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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Zimmer schmückte. Es war ein sorgfältig gemaltes Ölbild,
und stellte einen Landsitz dar. Ein wohnliches Haus, mit einer
Verranda davor. In dem bärtigen Manne, der dort inmitten
seiner Familie saß, war der Hauptmann leicht wieder zu er¬
kennen. Eine Frau in hellem Sommerkleide schien die Mutter
der drei Blondköpfe zu sein. Das Bild hing wohl nicht ohne
Grund an dieser Stelle. Vom Sofa aus, vom Sorgenstuhl,
vom Schreibsessel -- wo immer der Bewohner dieses Zimmers
sitzen mochte der Ruhe pflegend, oder bei der Arbeit, -- wenn
er den Blick erhob, mußte er auf dieses Bild fallen.

Hauptmann Schroff war Witwer, schon seit einigen
Jahren. Die Blondköpfe des Bildes waren jetzt erwachsene
Menschen, und mußten gleich ihm die Füße unter fremder
Leute Tischen wärmen.

Der Hauptmann bot Gustav Platz an. Dann holte er sich
eine Pfeife aus der Ecke, die bereits gestopft war, und auf ihn
dort gewartet zu haben schien. Mit Hilfe von Streichholz und
Fidibus zündete er sie an und begann mächtige Dampfwolken
zu entwickeln. Darauf warf er seine lange Gestalt in den
Sorgenstuhl, schlug die Beine übereinander und meinte: "Na,
nu erzählen Sie mir mal, Büttner! Ihr Vater ist ein alter
Brummbär. Wenn man dem Manne was Gutes thun will,
schnappt er womöglich noch nach einem. Sie sehen mir aus,
als ob Sie vernünftiger wären -- he!"

"Zu Befehl, Herr Hauptmann!"

Der Mann hatte sofort Gustavs ganzes Herz gewonnen.
Er nahm kein Blatt vor den Mund, berichtete das Familien¬
unglück, wie es gekommen war, von Anfang an, soviel er davon
wußte: die Erbteilungsangelegenheit, die Überschuldung des
Gutes, der Kampf des Vaters mit der Ungunst der Ver¬
hältnisse, Unglücksfälle, notwendige Anschaffungen, wachsende
Ausgaben, schließlich völlige Verstrickung in die Netze der
Gläubiger.

Hauptmann Schroff strich sich mit der Hand über den
Bart, rückte unruhig in seinem Stuhle hin und her, wechselte
die Beine, und stieß Wolke auf Wolke in die Luft, zwischendurch

Zimmer ſchmückte. Es war ein ſorgfältig gemaltes Ölbild,
und ſtellte einen Landſitz dar. Ein wohnliches Haus, mit einer
Verranda davor. In dem bärtigen Manne, der dort inmitten
ſeiner Familie ſaß, war der Hauptmann leicht wieder zu er¬
kennen. Eine Frau in hellem Sommerkleide ſchien die Mutter
der drei Blondköpfe zu ſein. Das Bild hing wohl nicht ohne
Grund an dieſer Stelle. Vom Sofa aus, vom Sorgenſtuhl,
vom Schreibſeſſel — wo immer der Bewohner dieſes Zimmers
ſitzen mochte der Ruhe pflegend, oder bei der Arbeit, — wenn
er den Blick erhob, mußte er auf dieſes Bild fallen.

Hauptmann Schroff war Witwer, ſchon ſeit einigen
Jahren. Die Blondköpfe des Bildes waren jetzt erwachſene
Menſchen, und mußten gleich ihm die Füße unter fremder
Leute Tiſchen wärmen.

