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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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werke stehen, die Deichseln nach dem Hofe gerichtet. Unter
dem vorspringenden Scheundach waren die Leitern untergebracht.
Im Holzstall lag gespaltenes Holz für die Küche, Reisig zum
Anfeuern, und Scheitholz. Das Kalkloch, der Sandhaufen und
der Stein zum Dengeln der Sensen, fehlten nicht.

Der Sinn für das Nützliche und Notwendige herrschte
hier, wie in jedem rechten Bauernhofe, vor. Aber auch der Ge¬
mütlichkeit und dem Behagen war Rechnung getragen. Ein
schmales Gärtchen von einem Holzstacket eingehegt, lief um die
Süd- und Morgenseite des Wohnhauses. Hier zog die Bäuerin
neben Gemüsen und nützlichen Kräutern, verschiedene Blumen¬
sorten, vor allem solche, die sich durch starken Geruch und auf¬
fällige Farben auszeichnen. Und um die Pracht voll zu
machen, hatte man auf bunten Stäben leuchtende Glaskugeln
angebracht. In der Ecke des Gärtchens stand eine aus Brettern
zusammengestellte Holzlaube, die sich im Sommer mit bunt
blühenden Bohnenranken bezog. Im Grasgarten standen Obst¬
bäume, von denen einzelne ihrem Umfange nach zu schließen,
an hundert Jahr alt sein mochten.

Die Thür des Wohnhauses war besonders schön hergestellt.
Drei glatt behauene steinerne Stufen führten hinauf. Die
Pfosten und der Träger waren ebenfalls von Granit. Auf
einer Platte, die über der Thür angebracht war, stand folgen¬
der Spruch eingegraben:

"Wir bauen alle feste,
"und sind doch fremde Gäste,
"und wo wir sollen ewig sein,
"da bauen wir gar wenig ein!"

Gustav und der Bauer schritten vom Hause, ohne daß
einer dem anderen ein Wort gesagt, oder einen Wink gegeben
hätte, geraden Weges nach dem Pferdestalle; denn hier war
der Gegenstand des allgemeinen Interesses untergebracht: eine
zweijährige braune Stute, die der Bauer vor kurzem gekauft
hatte. Zum dritten oder vierten Male schon besuchte der Unter¬
offizier, der erst am Abend vorher in der Heimat eingetroffen

werke ſtehen, die Deichſeln nach dem Hofe gerichtet. Unter
dem vorſpringenden Scheundach waren die Leitern untergebracht.
Im Holzſtall lag geſpaltenes Holz für die Küche, Reiſig zum
Anfeuern, und Scheitholz. Das Kalkloch, der Sandhaufen und
der Stein zum Dengeln der Senſen, fehlten nicht.

Der Sinn für das Nützliche und Notwendige herrſchte
hier, wie in jedem rechten Bauernhofe, vor. Aber auch der Ge¬
mütlichkeit und dem Behagen war Rechnung getragen. Ein
ſchmales Gärtchen von einem Holzſtacket eingehegt, lief um die
Süd- und Morgenſeite des Wohnhauſes. Hier zog die Bäuerin
neben Gemüſen und nützlichen Kräutern, verſchiedene Blumen¬
ſorten, vor allem ſolche, die ſich durch ſtarken Geruch und auf¬
fällige Farben auszeichnen. Und um die Pracht voll zu
machen, hatte man auf bunten Stäben leuchtende Glaskugeln
angebracht. In der Ecke des Gärtchens ſtand eine aus Brettern
zuſammengeſtellte Holzlaube, die ſich im Sommer mit bunt
blühenden Bohnenranken bezog. Im Grasgarten ſtanden Obſt¬
bäume, von denen einzelne ihrem Umfange nach zu ſchließen,
an hundert Jahr alt ſein mochten.

Die Thür des Wohnhauſes war beſonders ſchön hergeſtellt.
Drei glatt behauene ſteinerne Stufen führten hinauf. Die
Pfoſten und der Träger waren ebenfalls von Granit. Auf
einer Platte, die über der Thür angebracht war, ſtand folgen¬
der Spruch eingegraben:

„Wir bauen alle feſte,
„und ſind doch fremde Gäſte,
„und wo wir ſollen ewig ſein,
„da bauen wir gar wenig ein!“

Guſtav und der Bauer ſchritten vom Hauſe, ohne daß
einer dem anderen ein Wort geſagt, oder einen Wink gegeben
hätte, geraden Weges nach dem Pferdeſtalle; denn hier war
der Gegenſtand des allgemeinen Intereſſes untergebracht: eine
zweijährige braune Stute, die der Bauer vor kurzem gekauft
hatte. Zum dritten oder vierten Male ſchon beſuchte der Unter¬
offizier, der erſt am Abend vorher in der Heimat eingetroffen

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[20/0034] werke ſtehen, die Deichſeln nach dem Hofe gerichtet. Unter dem vorſpringenden Scheundach waren die Leitern untergebracht. Im Holzſtall lag geſpaltenes Holz für die Küche, Reiſig zum Anfeuern, und Scheitholz. Das Kalkloch, der Sandhaufen und der Stein zum Dengeln der Senſen, fehlten nicht. Der Sinn für das Nützliche und Notwendige herrſchte hier, wie in jedem rechten Bauernhofe, vor. Aber auch der Ge¬ mütlichkeit und dem Behagen war Rechnung getragen. Ein ſchmales Gärtchen von einem Holzſtacket eingehegt, lief um die Süd- und Morgenſeite des Wohnhauſes. Hier zog die Bäuerin neben Gemüſen und nützlichen Kräutern, verſchiedene Blumen¬ ſorten, vor allem ſolche, die ſich durch ſtarken Geruch und auf¬ fällige Farben auszeichnen. Und um die Pracht voll zu machen, hatte man auf bunten Stäben leuchtende Glaskugeln angebracht. In der Ecke des Gärtchens ſtand eine aus Brettern zuſammengeſtellte Holzlaube, die ſich im Sommer mit bunt blühenden Bohnenranken bezog. Im Grasgarten ſtanden Obſt¬ bäume, von denen einzelne ihrem Umfange nach zu ſchließen, an hundert Jahr alt ſein mochten. Die Thür des Wohnhauſes war beſonders ſchön hergeſtellt. Drei glatt behauene ſteinerne Stufen führten hinauf. Die Pfoſten und der Träger waren ebenfalls von Granit. Auf einer Platte, die über der Thür angebracht war, ſtand folgen¬ der Spruch eingegraben: „Wir bauen alle feſte, „und ſind doch fremde Gäſte, „und wo wir ſollen ewig ſein, „da bauen wir gar wenig ein!“ Guſtav und der Bauer ſchritten vom Hauſe, ohne daß einer dem anderen ein Wort geſagt, oder einen Wink gegeben hätte, geraden Weges nach dem Pferdeſtalle; denn hier war der Gegenſtand des allgemeinen Intereſſes untergebracht: eine zweijährige braune Stute, die der Bauer vor kurzem gekauft hatte. Zum dritten oder vierten Male ſchon beſuchte der Unter¬ offizier, der erſt am Abend vorher in der Heimat eingetroffen

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/34>, abgerufen am 19.04.2024.