Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Drittes Kapitel.

Von der Schiffahrt -- dem Handel und
einigen Manufacturen in China.

Die Chineser behaupten, nach ihrem gewöhn-
lichen Stolze, daß die Schiffahrt, unter
allen Nationen des Erdbodens, zuerst von ih-
nen sey erfunden und ausgeübt worden. Sie
erzählen, daß ihre Vorfahren bereits vor eini-
gen tausend Jahren alle indianische Meere, bis
an das Vorgebürge der guten Hoffnung, ohne
Hülfe des Kompasses, dessen Erfindung sie sich
auch rühmen, beschifft und auf denselben Handel
getrieben haben. Allein diese Behauptung ist nicht
nur unwahrscheinlich, sondern auch ganz falsch.
Denn ihr Seewesen, so wie es gegenwärtig be-
schaffen und wie es beschaffen gewesen ist, seit-
dem die Europäer mit ihnen bekannt geworden
sind, ist noch sehr unvollkommen, sowohl was
den Bau der Schiffe, als die Art sie zu regieren,
betrift. Es scheint, als wenn ihr Schiffe nur
bloß dazu eingerichtet wären, um auf den näch-
sten Meeren zu schiffen und auf denselben, (ob-
wohl nur an den Küsten) Handel zu treiben.
Ihre größesten Fahrzeuge sind eigentlich nichts
als platte Barken, mit einem großen und ei-
nem kleinen Maste versehen. Die Länge eines
solchen Schiffs erstreckt sich nicht über achtzig
bis neunzig Fuß. Sie bedienen sich auch kei-

ner
P 3


Drittes Kapitel.

Von der Schiffahrt — dem Handel und
einigen Manufacturen in China.

Die Chineſer behaupten, nach ihrem gewoͤhn-
lichen Stolze, daß die Schiffahrt, unter
allen Nationen des Erdbodens, zuerſt von ih-
nen ſey erfunden und ausgeuͤbt worden. Sie
erzaͤhlen, daß ihre Vorfahren bereits vor eini-
gen tauſend Jahren alle indianiſche Meere, bis
an das Vorgebuͤrge der guten Hoffnung, ohne
Huͤlfe des Kompaſſes, deſſen Erfindung ſie ſich
auch ruͤhmen, beſchifft und auf denſelben Handel
getrieben haben. Allein dieſe Behauptung iſt nicht
nur unwahrſcheinlich, ſondern auch ganz falſch.
Denn ihr Seeweſen, ſo wie es gegenwaͤrtig be-
ſchaffen und wie es beſchaffen geweſen iſt, ſeit-
dem die Europaͤer mit ihnen bekannt geworden
ſind, iſt noch ſehr unvollkommen, ſowohl was
den Bau der Schiffe, als die Art ſie zu regieren,
betrift. Es ſcheint, als wenn ihr Schiffe nur
bloß dazu eingerichtet waͤren, um auf den naͤch-
ſten Meeren zu ſchiffen und auf denſelben, (ob-
wohl nur an den Kuͤſten) Handel zu treiben.
Ihre groͤßeſten Fahrzeuge ſind eigentlich nichts
als platte Barken, mit einem großen und ei-
nem kleinen Maſte verſehen. Die Laͤnge eines
ſolchen Schiffs erſtreckt ſich nicht uͤber achtzig
bis neunzig Fuß. Sie bedienen ſich auch kei-

