Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Drei und dreißigster Brief.

Liebe Entfernte!

Limmerick ist die dritte Stadt in Irland, und von
einer Art, wie ich Städte liebe -- alt und ehrwür-
dig, mit gothischen Kirchen, bemosten Schloßruinen
geziert; mit dunkeln, engen Straßen, und kuriosen
Häusern aus verschiedenen Zeitaltern; einem weiten
Fluß, der sie der ganzen Länge nach durchströmt,
und über den mehrere alterthümliche Brücken füh-
ren; endlich wohl belebten Marktplätzen, und einer
freundlichen Umgegend. Eine solche Stadt hat für
mich etwas Aehnliches mit einem natürlichen Walde,
dessen dunkle Schatten auch, bald hohe, bald nied-
rige, vielfach gestaltete Baumgassen darbieten, und
oft ein Laubdach, gleich einer gothischen Kirche, bil-
den. Dagegen gleichen moderne regelmäßige Städte
mehr einem verschnittenen französischen Garten.
Jedenfalls sagen sie meinem romantischen Geschmacke
weniger zu.


Drei und dreißigſter Brief.

Liebe Entfernte!

Limmerick iſt die dritte Stadt in Irland, und von
einer Art, wie ich Städte liebe — alt und ehrwür-
dig, mit gothiſchen Kirchen, bemosten Schloßruinen
geziert; mit dunkeln, engen Straßen, und kurioſen
Häuſern aus verſchiedenen Zeitaltern; einem weiten
Fluß, der ſie der ganzen Länge nach durchſtrömt,
und über den mehrere alterthümliche Brücken füh-
ren; endlich wohl belebten Marktplätzen, und einer
freundlichen Umgegend. Eine ſolche Stadt hat für
mich etwas Aehnliches mit einem natürlichen Walde,
deſſen dunkle Schatten auch, bald hohe, bald nied-
rige, vielfach geſtaltete Baumgaſſen darbieten, und
oft ein Laubdach, gleich einer gothiſchen Kirche, bil-
den. Dagegen gleichen moderne regelmäßige Städte
mehr einem verſchnittenen franzöſiſchen Garten.
Jedenfalls ſagen ſie meinem romantiſchen Geſchmacke
weniger zu.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0308" n="[284]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Drei und dreißig&#x017F;ter Brief.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Limmerick, den 22<hi rendition="#sup">&#x017F;ten</hi> Septbr. 1828.</hi> </dateline><lb/>
            <salute>Liebe Entfernte!</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Limmerick i&#x017F;t die dritte Stadt in Irland, und von<lb/>
einer Art, wie ich Städte liebe &#x2014; alt und ehrwür-<lb/>
dig, mit gothi&#x017F;chen Kirchen, bemosten Schloßruinen<lb/>
geziert; mit dunkeln, engen Straßen, und kurio&#x017F;en<lb/>
Häu&#x017F;ern aus ver&#x017F;chiedenen Zeitaltern; einem weiten<lb/>
Fluß, der &#x017F;ie der ganzen Länge nach durch&#x017F;trömt,<lb/>
und über den mehrere alterthümliche Brücken füh-<lb/>
ren; endlich wohl belebten Marktplätzen, und einer<lb/>
freundlichen Umgegend. Eine &#x017F;olche Stadt hat für<lb/>
mich etwas Aehnliches mit einem natürlichen Walde,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en dunkle Schatten auch, bald hohe, bald nied-<lb/>
rige, vielfach ge&#x017F;taltete Baumga&#x017F;&#x017F;en darbieten, und<lb/>
oft ein Laubdach, gleich einer gothi&#x017F;chen Kirche, bil-<lb/>
den. Dagegen gleichen moderne regelmäßige Städte<lb/>
mehr einem ver&#x017F;chnittenen franzö&#x017F;i&#x017F;chen Garten.<lb/>
Jedenfalls &#x017F;agen &#x017F;ie meinem romanti&#x017F;chen Ge&#x017F;chmacke<lb/>
weniger zu.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[284]/0308] Drei und dreißigſter Brief. Limmerick, den 22ſten Septbr. 1828. Liebe Entfernte! Limmerick iſt die dritte Stadt in Irland, und von einer Art, wie ich Städte liebe — alt und ehrwür- dig, mit gothiſchen Kirchen, bemosten Schloßruinen geziert; mit dunkeln, engen Straßen, und kurioſen Häuſern aus verſchiedenen Zeitaltern; einem weiten Fluß, der ſie der ganzen Länge nach durchſtrömt, und über den mehrere alterthümliche Brücken füh- ren; endlich wohl belebten Marktplätzen, und einer freundlichen Umgegend. Eine ſolche Stadt hat für mich etwas Aehnliches mit einem natürlichen Walde, deſſen dunkle Schatten auch, bald hohe, bald nied- rige, vielfach geſtaltete Baumgaſſen darbieten, und oft ein Laubdach, gleich einer gothiſchen Kirche, bil- den. Dagegen gleichen moderne regelmäßige Städte mehr einem verſchnittenen franzöſiſchen Garten. Jedenfalls ſagen ſie meinem romantiſchen Geſchmacke weniger zu.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/308
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. [284]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/308>, abgerufen am 19.03.2024.