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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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die ich kam, nach dem besten Weg, konnte aber nie
genaue Antworten erlangen. Endlich versicherte
man mich in einem Hause, das am Fuße des Bergs
lag, man könne nur hinauf gehen, aber nicht rei-
ten. Dies Erstere wäre bei dem Zustand meiner
Brust nicht auszuführen gewesen, da ich aber die
Unmöglichkeiten der Leute schon hinlänglich kennen
gelernt habe, so folgte ich der angezeigten Richtung
ganz getrost zu Pferde, um so mehr, da ich mich auf
meine kleine gedrungene Stute sehr gut verlassen
konnte, und die irländischen Pferde, wie Katzen,
über Mauern und Felsen klettern. Eine Zeit lang
verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußsteig, und
als dieser aufhörte, das trockne Bette eines Berg-
wassers, welches mich auch, nach ohngefähr 3/4 Stun-
den, ohne besondre Beschwerde glücklich hinauf ge-
leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah-
len Plateau, und sah 1000 Schritt vor mir die drei
Felsen, gleich Hexensteinen, ihre Kuppen hervorrecken.
Das Ganze schien aber nichts als ein weiter un-
gangbarer Sumpf. Ich probirte sehr vorsichtig, und fand
bald, daß 8 -- 10 Zoll tief unter dem Moder überall
eine kiesige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus;
nach einiger Zeit erreichte ich ganz festen Boden,
und stand auf dem höchsten Punkte. Da lag die
ersehnte Aussicht endlich vor mir. -- Irland, wie
eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk-
ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen-
dampf ließ auch nicht ein Gebäude erkennen) die
Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn sich

die ich kam, nach dem beſten Weg, konnte aber nie
genaue Antworten erlangen. Endlich verſicherte
man mich in einem Hauſe, das am Fuße des Bergs
lag, man könne nur hinauf gehen, aber nicht rei-
ten. Dies Erſtere wäre bei dem Zuſtand meiner
Bruſt nicht auszuführen geweſen, da ich aber die
Unmöglichkeiten der Leute ſchon hinlänglich kennen
gelernt habe, ſo folgte ich der angezeigten Richtung
ganz getroſt zu Pferde, um ſo mehr, da ich mich auf
meine kleine gedrungene Stute ſehr gut verlaſſen
konnte, und die irländiſchen Pferde, wie Katzen,
über Mauern und Felſen klettern. Eine Zeit lang
verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußſteig, und
als dieſer aufhörte, das trockne Bette eines Berg-
waſſers, welches mich auch, nach ohngefähr ¾ Stun-
den, ohne beſondre Beſchwerde glücklich hinauf ge-
leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah-
len Plateau, und ſah 1000 Schritt vor mir die drei
Felſen, gleich Hexenſteinen, ihre Kuppen hervorrecken.
Das Ganze ſchien aber nichts als ein weiter un-
gangbarer Sumpf. Ich probirte ſehr vorſichtig, und fand
bald, daß 8 — 10 Zoll tief unter dem Moder überall
eine kieſige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus;
nach einiger Zeit erreichte ich ganz feſten Boden,
und ſtand auf dem höchſten Punkte. Da lag die
erſehnte Ausſicht endlich vor mir. — Irland, wie
eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk-
ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen-
dampf ließ auch nicht ein Gebäude erkennen) die
Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn ſich

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[167/0191] die ich kam, nach dem beſten Weg, konnte aber nie genaue Antworten erlangen. Endlich verſicherte man mich in einem Hauſe, das am Fuße des Bergs lag, man könne nur hinauf gehen, aber nicht rei- ten. Dies Erſtere wäre bei dem Zuſtand meiner Bruſt nicht auszuführen geweſen, da ich aber die Unmöglichkeiten der Leute ſchon hinlänglich kennen gelernt habe, ſo folgte ich der angezeigten Richtung ganz getroſt zu Pferde, um ſo mehr, da ich mich auf meine kleine gedrungene Stute ſehr gut verlaſſen konnte, und die irländiſchen Pferde, wie Katzen, über Mauern und Felſen klettern. Eine Zeit lang verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußſteig, und als dieſer aufhörte, das trockne Bette eines Berg- waſſers, welches mich auch, nach ohngefähr ¾ Stun- den, ohne beſondre Beſchwerde glücklich hinauf ge- leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah- len Plateau, und ſah 1000 Schritt vor mir die drei Felſen, gleich Hexenſteinen, ihre Kuppen hervorrecken. Das Ganze ſchien aber nichts als ein weiter un- gangbarer Sumpf. Ich probirte ſehr vorſichtig, und fand bald, daß 8 — 10 Zoll tief unter dem Moder überall eine kieſige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus; nach einiger Zeit erreichte ich ganz feſten Boden, und ſtand auf dem höchſten Punkte. Da lag die erſehnte Ausſicht endlich vor mir. — Irland, wie eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk- ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen- dampf ließ auch nicht ein Gebäude erkennen) die Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn ſich

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/191>, abgerufen am 28.03.2024.