ner
P 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0249" n="229"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Drittes Kapitel.</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p>Von der Schiffahrt &#x2014; dem Handel und<lb/><hi rendition="#c">einigen Manufacturen in China.</hi></p>
          </argument><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Chine&#x017F;er behaupten, nach ihrem gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Stolze, daß die Schiffahrt, unter<lb/>
allen Nationen des Erdbodens, zuer&#x017F;t von ih-<lb/>
nen &#x017F;ey erfunden und ausgeu&#x0364;bt worden. Sie<lb/>
erza&#x0364;hlen, daß ihre Vorfahren bereits vor eini-<lb/>
gen tau&#x017F;end Jahren alle indiani&#x017F;che Meere, bis<lb/>
an das Vorgebu&#x0364;rge der guten Hoffnung, ohne<lb/>
Hu&#x0364;lfe des Kompa&#x017F;&#x017F;es, de&#x017F;&#x017F;en Erfindung &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auch ru&#x0364;hmen, be&#x017F;chifft und auf den&#x017F;elben Handel<lb/>
getrieben haben. Allein die&#x017F;e Behauptung i&#x017F;t nicht<lb/>
nur unwahr&#x017F;cheinlich, &#x017F;ondern auch ganz fal&#x017F;ch.<lb/>
Denn ihr Seewe&#x017F;en, &#x017F;o wie es gegenwa&#x0364;rtig be-<lb/>
&#x017F;chaffen und wie es be&#x017F;chaffen gewe&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;eit-<lb/>
dem die Europa&#x0364;er mit ihnen bekannt geworden<lb/>
&#x017F;ind, i&#x017F;t noch &#x017F;ehr unvollkommen, &#x017F;owohl was<lb/>
den Bau der Schiffe, als die Art &#x017F;ie zu regieren,<lb/>
betrift. Es &#x017F;cheint, als wenn ihr Schiffe nur<lb/>
bloß dazu eingerichtet wa&#x0364;ren, um auf den na&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Meeren zu &#x017F;chiffen und auf den&#x017F;elben, (ob-<lb/>
wohl nur an den Ku&#x0364;&#x017F;ten) Handel zu treiben.<lb/>
Ihre gro&#x0364;ße&#x017F;ten Fahrzeuge &#x017F;ind eigentlich nichts<lb/>
als platte Barken, mit einem großen und ei-<lb/>
nem kleinen Ma&#x017F;te ver&#x017F;ehen. Die La&#x0364;nge eines<lb/>
&#x017F;olchen Schiffs er&#x017F;treckt &#x017F;ich nicht u&#x0364;ber achtzig<lb/>
bis neunzig Fuß. Sie bedienen &#x017F;ich auch kei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ner</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0249] Drittes Kapitel. Von der Schiffahrt — dem Handel und einigen Manufacturen in China. Die Chineſer behaupten, nach ihrem gewoͤhn- lichen Stolze, daß die Schiffahrt, unter allen Nationen des Erdbodens, zuerſt von ih- nen ſey erfunden und ausgeuͤbt worden. Sie erzaͤhlen, daß ihre Vorfahren bereits vor eini- gen tauſend Jahren alle indianiſche Meere, bis an das Vorgebuͤrge der guten Hoffnung, ohne Huͤlfe des Kompaſſes, deſſen Erfindung ſie ſich auch ruͤhmen, beſchifft und auf denſelben Handel getrieben haben. Allein dieſe Behauptung iſt nicht nur unwahrſcheinlich, ſondern auch ganz falſch. Denn ihr Seeweſen, ſo wie es gegenwaͤrtig be- ſchaffen und wie es beſchaffen geweſen iſt, ſeit- dem die Europaͤer mit ihnen bekannt geworden ſind, iſt noch ſehr unvollkommen, ſowohl was den Bau der Schiffe, als die Art ſie zu regieren, betrift. Es ſcheint, als wenn ihr Schiffe nur bloß dazu eingerichtet waͤren, um auf den naͤch- ſten Meeren zu ſchiffen und auf denſelben, (ob- wohl nur an den Kuͤſten) Handel zu treiben. Ihre groͤßeſten Fahrzeuge ſind eigentlich nichts als platte Barken, mit einem großen und ei- nem kleinen Maſte verſehen. Die Laͤnge eines ſolchen Schiffs erſtreckt ſich nicht uͤber achtzig bis neunzig Fuß. Sie bedienen ſich auch kei- ner P 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/249
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/249>, abgerufen am 29.03.2024.