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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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seufzte er; es schien, als ob ihn der Bericht keineswegs gleich¬
gültig lasse.

Schließlich warf er die Pfeife weg und sprang auf. Fluchend
lief er im Zimmer auf und ab. "Hatte ich mir's doch ge¬
dacht! Heiliges Kreuzdonner . . . . . . Einem ehrlichen

Menschen, der ihm helfen will, traut der Bauer ja nie¬
mals! Aber, wenn die Sorte kommt: Harrassowitz, Samuel
Harrassowitz! Wo hat denn Ihr Vater seinen Verstand ge¬
lassen, als er dem Teufel den kleinen Finger gab! Weiß
denn Ihr Alter nicht, daß dieser Jude drüben in Wörms¬
bach das halbe Dorf besitzt. Alles aufgekauft und in Parzellen
zerschlachtet! Nun haben wir den Blutigel glücklich auch in
Halbenau! der Marder im Hühnerstall ist nichts dagegen!
Binnen Jahresfrist ist so einem alles tributpflichtig. Es ist
um . . . . . Was soll denn nun werden, was soll geschehen?"
Er blieb vor Gustav stehen; der zuckte mit trüber Miene die
Achseln.

"Da seht Ihrs mal, Ihr Bauern, daß Ihr an Eurem
Elend allein schuld seid! Euch ist nicht zu helfen! Wie die
Schafe rennen sie ins Feuer hinein. -- Ihr Vater ist nun
ein Graukopf; man sollte denken, er hätte sich Weisheit kaufen
können, bei allem, was er erlebt hat. Und so einer geht hin auf
seine alten Tage und unterschreibt einen Wechsel beim Juden.
Es ist um toll zu werden! Immer wieder die alte Geschichte!
Bei Großen wie bei Kleinen. Daß einer mal vom Unglücke
des anderen lernte -- nein! Jeder muß die Erfahrung von
vorn an wieder durchmachen, ehe er klug wird. Dann wenn's
zu spät ist, kommen die Thränen -- die Selbstanklagen --
wenn's zu spät ist."

Der Hauptmann war während der letzten Worte stehen
geblieben, seinem Schreibtische gegenüber. Sein Blick war auf
das Bild darüber gerichtet. Die verwitterten Züge des Mannes
nahmen für einen Augenblick einen tief schmerzlichen Ausdruck
an. Mit einer Handbewegung schien er das alles von sich
schleudern zu wollen. Dann setzte er seinen Rundgang fort.

"Ja, was soll denn nun werden, Büttner?"

ſeufzte er; es ſchien, als ob ihn der Bericht keineswegs gleich¬
gültig laſſe.

Schließlich warf er die Pfeife weg und ſprang auf. Fluchend
lief er im Zimmer auf und ab. „Hatte ich mir's doch ge¬
dacht! Heiliges Kreuzdonner . . . . . . Einem ehrlichen

Menſchen, der ihm helfen will, traut der Bauer ja nie¬
mals! Aber, wenn die Sorte kommt: Harraſſowitz, Samuel
Harraſſowitz! Wo hat denn Ihr Vater ſeinen Verſtand ge¬
laſſen, als er dem Teufel den kleinen Finger gab! Weiß
denn Ihr Alter nicht, daß dieſer Jude drüben in Wörms¬
bach das halbe Dorf beſitzt. Alles aufgekauft und in Parzellen
zerſchlachtet! Nun haben wir den Blutigel glücklich auch in
Halbenau! der Marder im Hühnerſtall iſt nichts dagegen!
Binnen Jahresfriſt iſt ſo einem alles tributpflichtig. Es iſt
um . . . . . Was ſoll denn nun werden, was ſoll geſchehen?“
Er blieb vor Guſtav ſtehen; der zuckte mit trüber Miene die
Achſeln.

