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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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und er bedenkt sich, und er thut nischt derzu. Er werd's nuch
suweit bringa, daß se 'n 's Gut wagnahmen kumma."

Der Büttnerbauer warf seiner Ehehälfte einen finsteren
Blick zu. Das Wort hatte ihn getroffen. "Halt de Fresse,
Frau!" rief er ihr zu. "Was verstiehst denn Du vun a Ge¬
schäften!"

Die Bäuerin schien mehr betrübt, als beleidigt, über diese
Worte des Gatten. Sie zog sich schweigend in ihre Ecke zu¬
rück. Gustav überlegte eine Weile, welchen Rat er seinem
Vater geben solle. Einen Augenblick dachte er daran, dem
Vater abermals vorzuschlagen, daß er seinen Wald an die
Herrschaft verkaufen möchte. Aber, dann fiel ihm ein, wie
dieser Vorschlag den Alten vorhin erboßt hatte. Er kannte
seinen Vater, den hatte noch niemals jemand von seiner An¬
sicht abgebracht.

"Ich weiß keenen andern Rat, Vater," sagte er schließlich.
"Ihr müßt in de Stadt. Hier weit und breit is doch keen
Mensch mit Gelde, außer Kaschelernsten. In der Stadt, dächt'ch
müßte doch Geld zu bekommen sein."

"Das ho'ch och schun gedacht!" meinte der Büttnerbauer
mit nachdenklicher Miene.

Es trat ein langes Schweigen ein. Man hörte nur das
leichte Knarren der Stricke in den Haken und das Knistern
des Korbes, in welchem Therese den Säugling hin und her
schaukelte. --

Jetzt traten die beiden Mädchen ins Zimmer. Toni war
im vollen Staate. Ihre üppigen Formen waren in ein Kleid
von greller, blauer Farbe gezwängt, das vorn etwas zu kurz
geraten war, und so die plumpen, schwarzen Schuhe sehen
ließ. An ihrem Halse blitzte eine Broche von buntem Glase.
Ihr blondes Haar hatte sie stark pomadisiert, so daß es
streifenweise ganz braun aussah. Offenbar war sie sehr stolz
über den Erfolg ihrer Toilettenkünste. Steif und gezwungen,
als sei sie von Holz, bewegte sie sich. Denn die Zugschuhe
der Halskragen und das Korset waren ihr ungewohnte Dinge.
Sie ging einher wie eine Puppe.

und er bedenkt ſich, und er thut niſcht derzu. Er werd's nuch
ſuweit bringa, daß ſe 'n 's Gut wagnahmen kumma.“

Der Büttnerbauer warf ſeiner Ehehälfte einen finſteren
Blick zu. Das Wort hatte ihn getroffen. „Halt de Freſſe,
Frau!“ rief er ihr zu. „Was verſtiehſt denn Du vun a Ge¬
ſchäften!“

Die Bäuerin ſchien mehr betrübt, als beleidigt, über dieſe
Worte des Gatten. Sie zog ſich ſchweigend in ihre Ecke zu¬
rück. Guſtav überlegte eine Weile, welchen Rat er ſeinem
Vater geben ſolle. Einen Augenblick dachte er daran, dem
Vater abermals vorzuſchlagen, daß er ſeinen Wald an die
Herrſchaft verkaufen möchte. Aber, dann fiel ihm ein, wie
dieſer Vorſchlag den Alten vorhin erboßt hatte. Er kannte
ſeinen Vater, den hatte noch niemals jemand von ſeiner An¬
ſicht abgebracht.

„Ich weiß keenen andern Rat, Vater,“ ſagte er ſchließlich.
„Ihr müßt in de Stadt. Hier weit und breit is doch keen
Menſch mit Gelde, außer Kaſchelernſten. In der Stadt, dächt'ch
müßte doch Geld zu bekommen ſein.“

„Das ho'ch och ſchun gedacht!“ meinte der Büttnerbauer
mit nachdenklicher Miene.

Es trat ein langes Schweigen ein. Man hörte nur das
leichte Knarren der Stricke in den Haken und das Kniſtern
des Korbes, in welchem Thereſe den Säugling hin und her
ſchaukelte. —

Jetzt traten die beiden Mädchen ins Zimmer. Toni war
im vollen Staate. Ihre üppigen Formen waren in ein Kleid
von greller, blauer Farbe gezwängt, das vorn etwas zu kurz
geraten war, und ſo die plumpen, ſchwarzen Schuhe ſehen
ließ. An ihrem Halſe blitzte eine Broche von buntem Glaſe.
Ihr blondes Haar hatte ſie ſtark pomadiſiert, ſo daß es
ſtreifenweiſe ganz braun ausſah. Offenbar war ſie ſehr ſtolz
über den Erfolg ihrer Toilettenkünſte. Steif und gezwungen,
als ſei ſie von Holz, bewegte ſie ſich. Denn die Zugſchuhe
der Halskragen und das Korſet waren ihr ungewohnte Dinge.
Sie ging einher wie eine Puppe.

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[29/0043] und er bedenkt ſich, und er thut niſcht derzu. Er werd's nuch ſuweit bringa, daß ſe 'n 's Gut wagnahmen kumma.“ Der Büttnerbauer warf ſeiner Ehehälfte einen finſteren Blick zu. Das Wort hatte ihn getroffen. „Halt de Freſſe, Frau!“ rief er ihr zu. „Was verſtiehſt denn Du vun a Ge¬ ſchäften!“ Die Bäuerin ſchien mehr betrübt, als beleidigt, über dieſe Worte des Gatten. Sie zog ſich ſchweigend in ihre Ecke zu¬ rück. Guſtav überlegte eine Weile, welchen Rat er ſeinem Vater geben ſolle. Einen Augenblick dachte er daran, dem Vater abermals vorzuſchlagen, daß er ſeinen Wald an die Herrſchaft verkaufen möchte. Aber, dann fiel ihm ein, wie dieſer Vorſchlag den Alten vorhin erboßt hatte. Er kannte ſeinen Vater, den hatte noch niemals jemand von ſeiner An¬ ſicht abgebracht. „Ich weiß keenen andern Rat, Vater,“ ſagte er ſchließlich. „Ihr müßt in de Stadt. Hier weit und breit is doch keen Menſch mit Gelde, außer Kaſchelernſten. In der Stadt, dächt'ch müßte doch Geld zu bekommen ſein.“ „Das ho'ch och ſchun gedacht!“ meinte der Büttnerbauer mit nachdenklicher Miene. Es trat ein langes Schweigen ein. Man hörte nur das leichte Knarren der Stricke in den Haken und das Kniſtern des Korbes, in welchem Thereſe den Säugling hin und her ſchaukelte. — Jetzt traten die beiden Mädchen ins Zimmer. Toni war im vollen Staate. Ihre üppigen Formen waren in ein Kleid von greller, blauer Farbe gezwängt, das vorn etwas zu kurz geraten war, und ſo die plumpen, ſchwarzen Schuhe ſehen ließ. An ihrem Halſe blitzte eine Broche von buntem Glaſe. Ihr blondes Haar hatte ſie ſtark pomadiſiert, ſo daß es ſtreifenweiſe ganz braun ausſah. Offenbar war ſie ſehr ſtolz über den Erfolg ihrer Toilettenkünſte. Steif und gezwungen, als ſei ſie von Holz, bewegte ſie ſich. Denn die Zugſchuhe der Halskragen und das Korſet waren ihr ungewohnte Dinge. Sie ging einher wie eine Puppe.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/43>, abgerufen am 19.04.2024.