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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Er war in der Garnison noch nicht gänzlich verdorben worden.
Immer hatte er eine rühmliche Ausnahme vor den Kameraden
gemacht, welche das Kirchenkommando meist zu Schlaf, oder aller¬
hand Unfug benutzten. Er war vom Elternhause her an gute
Zucht gewöhnt, auch in diesen Dingen. Der alte Bauer ging den
Seinen mit gutem Beispiele voran; er fehlte kaum einen Sonntag
auf seinem Platze und verpaßte kein Wort der Predigt. Auch
im Singen stand er noch seinen Mann; freilich mit einer
Stimme, die durch das Alter etwas krähend geworden. Karl
allerdings, der etwas zur Trägheit neigte, war von einem
Kirchenschläfchen nicht abzuhalten. Bald nach dem ersten der
drei angekündigten Teile der Predigt, sah ihn Gustav bereits
sanft vor sich hin nicken.

Nachdem der Gottesdienst vorüber, stand man noch eine
geraume Weile vor der Kirchthür. Der Büttnerbauer sah
mit Behagen, daß sein Gustav der Gegenstand allgemeiner
Aufmerksamkeit war. Alte und junge Männer umstanden den
Unteroffizier. Der Anblick der Uniform erweckte die Erinne¬
rung an die eigene Dienstzeit, oder auch bei den Älteren, an
die Kriegsjahre. Der Büttnerbauer selbst führte die Denk¬
münzen der beiden letzten Feldzüge. Auch Karl Büttner hatte
seine drei Jahre "weggemacht", aber, bis zur "Charge" hatte
es bisher noch kein Büttner gebracht.

Gustav mußte auf viele Fragen Rede und Antwort stehen.
Ob er's nicht bald dicke habe, und wann er nach Halbenau zu¬
rückkehre, fragte man ihn. Der junge Mann meinte mit dem
Selbstbewußtsein, das die Uniform den gewöhnlichen Leuten
giebt, vorläufig gefalle es ihm noch so gut bei der Truppe,
daß er nicht daran denke, den Pallasch mit der Mistgabel zu
vertauschen.

Zwei Frauen kamen auf die Männer zu, eine Ältere, im
bunten Kopftuch und eine Jüngere, mit einem schwarzen Hut,
auf dem rosa Blumen leuchteten. Gustav hatte den Hut schon
von der Empore aus wiedererkannt. Vor Jahren, als er noch
mit Pauline Katschner gut war, hatte er ihr den Hut in
der Garnison gekauft und, als er auf Urlaub nach Hause ging,

Er war in der Garniſon noch nicht gänzlich verdorben worden.
Immer hatte er eine rühmliche Ausnahme vor den Kameraden
gemacht, welche das Kirchenkommando meiſt zu Schlaf, oder aller¬
hand Unfug benutzten. Er war vom Elternhauſe her an gute
Zucht gewöhnt, auch in dieſen Dingen. Der alte Bauer ging den
Seinen mit gutem Beiſpiele voran; er fehlte kaum einen Sonntag
auf ſeinem Platze und verpaßte kein Wort der Predigt. Auch
im Singen ſtand er noch ſeinen Mann; freilich mit einer
Stimme, die durch das Alter etwas krähend geworden. Karl
allerdings, der etwas zur Trägheit neigte, war von einem
Kirchenſchläfchen nicht abzuhalten. Bald nach dem erſten der
drei angekündigten Teile der Predigt, ſah ihn Guſtav bereits
ſanft vor ſich hin nicken.

Nachdem der Gottesdienſt vorüber, ſtand man noch eine
geraume Weile vor der Kirchthür. Der Büttnerbauer ſah
mit Behagen, daß ſein Guſtav der Gegenſtand allgemeiner
Aufmerkſamkeit war. Alte und junge Männer umſtanden den
Unteroffizier. Der Anblick der Uniform erweckte die Erinne¬
rung an die eigene Dienſtzeit, oder auch bei den Älteren, an
die Kriegsjahre. Der Büttnerbauer ſelbſt führte die Denk¬
münzen der beiden letzten Feldzüge. Auch Karl Büttner hatte
ſeine drei Jahre „weggemacht“, aber, bis zur „Charge“ hatte
es bisher noch kein Büttner gebracht.

