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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Stunde reiben, ehe wieder Blut und Leben in sie
zurück kam. C'est le sang africain. Recht behaglich
befindet sie sich nur an der Gluthitze des Torf-Ka-
mins, wo wir Anderen halb gebraten werden, und
nicht eher auch gelangt sie zu aller ihrer kindlichen
Ausgelassenheit, die selbst mich zuweilen mit ansteckt.
Sie scheint es wirklich ein wenig auf mich abgesehn
zu haben, und diesen lieblichen Neckereien ist schwer
zu widerstehen. Wenn sie ihre rabenschwarzen
Haare von einander scheitelt, und mit den dunkel-
blauen Feueraugen so durchdringend blickt, als könnte
sie Einem in der Seele lesen; dann sie schalkhaft nie-
derschlägt, als habe sie nur zu wohl die stumme
Sprache der Gegenüberstehenden verstanden, und we-
nige Momente nachher, in holder Verwirrung, durch
einen zärtlichen Streifblick, wie mit elektrischen Fun-
ken das Herz berührt -- so ist es nicht immer leicht,
seine Fassung zu behalten, und gleich wieder Possen
mit zu treiben, wenn ihre bewegliche Kindernatur,
schon den Augenblick darauf, vor Lachen ersticken
will, entweder über das ernsthafte komische Gesicht,
was man ihrer Behauptung nach mache, oder irgend
eine andere Thorheit, die ihr eben ins Köpfchen ge-
kommen ist. Ja liebe Julie, es ist ein verführeri-
sches Spiel, das sehe ich wohl ein -- aber das Gift
ist zu süß!


Stunde reiben, ehe wieder Blut und Leben in ſie
zurück kam. C’est le sang africain. Recht behaglich
befindet ſie ſich nur an der Gluthitze des Torf-Ka-
mins, wo wir Anderen halb gebraten werden, und
nicht eher auch gelangt ſie zu aller ihrer kindlichen
Ausgelaſſenheit, die ſelbſt mich zuweilen mit anſteckt.
Sie ſcheint es wirklich ein wenig auf mich abgeſehn
zu haben, und dieſen lieblichen Neckereien iſt ſchwer
zu widerſtehen. Wenn ſie ihre rabenſchwarzen
Haare von einander ſcheitelt, und mit den dunkel-
blauen Feueraugen ſo durchdringend blickt, als könnte
ſie Einem in der Seele leſen; dann ſie ſchalkhaft nie-
derſchlägt, als habe ſie nur zu wohl die ſtumme
Sprache der Gegenüberſtehenden verſtanden, und we-
nige Momente nachher, in holder Verwirrung, durch
einen zärtlichen Streifblick, wie mit elektriſchen Fun-
ken das Herz berührt — ſo iſt es nicht immer leicht,
ſeine Faſſung zu behalten, und gleich wieder Poſſen
mit zu treiben, wenn ihre bewegliche Kindernatur,
ſchon den Augenblick darauf, vor Lachen erſticken
will, entweder über das ernſthafte komiſche Geſicht,
was man ihrer Behauptung nach mache, oder irgend
eine andere Thorheit, die ihr eben ins Köpfchen ge-
kommen iſt. Ja liebe Julie, es iſt ein verführeri-
ſches Spiel, das ſehe ich wohl ein — aber das Gift
iſt zu ſüß!


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[255/0279] Stunde reiben, ehe wieder Blut und Leben in ſie zurück kam. C’est le sang africain. Recht behaglich befindet ſie ſich nur an der Gluthitze des Torf-Ka- mins, wo wir Anderen halb gebraten werden, und nicht eher auch gelangt ſie zu aller ihrer kindlichen Ausgelaſſenheit, die ſelbſt mich zuweilen mit anſteckt. Sie ſcheint es wirklich ein wenig auf mich abgeſehn zu haben, und dieſen lieblichen Neckereien iſt ſchwer zu widerſtehen. Wenn ſie ihre rabenſchwarzen Haare von einander ſcheitelt, und mit den dunkel- blauen Feueraugen ſo durchdringend blickt, als könnte ſie Einem in der Seele leſen; dann ſie ſchalkhaft nie- derſchlägt, als habe ſie nur zu wohl die ſtumme Sprache der Gegenüberſtehenden verſtanden, und we- nige Momente nachher, in holder Verwirrung, durch einen zärtlichen Streifblick, wie mit elektriſchen Fun- ken das Herz berührt — ſo iſt es nicht immer leicht, ſeine Faſſung zu behalten, und gleich wieder Poſſen mit zu treiben, wenn ihre bewegliche Kindernatur, ſchon den Augenblick darauf, vor Lachen erſticken will, entweder über das ernſthafte komiſche Geſicht, was man ihrer Behauptung nach mache, oder irgend eine andere Thorheit, die ihr eben ins Köpfchen ge- kommen iſt. Ja liebe Julie, es iſt ein verführeri- ſches Spiel, das ſehe ich wohl ein — aber das Gift iſt zu ſüß!

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/279>, abgerufen am 25.04.2024.