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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Ich fürchtete mich vor Capua's Verweichlichung, und
vor Afrikanischer Sclaverei. J'aime a effleurer les
choses, mais pas les approfondir
. Ich bin also,
wichtige Nachrichten vorschützend, geflohen. Daß
ich nicht ohne Rührung von so herzlichen Freunden,
von so reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte,
magst Du Dir wohl denken, es geschah aber mit
Standhaftigkeit. Da ich auf die Postpferde, die aus
der nahen Stadt erst geholt werden mußten, nicht
warten mochte, so ritt ich mit James, der mich,
glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal,
auf dem Doctor, seinem vortrefflichen Jagdpferde,
nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für
alles Uebrige überlassend. In Tuam wollte ich mit
der Mail weiter reisen, es war aber nicht ihr Tag,
und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom-
men, als die ordinaire Briefpost, ein bloßer auf zwei
Rädern stehender, offner Karren, mit einem Pferde
bespannt, und Platz für zwei Passagiere, außer dem
Kutscher. Ich besann mich nicht lange, sondern sprang,
James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in
das gebrechliche Vehikel, und clopin clopant rasselte
der alte Gaul damit über die Straße. Der andere
Passagier war ein junger, rüstiger Mann, in ziem-
lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in-
teressante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten
seines Vaterlandes, und den Charakter seiner Lands-
leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienstfertig-
keit dieser, gab er mir sogleich selbst einen Beweis.
Ich war sehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-

Ich fürchtete mich vor Capua’s Verweichlichung, und
vor Afrikaniſcher Sclaverei. J’aime à effleurer les
choses, mais pas les approfondir
. Ich bin alſo,
wichtige Nachrichten vorſchützend, geflohen. Daß
ich nicht ohne Rührung von ſo herzlichen Freunden,
von ſo reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte,
magſt Du Dir wohl denken, es geſchah aber mit
Standhaftigkeit. Da ich auf die Poſtpferde, die aus
der nahen Stadt erſt geholt werden mußten, nicht
warten mochte, ſo ritt ich mit James, der mich,
glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal,
auf dem Doctor, ſeinem vortrefflichen Jagdpferde,
nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für
alles Uebrige überlaſſend. In Tuam wollte ich mit
der Mail weiter reiſen, es war aber nicht ihr Tag,
und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom-
men, als die ordinaire Briefpoſt, ein bloßer auf zwei
Rädern ſtehender, offner Karren, mit einem Pferde
beſpannt, und Platz für zwei Paſſagiere, außer dem
Kutſcher. Ich beſann mich nicht lange, ſondern ſprang,
James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in
das gebrechliche Vehikel, und clopin clopant raſſelte
der alte Gaul damit über die Straße. Der andere
Paſſagier war ein junger, rüſtiger Mann, in ziem-
lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in-
tereſſante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten
ſeines Vaterlandes, und den Charakter ſeiner Lands-
leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienſtfertig-
keit dieſer, gab er mir ſogleich ſelbſt einen Beweis.
Ich war ſehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-

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[264/0288] Ich fürchtete mich vor Capua’s Verweichlichung, und vor Afrikaniſcher Sclaverei. J’aime à effleurer les choses, mais pas les approfondir. Ich bin alſo, wichtige Nachrichten vorſchützend, geflohen. Daß ich nicht ohne Rührung von ſo herzlichen Freunden, von ſo reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte, magſt Du Dir wohl denken, es geſchah aber mit Standhaftigkeit. Da ich auf die Poſtpferde, die aus der nahen Stadt erſt geholt werden mußten, nicht warten mochte, ſo ritt ich mit James, der mich, glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal, auf dem Doctor, ſeinem vortrefflichen Jagdpferde, nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für alles Uebrige überlaſſend. In Tuam wollte ich mit der Mail weiter reiſen, es war aber nicht ihr Tag, und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom- men, als die ordinaire Briefpoſt, ein bloßer auf zwei Rädern ſtehender, offner Karren, mit einem Pferde beſpannt, und Platz für zwei Paſſagiere, außer dem Kutſcher. Ich beſann mich nicht lange, ſondern ſprang, James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in das gebrechliche Vehikel, und clopin clopant raſſelte der alte Gaul damit über die Straße. Der andere Paſſagier war ein junger, rüſtiger Mann, in ziem- lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in- tereſſante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten ſeines Vaterlandes, und den Charakter ſeiner Lands- leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienſtfertig- keit dieſer, gab er mir ſogleich ſelbſt einen Beweis. Ich war ſehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/288>, abgerufen am 24.04.2024.