„Da ſeht Ihrs mal, Ihr Bauern, daß Ihr an Eurem
Elend allein ſchuld ſeid! Euch iſt nicht zu helfen! Wie die
Schafe rennen ſie ins Feuer hinein. — Ihr Vater iſt nun
ein Graukopf; man ſollte denken, er hätte ſich Weisheit kaufen
können, bei allem, was er erlebt hat. Und ſo einer geht hin auf
ſeine alten Tage und unterſchreibt einen Wechſel beim Juden.
Es iſt um toll zu werden! Immer wieder die alte Geſchichte!
Bei Großen wie bei Kleinen. Daß einer mal vom Unglücke
des anderen lernte — nein! Jeder muß die Erfahrung von
vorn an wieder durchmachen, ehe er klug wird. Dann wenn's
zu ſpät iſt, kommen die Thränen — die Selbſtanklagen —
wenn's zu ſpät iſt.“

Der Hauptmann war während der letzten Worte ſtehen
geblieben, ſeinem Schreibtiſche gegenüber. Sein Blick war auf
das Bild darüber gerichtet. Die verwitterten Züge des Mannes
nahmen für einen Augenblick einen tief ſchmerzlichen Ausdruck
an. Mit einer Handbewegung ſchien er das alles von ſich
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„Ja, was ſoll denn nun werden, Büttner?“

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[187/0201] ſeufzte er; es ſchien, als ob ihn der Bericht keineswegs gleich¬ gültig laſſe. Schließlich warf er die Pfeife weg und ſprang auf. Fluchend lief er im Zimmer auf und ab. „Hatte ich mir's doch ge¬ dacht! Heiliges Kreuzdonner . . . . . . Einem ehrlichen Menſchen, der ihm helfen will, traut der Bauer ja nie¬ mals! Aber, wenn die Sorte kommt: Harraſſowitz, Samuel Harraſſowitz! Wo hat denn Ihr Vater ſeinen Verſtand ge¬ laſſen, als er dem Teufel den kleinen Finger gab! Weiß denn Ihr Alter nicht, daß dieſer Jude drüben in Wörms¬ bach das halbe Dorf beſitzt. Alles aufgekauft und in Parzellen zerſchlachtet! Nun haben wir den Blutigel glücklich auch in Halbenau! der Marder im Hühnerſtall iſt nichts dagegen! Binnen Jahresfriſt iſt ſo einem alles tributpflichtig. Es iſt um . . . . . Was ſoll denn nun werden, was ſoll geſchehen?“ Er blieb vor Guſtav ſtehen; der zuckte mit trüber Miene die Achſeln. „Da ſeht Ihrs mal, Ihr Bauern, daß Ihr an Eurem Elend allein ſchuld ſeid! Euch iſt nicht zu helfen! Wie die Schafe rennen ſie ins Feuer hinein. — Ihr Vater iſt nun ein Graukopf; man ſollte denken, er hätte ſich Weisheit kaufen können, bei allem, was er erlebt hat. Und ſo einer geht hin auf ſeine alten Tage und unterſchreibt einen Wechſel beim Juden. Es iſt um toll zu werden! Immer wieder die alte Geſchichte! Bei Großen wie bei Kleinen. Daß einer mal vom Unglücke des anderen lernte — nein! Jeder muß die Erfahrung von vorn an wieder durchmachen, ehe er klug wird. Dann wenn's zu ſpät iſt, kommen die Thränen — die Selbſtanklagen — wenn's zu ſpät iſt.“ Der Hauptmann war während der letzten Worte ſtehen geblieben, ſeinem Schreibtiſche gegenüber. Sein Blick war auf das Bild darüber gerichtet. Die verwitterten Züge des Mannes nahmen für einen Augenblick einen tief ſchmerzlichen Ausdruck an. Mit einer Handbewegung ſchien er das alles von ſich ſchleudern zu wollen. Dann ſetzte er ſeinen Rundgang fort. „Ja, was ſoll denn nun werden, Büttner?“

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/201>, abgerufen am 20.04.2024.