017F;chrittenen Weltan&#x017F;chauung<lb/>
ihres Bräutigams ange&#x017F;teckt, daß &#x017F;ie &#x017F;ich aus &#x017F;olchen alt¬<lb/>
modi&#x017F;chen Gebräuchen, wie kirchliche Trauung und Taufe, nichts<lb/>
mehr machte. Da &#x017F;ie außerdem prakti&#x017F;ch war, &#x017F;agte &#x017F;ie &#x017F;ich,<lb/>
daß man durch Wegla&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;er Ceremonien Geld er&#x017F;paren<lb/>
könne, welches anderweit be&#x017F;&#x017F;er zu verwenden &#x017F;ei.</p><lb/>
          <p>&#x017F;chke berichtete in &#x017F;einem Briefe an Gu&#x017F;tav, daß er in<lb/>
einer Ma&#x017F;chinenfabrik An&#x017F;tellung als Schlo&#x017F;&#x017F;er gefunden habe.<lb/>
Er &#x017F;etzte dem Freunde zu, daß er's ihm nachmachen &#x017F;olle.<lb/>
In der Stadt &#x017F;ei doch ein ganz anderes Leben, als in dem lang¬<lb/>
weiligen Dorfe. Auf einen grünen Zweig werde er in Hal¬<lb/>
benau doch niemals kommen. Wenn Gu&#x017F;tav ihm Auftrag gebe,<lb/>
wolle er &#x017F;ich für ihn um einen Dien&#x017F;t bemühen. Gu&#x017F;tav &#x017F;olle<lb/>
ihm &#x017F;ofort &#x017F;eine Papiere ein&#x017F;enden. Er werde ihm &#x017F;chon etwas<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;endes ausfindig machen. Gediente Unteroffiziere hätten<lb/>
immer Aus&#x017F;icht, genommen zu werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[402]/0416] XI. Erneſtine überbrachte eines Tages ihrem Bruder Guſtav einen Brief von Häſchke. Dabei erzählte ſie, daß ſie in der nächſten Zeit Halbenau verlaſſen werde, ihr Bräutigam habe eine Wohnung gemietet und wolle ſie nun heiraten. Eigentlich hatte Erneſtine gewünſcht, daß die Hochzeit in Halbenau ſtattfinden ſolle; aber Häſchke hatte gemeint, da müſſe man ſich womöglich kirchlich einſegnen laſſen, und „den Mum¬ pitz“ mache er nicht mit. Erneſtine fand ſich ſchließlich darein. Sie war ſchon ſo weit von der fortgeſchrittenen Weltanſchauung ihres Bräutigams angeſteckt, daß ſie ſich aus ſolchen alt¬ modiſchen Gebräuchen, wie kirchliche Trauung und Taufe, nichts mehr machte. Da ſie außerdem praktiſch war, ſagte ſie ſich, daß man durch Weglaſſen dieſer Ceremonien Geld erſparen könne, welches anderweit beſſer zu verwenden ſei. Häſchke berichtete in ſeinem Briefe an Guſtav, daß er in einer Maſchinenfabrik Anſtellung als Schloſſer gefunden habe. Er ſetzte dem Freunde zu, daß er's ihm nachmachen ſolle. In der Stadt ſei doch ein ganz anderes Leben, als in dem lang¬ weiligen Dorfe. Auf einen grünen Zweig werde er in Hal¬ benau doch niemals kommen. Wenn Guſtav ihm Auftrag gebe, wolle er ſich für ihn um einen Dienſt bemühen. Guſtav ſolle ihm ſofort ſeine Papiere einſenden. Er werde ihm ſchon etwas Paſſendes ausfindig machen. Gediente Unteroffiziere hätten immer Ausſicht, genommen zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/416
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [402]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/416>, abgerufen am 23.04.2024.