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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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hof umgezogen, eine Vorsicht die man bei Bergreisen
nicht versäumen darf, schiffte ich mich von neuem
auf den, jetzt vom Abendrothe herrlich glühenden,
See ein. Die Luft war mild und lau geworden,
Fische sprangen oft freudig in die Höhe, und Reiher
umkreisten in zierlichen Bogen die Schilfgestade,
während hie und da ein Feuer an den Bergen auf-
flackerte, und der dumpfe Donner gesprengter Felsen
aus den entfernten Steinbrüchen herüber tönte.

Lange stand schon des Mondes Sichel am dunkeln
Himmel, als mich die schwarz gelockte Hebe wieder
in Caernarvon empfing.



Ich war doch ein wenig von den lezten vier und
zwanzig Stunden angegriffen, und begnügte mich
daher beute mit einem Gange nach dem berühmten
hier liegenden Schlosse, welches von Eduard I., dem
Eroberer von Wales, erbaut und von Cromwell
zerstört, jetzt eine der schönsten Ruinen in England
bildet. Das Einzige, was ich dabei bedaure, ist,
daß es so nahe an der Stadt und nicht einsam im
Gebürge steht. Die äußern Mauern, obwohl ver-
fallen, bilden doch noch eine ununterbrochene Linie,
welche ohngefähr drei Morgen Landes umschließt.
Der innere, mit Gras bewachsene, mit Schutt und
Disteln jetzt gefüllte Raum, ist nahe an 800 Schritt

hof umgezogen, eine Vorſicht die man bei Bergreiſen
nicht verſäumen darf, ſchiffte ich mich von neuem
auf den, jetzt vom Abendrothe herrlich glühenden,
See ein. Die Luft war mild und lau geworden,
Fiſche ſprangen oft freudig in die Höhe, und Reiher
umkreisten in zierlichen Bogen die Schilfgeſtade,
während hie und da ein Feuer an den Bergen auf-
flackerte, und der dumpfe Donner geſprengter Felſen
aus den entfernten Steinbrüchen herüber tönte.

Lange ſtand ſchon des Mondes Sichel am dunkeln
Himmel, als mich die ſchwarz gelockte Hebe wieder
in Caernarvon empfing.



Ich war doch ein wenig von den lezten vier und
zwanzig Stunden angegriffen, und begnügte mich
daher beute mit einem Gange nach dem berühmten
hier liegenden Schloſſe, welches von Eduard I., dem
Eroberer von Wales, erbaut und von Cromwell
zerſtört, jetzt eine der ſchönſten Ruinen in England
bildet. Das Einzige, was ich dabei bedaure, iſt,
daß es ſo nahe an der Stadt und nicht einſam im
Gebürge ſteht. Die äußern Mauern, obwohl ver-
fallen, bilden doch noch eine ununterbrochene Linie,
welche ohngefähr drei Morgen Landes umſchließt.
Der innere, mit Gras bewachſene, mit Schutt und
Diſteln jetzt gefüllte Raum, iſt nahe an 800 Schritt

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[74/0098] hof umgezogen, eine Vorſicht die man bei Bergreiſen nicht verſäumen darf, ſchiffte ich mich von neuem auf den, jetzt vom Abendrothe herrlich glühenden, See ein. Die Luft war mild und lau geworden, Fiſche ſprangen oft freudig in die Höhe, und Reiher umkreisten in zierlichen Bogen die Schilfgeſtade, während hie und da ein Feuer an den Bergen auf- flackerte, und der dumpfe Donner geſprengter Felſen aus den entfernten Steinbrüchen herüber tönte. Lange ſtand ſchon des Mondes Sichel am dunkeln Himmel, als mich die ſchwarz gelockte Hebe wieder in Caernarvon empfing. den 21ſten Ich war doch ein wenig von den lezten vier und zwanzig Stunden angegriffen, und begnügte mich daher beute mit einem Gange nach dem berühmten hier liegenden Schloſſe, welches von Eduard I., dem Eroberer von Wales, erbaut und von Cromwell zerſtört, jetzt eine der ſchönſten Ruinen in England bildet. Das Einzige, was ich dabei bedaure, iſt, daß es ſo nahe an der Stadt und nicht einſam im Gebürge ſteht. Die äußern Mauern, obwohl ver- fallen, bilden doch noch eine ununterbrochene Linie, welche ohngefähr drei Morgen Landes umſchließt. Der innere, mit Gras bewachſene, mit Schutt und Diſteln jetzt gefüllte Raum, iſt nahe an 800 Schritt

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/98>, abgerufen am 19.03.2024.