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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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entfernt von niedrigem Sclavensinn, wie arrogan-
tem Dünkel, nur des Allvaters Größe und unend-
liche Liebe, die Wunder seiner Welt preisen will,
nicht den Haß der Intoleranz in die ihm gewidmeten
Mauern mitbringt, und deren Lehren nur den
Glauben verlangen, zu dem die Offenbarung seines
Innern einen Jeden fähig macht. Vor meiner Phan-
tasie schweben hier nicht mehr getrennte Kirchen für
Juden und fünfzig Sorten Christen*), sondern wahre
Tempel Gottes und der Menschen, deren Pforten
zu jeder Zeit, und Jedem offen stehen, welcher sinn-
liche und geistige Stärkung am Heiligen und Himm-
lischen bedarf, wenn das Irdische ihn drückt, oder
Glück und Wohlseyn sein Herz mit Dank erfüllt.



Wir kamen sehr spät auf dem race course an, und
sahen heute nicht viel davon. Höchst merkwürdig
war mir aber der Anblick des hiesigen Volkslebens.
In vieler Hinsicht ist diese Nation wirklich nach den
Wilden zu vergleichen. Der durchgängige Mangel
an gehöriger Bekleidung beim gemeinen Mann, selbst
an Festtagen wie der heutige; ihre gänzliche Unfähig-

*) Caraccioli schon pflegte darüber zu klagen, daß es in
England sechzig christliche Sekten, und nur eine Sauce
(geschmolzene Butter) gäbe.

entfernt von niedrigem Sclavenſinn, wie arrogan-
tem Dünkel, nur des Allvaters Größe und unend-
liche Liebe, die Wunder ſeiner Welt preiſen will,
nicht den Haß der Intoleranz in die ihm gewidmeten
Mauern mitbringt, und deren Lehren nur den
Glauben verlangen, zu dem die Offenbarung ſeines
Innern einen Jeden fähig macht. Vor meiner Phan-
taſie ſchweben hier nicht mehr getrennte Kirchen für
Juden und fünfzig Sorten Chriſten*), ſondern wahre
Tempel Gottes und der Menſchen, deren Pforten
zu jeder Zeit, und Jedem offen ſtehen, welcher ſinn-
liche und geiſtige Stärkung am Heiligen und Himm-
liſchen bedarf, wenn das Irdiſche ihn drückt, oder
Glück und Wohlſeyn ſein Herz mit Dank erfüllt.



Wir kamen ſehr ſpät auf dem race course an, und
ſahen heute nicht viel davon. Höchſt merkwürdig
war mir aber der Anblick des hieſigen Volkslebens.
In vieler Hinſicht iſt dieſe Nation wirklich nach den
Wilden zu vergleichen. Der durchgängige Mangel
an gehöriger Bekleidung beim gemeinen Mann, ſelbſt
an Feſttagen wie der heutige; ihre gänzliche Unfähig-

*) Caraccioli ſchon pflegte darüber zu klagen, daß es in
England ſechzig chriſtliche Sekten, und nur eine Sauce
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[224/0248] entfernt von niedrigem Sclavenſinn, wie arrogan- tem Dünkel, nur des Allvaters Größe und unend- liche Liebe, die Wunder ſeiner Welt preiſen will, nicht den Haß der Intoleranz in die ihm gewidmeten Mauern mitbringt, und deren Lehren nur den Glauben verlangen, zu dem die Offenbarung ſeines Innern einen Jeden fähig macht. Vor meiner Phan- taſie ſchweben hier nicht mehr getrennte Kirchen für Juden und fünfzig Sorten Chriſten *), ſondern wahre Tempel Gottes und der Menſchen, deren Pforten zu jeder Zeit, und Jedem offen ſtehen, welcher ſinn- liche und geiſtige Stärkung am Heiligen und Himm- liſchen bedarf, wenn das Irdiſche ihn drückt, oder Glück und Wohlſeyn ſein Herz mit Dank erfüllt. Gallway, den 8ten. Wir kamen ſehr ſpät auf dem race course an, und ſahen heute nicht viel davon. Höchſt merkwürdig war mir aber der Anblick des hieſigen Volkslebens. In vieler Hinſicht iſt dieſe Nation wirklich nach den Wilden zu vergleichen. Der durchgängige Mangel an gehöriger Bekleidung beim gemeinen Mann, ſelbſt an Feſttagen wie der heutige; ihre gänzliche Unfähig- *) Caraccioli ſchon pflegte darüber zu klagen, daß es in England ſechzig chriſtliche Sekten, und nur eine Sauce (geſchmolzene Butter) gäbe.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/248>, abgerufen am 19.03.2024.