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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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III.

Einige Tage später fuhr der Büttnerbauer im korb¬
geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er saß ganz vorn
im Wagen, so daß er den Pferdeschwanz beinahe mit den
Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen
eine Anzahl gefüllter Säcke.

Er hatte sich rasiert, was er sonst nur am Sonnabend
Abend that, er trug ein reines Hemd, den schwarzen Rock und
einen flachen Filzhut -- sichere Wahrzeichen, daß es nach der
Stadt ging.

Als er am Kretscham von Halbenau vorbeikam, stand
dort sein Schwager, Ernst Kaschel, in der Thür, Zipfelmütze
auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten
Gastwirtspositur.

Der Bauer stellte sich, als sähe er den Gatten seiner
verstorbenen Schwester nicht, blickte vielmehr steif gradeaus auf
die Landstraße, während er sich dem Kretscham näherte, und
gab dem Rappen die Peitschenschmitze zu fühlen, damit er sich
in Trab setzen solle.

Der Büttnerbauer war seinem Schwager Kaschel niemals
grün gewesen. Das gespannte Verhältnis zwischen den
Verwandten stammte von der Erbauseinandersetzung her, die
der Bauer nach dem Tode des Vaters mit seinen Geschwistern
gehabt hatte.

Aber der Gastwirt ließ den Schwager nicht unangeredet
vorüberfahren. "Guntago Traugott!" rief er dem Bauer zu.

III.

Einige Tage ſpäter fuhr der Büttnerbauer im korb¬
geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er ſaß ganz vorn
im Wagen, ſo daß er den Pferdeſchwanz beinahe mit den
Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen
eine Anzahl gefüllter Säcke.

Er hatte ſich raſiert, was er ſonſt nur am Sonnabend
Abend that, er trug ein reines Hemd, den ſchwarzen Rock und
einen flachen Filzhut — ſichere Wahrzeichen, daß es nach der
Stadt ging.

Als er am Kretſcham von Halbenau vorbeikam, ſtand
dort ſein Schwager, Ernſt Kaſchel, in der Thür, Zipfelmütze
auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten
Gaſtwirtspoſitur.

Der Bauer ſtellte ſich, als ſähe er den Gatten ſeiner
verſtorbenen Schweſter nicht, blickte vielmehr ſteif gradeaus auf
die Landſtraße, während er ſich dem Kretſcham näherte, und
gab dem Rappen die Peitſchenſchmitze zu fühlen, damit er ſich
in Trab ſetzen ſolle.

Der Büttnerbauer war ſeinem Schwager Kaſchel niemals
grün geweſen. Das geſpannte Verhältnis zwiſchen den
Verwandten ſtammte von der Erbauseinanderſetzung her, die
der Bauer nach dem Tode des Vaters mit ſeinen Geſchwiſtern
gehabt hatte.

Aber der Gaſtwirt ließ den Schwager nicht unangeredet
vorüberfahren. „Guntago Traugott!“ rief er dem Bauer zu.

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[[32]/0046] III. Einige Tage ſpäter fuhr der Büttnerbauer im korb¬ geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er ſaß ganz vorn im Wagen, ſo daß er den Pferdeſchwanz beinahe mit den Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen eine Anzahl gefüllter Säcke. Er hatte ſich raſiert, was er ſonſt nur am Sonnabend Abend that, er trug ein reines Hemd, den ſchwarzen Rock und einen flachen Filzhut — ſichere Wahrzeichen, daß es nach der Stadt ging. Als er am Kretſcham von Halbenau vorbeikam, ſtand dort ſein Schwager, Ernſt Kaſchel, in der Thür, Zipfelmütze auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten Gaſtwirtspoſitur. Der Bauer ſtellte ſich, als ſähe er den Gatten ſeiner verſtorbenen Schweſter nicht, blickte vielmehr ſteif gradeaus auf die Landſtraße, während er ſich dem Kretſcham näherte, und gab dem Rappen die Peitſchenſchmitze zu fühlen, damit er ſich in Trab ſetzen ſolle. Der Büttnerbauer war ſeinem Schwager Kaſchel niemals grün geweſen. Das geſpannte Verhältnis zwiſchen den Verwandten ſtammte von der Erbauseinanderſetzung her, die der Bauer nach dem Tode des Vaters mit ſeinen Geſchwiſtern gehabt hatte. Aber der Gaſtwirt ließ den Schwager nicht unangeredet vorüberfahren. „Guntago Traugott!“ rief er dem Bauer zu.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [32]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/46>, abgerufen am 19.04.2024.