Guſtav mußte auf viele Fragen Rede und Antwort ſtehen.
Ob er's nicht bald dicke habe, und wann er nach Halbenau zu¬
rückkehre, fragte man ihn. Der junge Mann meinte mit dem
Selbſtbewußtſein, das die Uniform den gewöhnlichen Leuten
giebt, vorläufig gefalle es ihm noch ſo gut bei der Truppe,
daß er nicht daran denke, den Pallaſch mit der Miſtgabel zu
vertauſchen.

Zwei Frauen kamen auf die Männer zu, eine Ältere, im
bunten Kopftuch und eine Jüngere, mit einem ſchwarzen Hut,
auf dem roſa Blumen leuchteten. Guſtav hatte den Hut ſchon
von der Empore aus wiedererkannt. Vor Jahren, als er noch
mit Pauline Katſchner gut war, hatte er ihr den Hut in
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[5/0019] Er war in der Garniſon noch nicht gänzlich verdorben worden. Immer hatte er eine rühmliche Ausnahme vor den Kameraden gemacht, welche das Kirchenkommando meiſt zu Schlaf, oder aller¬ hand Unfug benutzten. Er war vom Elternhauſe her an gute Zucht gewöhnt, auch in dieſen Dingen. Der alte Bauer ging den Seinen mit gutem Beiſpiele voran; er fehlte kaum einen Sonntag auf ſeinem Platze und verpaßte kein Wort der Predigt. Auch im Singen ſtand er noch ſeinen Mann; freilich mit einer Stimme, die durch das Alter etwas krähend geworden. Karl allerdings, der etwas zur Trägheit neigte, war von einem Kirchenſchläfchen nicht abzuhalten. Bald nach dem erſten der drei angekündigten Teile der Predigt, ſah ihn Guſtav bereits ſanft vor ſich hin nicken. Nachdem der Gottesdienſt vorüber, ſtand man noch eine geraume Weile vor der Kirchthür. Der Büttnerbauer ſah mit Behagen, daß ſein Guſtav der Gegenſtand allgemeiner Aufmerkſamkeit war. Alte und junge Männer umſtanden den Unteroffizier. Der Anblick der Uniform erweckte die Erinne¬ rung an die eigene Dienſtzeit, oder auch bei den Älteren, an die Kriegsjahre. Der Büttnerbauer ſelbſt führte die Denk¬ münzen der beiden letzten Feldzüge. Auch Karl Büttner hatte ſeine drei Jahre „weggemacht“, aber, bis zur „Charge“ hatte es bisher noch kein Büttner gebracht. Guſtav mußte auf viele Fragen Rede und Antwort ſtehen. Ob er's nicht bald dicke habe, und wann er nach Halbenau zu¬ rückkehre, fragte man ihn. Der junge Mann meinte mit dem Selbſtbewußtſein, das die Uniform den gewöhnlichen Leuten giebt, vorläufig gefalle es ihm noch ſo gut bei der Truppe, daß er nicht daran denke, den Pallaſch mit der Miſtgabel zu vertauſchen. Zwei Frauen kamen auf die Männer zu, eine Ältere, im bunten Kopftuch und eine Jüngere, mit einem ſchwarzen Hut, auf dem roſa Blumen leuchteten. Guſtav hatte den Hut ſchon von der Empore aus wiedererkannt. Vor Jahren, als er noch mit Pauline Katſchner gut war, hatte er ihr den Hut in der Garniſon gekauft und, als er auf Urlaub nach Hauſe ging,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/19>, abgerufen am 29.03.2024.