Der Hauptmann bot Guſtav Platz an. Dann holte er ſich
eine Pfeife aus der Ecke, die bereits geſtopft war, und auf ihn
dort gewartet zu haben ſchien. Mit Hilfe von Streichholz und
Fidibus zündete er ſie an und begann mächtige Dampfwolken
zu entwickeln. Darauf warf er ſeine lange Geſtalt in den
Sorgenſtuhl, ſchlug die Beine übereinander und meinte: „Na,
nu erzählen Sie mir mal, Büttner! Ihr Vater iſt ein alter
Brummbär. Wenn man dem Manne was Gutes thun will,
ſchnappt er womöglich noch nach einem. Sie ſehen mir aus,
als ob Sie vernünftiger wären — he!“

„Zu Befehl, Herr Hauptmann!“

Der Mann hatte ſofort Guſtavs ganzes Herz gewonnen.
Er nahm kein Blatt vor den Mund, berichtete das Familien¬
unglück, wie es gekommen war, von Anfang an, ſoviel er davon
wußte: die Erbteilungsangelegenheit, die Überſchuldung des
Gutes, der Kampf des Vaters mit der Ungunſt der Ver¬
hältniſſe, Unglücksfälle, notwendige Anſchaffungen, wachſende
Ausgaben, ſchließlich völlige Verſtrickung in die Netze der
Gläubiger.

Hauptmann Schroff ſtrich ſich mit der Hand über den
Bart, rückte unruhig in ſeinem Stuhle hin und her, wechſelte
die Beine, und ſtieß Wolke auf Wolke in die Luft, zwiſchendurch

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[186/0200] Zimmer ſchmückte. Es war ein ſorgfältig gemaltes Ölbild, und ſtellte einen Landſitz dar. Ein wohnliches Haus, mit einer Verranda davor. In dem bärtigen Manne, der dort inmitten ſeiner Familie ſaß, war der Hauptmann leicht wieder zu er¬ kennen. Eine Frau in hellem Sommerkleide ſchien die Mutter der drei Blondköpfe zu ſein. Das Bild hing wohl nicht ohne Grund an dieſer Stelle. Vom Sofa aus, vom Sorgenſtuhl, vom Schreibſeſſel — wo immer der Bewohner dieſes Zimmers ſitzen mochte der Ruhe pflegend, oder bei der Arbeit, — wenn er den Blick erhob, mußte er auf dieſes Bild fallen. Hauptmann Schroff war Witwer, ſchon ſeit einigen Jahren. Die Blondköpfe des Bildes waren jetzt erwachſene Menſchen, und mußten gleich ihm die Füße unter fremder Leute Tiſchen wärmen. Der Hauptmann bot Guſtav Platz an. Dann holte er ſich eine Pfeife aus der Ecke, die bereits geſtopft war, und auf ihn dort gewartet zu haben ſchien. Mit Hilfe von Streichholz und Fidibus zündete er ſie an und begann mächtige Dampfwolken zu entwickeln. Darauf warf er ſeine lange Geſtalt in den Sorgenſtuhl, ſchlug die Beine übereinander und meinte: „Na, nu erzählen Sie mir mal, Büttner! Ihr Vater iſt ein alter Brummbär. Wenn man dem Manne was Gutes thun will, ſchnappt er womöglich noch nach einem. Sie ſehen mir aus, als ob Sie vernünftiger wären — he!“ „Zu Befehl, Herr Hauptmann!“ Der Mann hatte ſofort Guſtavs ganzes Herz gewonnen. Er nahm kein Blatt vor den Mund, berichtete das Familien¬ unglück, wie es gekommen war, von Anfang an, ſoviel er davon wußte: die Erbteilungsangelegenheit, die Überſchuldung des Gutes, der Kampf des Vaters mit der Ungunſt der Ver¬ hältniſſe, Unglücksfälle, notwendige Anſchaffungen, wachſende Ausgaben, ſchließlich völlige Verſtrickung in die Netze der Gläubiger. Hauptmann Schroff ſtrich ſich mit der Hand über den Bart, rückte unruhig in ſeinem Stuhle hin und her, wechſelte die Beine, und ſtieß Wolke auf Wolke in die Luft, zwiſchendurch

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/200>, abgerufen am 25.04.2024.