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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

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religiösen Systeme derselben bekannt zu machen.
Hierdurch bekommt man ungemein viele Auf-
schlüsse, warum man dieses oder jenes in den
Sitten und Gebräuchen, Gesetzen, eines
Volks antrifft. -- Ich werde hier das In-
terressanteste aus der chinesischen Religion
und ihren Gebräuchen abhandeln, und als ein
bloßer Geschichtschreiber von derselben reden,
ohne mich in die Untersuchungen einzulassen,
die in Europa eben so gefährlich, als in China
schrecklich gewesen sind.

Man zählt in China fürnehmlich drey Se-
cten, welche gegenwärtig die drey herrschenden
Religionen des Landes ausmachen. Erstlich,
die Religion der Großen und Gelehrten, deren
Stifter Confucius ist. Zweytens die Secte
der Schüler des Lao-Kiun, die aber nichts
anders, als ein Gewebe von allerley Aus-
schweifungen und Gottlosigkeiten ist. Drit-
tens, die Secte der Götzendiener, welche ei-
nen gewissen Götzen, Namens Fo oder Foä
anbeten.

I. Secte des Confucius. Wir wollen
den Stifter dieser Secte kennen lernen. Con--
fucius ward in einem kleinen Flecken des Kö-
nigreichs Lou, welches heutiges Tages die Pro-
vinz Chang-Tong heißt, fünfhundert und ein
und funfzig Jahre vor unsrer christlichen Zeit-
rechnung gebohren. Nach dieser Rechnung,
welche Dü Halde und anderc Gelehrte für die
richtige halten, war Confucius ein Zeitgenosse

der

religioͤſen Syſteme derſelben bekannt zu machen.
Hierdurch bekommt man ungemein viele Auf-
ſchluͤſſe, warum man dieſes oder jenes in den
Sitten und Gebraͤuchen, Geſetzen, eines
Volks antrifft. — Ich werde hier das In-
terreſſanteſte aus der chineſiſchen Religion
und ihren Gebraͤuchen abhandeln, und als ein
bloßer Geſchichtſchreiber von derſelben reden,
ohne mich in die Unterſuchungen einzulaſſen,
die in Europa eben ſo gefaͤhrlich, als in China
ſchrecklich geweſen ſind.

Man zaͤhlt in China fuͤrnehmlich drey Se-
cten, welche gegenwaͤrtig die drey herrſchenden
Religionen des Landes ausmachen. Erſtlich,
die Religion der Großen und Gelehrten, deren
Stifter Confucius iſt. Zweytens die Secte
der Schuͤler des Lao-Kiun, die aber nichts
anders, als ein Gewebe von allerley Aus-
ſchweifungen und Gottloſigkeiten iſt. Drit-
tens, die Secte der Goͤtzendiener, welche ei-
nen gewiſſen Goͤtzen, Namens Fo oder Foaͤ
anbeten.

I. Secte des Confucius. Wir wollen
den Stifter dieſer Secte kennen lernen. Con--
fucius ward in einem kleinen Flecken des Koͤ-
nigreichs Lou, welches heutiges Tages die Pro-
vinz Chang-Tong heißt, fuͤnfhundert und ein
und funfzig Jahre vor unſrer chriſtlichen Zeit-
rechnung gebohren. Nach dieſer Rechnung,
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[280/0300] religioͤſen Syſteme derſelben bekannt zu machen. Hierdurch bekommt man ungemein viele Auf- ſchluͤſſe, warum man dieſes oder jenes in den Sitten und Gebraͤuchen, Geſetzen, eines Volks antrifft. — Ich werde hier das In- terreſſanteſte aus der chineſiſchen Religion und ihren Gebraͤuchen abhandeln, und als ein bloßer Geſchichtſchreiber von derſelben reden, ohne mich in die Unterſuchungen einzulaſſen, die in Europa eben ſo gefaͤhrlich, als in China ſchrecklich geweſen ſind. Man zaͤhlt in China fuͤrnehmlich drey Se- cten, welche gegenwaͤrtig die drey herrſchenden Religionen des Landes ausmachen. Erſtlich, die Religion der Großen und Gelehrten, deren Stifter Confucius iſt. Zweytens die Secte der Schuͤler des Lao-Kiun, die aber nichts anders, als ein Gewebe von allerley Aus- ſchweifungen und Gottloſigkeiten iſt. Drit- tens, die Secte der Goͤtzendiener, welche ei- nen gewiſſen Goͤtzen, Namens Fo oder Foaͤ anbeten. I. Secte des Confucius. Wir wollen den Stifter dieſer Secte kennen lernen. Con-- fucius ward in einem kleinen Flecken des Koͤ- nigreichs Lou, welches heutiges Tages die Pro- vinz Chang-Tong heißt, fuͤnfhundert und ein und funfzig Jahre vor unſrer chriſtlichen Zeit- rechnung gebohren. Nach dieſer Rechnung, welche Duͤ Halde und anderc Gelehrte fuͤr die richtige halten, war Confucius ein Zeitgenoſſe der

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/300>, abgerufen am 28.03.2024.