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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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auf dem Büttnerschen Bauerngute in Halbenau stand, hiermit
kündige, und daß man den Eigentümer besagten Bauerngutes
ersuche, Zahlung zum Johannitermine zu leisten. Als Grund
der Kündigung war Erweiterung des Geschäftes angegeben.

Der Brief war durchaus in geschäftlichem Stile gehalten,
und enthielt nichts, was darauf hindeutete, daß Schreiber und
Empfänger in naher Blutsverwandtschaft standen.

Vater und Mutter hielten sich hinter dem Sohne, während
er las, und blickten ihm über die Schulter.

"Habt Ihr schon was derzu gethan, Vater?" meinte
Gustav, als er fertig war mit lesen.

"Wie meenst De?" fragte der Alte und sah ihn verständ¬
nislos an.

"Ob Ihr schon derzu gethan habt, wegen an Gelde? Am
ersten Juli müßt Ihr zahlen."

"Siehst De Moann!" rief die Bäuerin. "Ich ho Dersch
immer geseut, De mechtest federn und nach an Galde sahn."

"Ich bin o schun, und ich ha mich befrogt im a Gald.
Bei Kaschelernsten bi'ch gewast; der spricht, ar wullt mersch
ack gahn, wenn'ch 'n sechsdehalb Prozent versprechen thäte."

"Das sieht dem Kujon ähnlich!" rief Gustav. Sein Onkel
Kaschel war der Inhaber des Kretschams von Halbenau. Er
war Witwer, ehemals mit einer Schwester des Büttnerbauern
verheiratet. Er galt in Halbenau, wo Bargeld ziemlich rar
war, für den ersten Kapitalisten.

"Da mechte aber bald Rat werden," sagte Gustav nach¬
denklich. "Sonst werdet Ihr verklagt, Vater!"

"Mei Heiland! Siehste's Moann!" rief die Bäuerin. "Ich
ho's schun immer geseut iber den Pauer: mir wern noch ge¬
pfändt ho'ch ibern geseut, De werscht's derlaben Traugott!"

"Nu dos gleb 'ch do ne von Karl Leberechten!" meinte
der Alte; aber sein unsicherer Blick zeigte, daß ihm nicht ganz
geheuer zu Mute sei.

"Die werden wohl nich lange fackeln!" meinte Gustav.

"Siehste Traugott, siehste! Gustav meent och su!" rief die
Bäuerin. "Su is er aber nu der Vater. Er bedenkt sich,

auf dem Büttnerſchen Bauerngute in Halbenau ſtand, hiermit
kündige, und daß man den Eigentümer beſagten Bauerngutes
erſuche, Zahlung zum Johannitermine zu leiſten. Als Grund
der Kündigung war Erweiterung des Geſchäftes angegeben.

Der Brief war durchaus in geſchäftlichem Stile gehalten,
und enthielt nichts, was darauf hindeutete, daß Schreiber und
Empfänger in naher Blutsverwandtſchaft ſtanden.

Vater und Mutter hielten ſich hinter dem Sohne, während
er las, und blickten ihm über die Schulter.

„Habt Ihr ſchon was derzu gethan, Vater?“ meinte
Guſtav, als er fertig war mit leſen.

„Wie meenſt De?“ fragte der Alte und ſah ihn verſtänd¬
nislos an.

„Ob Ihr ſchon derzu gethan habt, wegen an Gelde? Am
erſten Juli müßt Ihr zahlen.“

„Siehſt De Moann!“ rief die Bäuerin. „Ich ho Derſch
immer geſeut, De mechteſt federn und nach an Galde ſahn.“

„Ich bin o ſchun, und ich ha mich befrogt im a Gald.
Bei Kaſchelernſten bi'ch gewaſt; der ſpricht, ar wullt merſch
ack gahn, wenn'ch 'n ſechsdehalb Prozent verſprechen thäte.“

„Das ſieht dem Kujon ähnlich!“ rief Guſtav. Sein Onkel
Kaſchel war der Inhaber des Kretſchams von Halbenau. Er
war Witwer, ehemals mit einer Schweſter des Büttnerbauern
verheiratet. Er galt in Halbenau, wo Bargeld ziemlich rar
war, für den erſten Kapitaliſten.

„Da mechte aber bald Rat werden,“ ſagte Guſtav nach¬
denklich. „Sonſt werdet Ihr verklagt, Vater!“

„Mei Heiland! Siehſte's Moann!“ rief die Bäuerin. „Ich
ho's ſchun immer geſeut iber den Pauer: mir wern noch ge¬
pfändt ho'ch ibern geſeut, De werſcht's derlaben Traugott!“

„Nu dos gleb 'ch do ne von Karl Leberechten!“ meinte
der Alte; aber ſein unſicherer Blick zeigte, daß ihm nicht ganz
geheuer zu Mute ſei.

„Die werden wohl nich lange fackeln!“ meinte Guſtav.

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Bäuerin. „Su is er aber nu der Vater. Er bedenkt ſich,

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[28/0042] auf dem Büttnerſchen Bauerngute in Halbenau ſtand, hiermit kündige, und daß man den Eigentümer beſagten Bauerngutes erſuche, Zahlung zum Johannitermine zu leiſten. Als Grund der Kündigung war Erweiterung des Geſchäftes angegeben. Der Brief war durchaus in geſchäftlichem Stile gehalten, und enthielt nichts, was darauf hindeutete, daß Schreiber und Empfänger in naher Blutsverwandtſchaft ſtanden. Vater und Mutter hielten ſich hinter dem Sohne, während er las, und blickten ihm über die Schulter. „Habt Ihr ſchon was derzu gethan, Vater?“ meinte Guſtav, als er fertig war mit leſen. „Wie meenſt De?“ fragte der Alte und ſah ihn verſtänd¬ nislos an. „Ob Ihr ſchon derzu gethan habt, wegen an Gelde? Am erſten Juli müßt Ihr zahlen.“ „Siehſt De Moann!“ rief die Bäuerin. „Ich ho Derſch immer geſeut, De mechteſt federn und nach an Galde ſahn.“ „Ich bin o ſchun, und ich ha mich befrogt im a Gald. Bei Kaſchelernſten bi'ch gewaſt; der ſpricht, ar wullt merſch ack gahn, wenn'ch 'n ſechsdehalb Prozent verſprechen thäte.“ „Das ſieht dem Kujon ähnlich!“ rief Guſtav. Sein Onkel Kaſchel war der Inhaber des Kretſchams von Halbenau. Er war Witwer, ehemals mit einer Schweſter des Büttnerbauern verheiratet. Er galt in Halbenau, wo Bargeld ziemlich rar war, für den erſten Kapitaliſten. „Da mechte aber bald Rat werden,“ ſagte Guſtav nach¬ denklich. „Sonſt werdet Ihr verklagt, Vater!“ „Mei Heiland! Siehſte's Moann!“ rief die Bäuerin. „Ich ho's ſchun immer geſeut iber den Pauer: mir wern noch ge¬ pfändt ho'ch ibern geſeut, De werſcht's derlaben Traugott!“ „Nu dos gleb 'ch do ne von Karl Leberechten!“ meinte der Alte; aber ſein unſicherer Blick zeigte, daß ihm nicht ganz geheuer zu Mute ſei. „Die werden wohl nich lange fackeln!“ meinte Guſtav. „Siehſte Traugott, ſiehſte! Guſtav meent och ſu!“ rief die Bäuerin. „Su is er aber nu der Vater. Er bedenkt ſich,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/42>, abgerufen am 29.03.2024.