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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Anstand des Körpers, verband er jene stets heitere
Laune, jene immer überlegne Familiarität, die un-
terjocht, indem sie zu schmeicheln scheint -- und die
verbindliche Grazie der Manieren, welche, ohne An-
strengung, blos durch die Lieblichkeit ihrer eignen
Erscheinung, alle Herzen erobert. Auf der andern
Seite gewann ihm seine oft erprobte Vaterlands-
liebe, seine edle Freigebigkeit, seine romantische Tap-
ferkeit, und eine für jene Jahrhunderte seltene Bil-
dung, wie die höchste Meisterschaft in allen Waffen-
übungen, die Dauer einer Hochachtung, welche sein
erstes Erscheinen unwillkührlich gebot. Soviel Licht
war indessen nicht ohne Schatten. -- Tiefe, glühende
Leidenschaften, Hochmuth, Eifersucht auf jedes riva-
lisirende Verdienst, und ein wilder Hang zum schö-
nen Geschlecht, den keine Schranke aufhielt, machten
alle seine Vorzüge zu eben so viel Gefahren für ihn
selbst und Andere. Oft hatte sein strenger Vater,
obgleich stolz auf einen solchen Sohn und Erben,
Ursache zu bitterem Tadel, und noch ängstlicherer Be-
sorgniß für die Zukunft, doch unwiderstehlich, selbst
für ihn, schien die Liebenswürdigkeit des eben so
schnell bereuenden, als fehlenden Jünglings, der
dem Vater wenigstens, stets gleiche Liebe und Un-
terwürfigkeit zeigte. Nach dem ersten Zorn erschie-
nen ihm daher, wie jedem Andern, die gerügten
Mängel nur als leichte Flecken in der Sonne. Noch
mehr beruhigte ihn aber bald darauf die eben so
heftige als zärtliche Neigung, welche sein Sohn für
Anna Blake, der Tochter seines besten Freundes,

Anſtand des Körpers, verband er jene ſtets heitere
Laune, jene immer überlegne Familiarität, die un-
terjocht, indem ſie zu ſchmeicheln ſcheint — und die
verbindliche Grazie der Manieren, welche, ohne An-
ſtrengung, blos durch die Lieblichkeit ihrer eignen
Erſcheinung, alle Herzen erobert. Auf der andern
Seite gewann ihm ſeine oft erprobte Vaterlands-
liebe, ſeine edle Freigebigkeit, ſeine romantiſche Tap-
ferkeit, und eine für jene Jahrhunderte ſeltene Bil-
dung, wie die höchſte Meiſterſchaft in allen Waffen-
übungen, die Dauer einer Hochachtung, welche ſein
erſtes Erſcheinen unwillkührlich gebot. Soviel Licht
war indeſſen nicht ohne Schatten. — Tiefe, glühende
Leidenſchaften, Hochmuth, Eiferſucht auf jedes riva-
liſirende Verdienſt, und ein wilder Hang zum ſchö-
nen Geſchlecht, den keine Schranke aufhielt, machten
alle ſeine Vorzüge zu eben ſo viel Gefahren für ihn
ſelbſt und Andere. Oft hatte ſein ſtrenger Vater,
obgleich ſtolz auf einen ſolchen Sohn und Erben,
Urſache zu bitterem Tadel, und noch ängſtlicherer Be-
ſorgniß für die Zukunft, doch unwiderſtehlich, ſelbſt
für ihn, ſchien die Liebenswürdigkeit des eben ſo
ſchnell bereuenden, als fehlenden Jünglings, der
dem Vater wenigſtens, ſtets gleiche Liebe und Un-
terwürfigkeit zeigte. Nach dem erſten Zorn erſchie-
nen ihm daher, wie jedem Andern, die gerügten
Mängel nur als leichte Flecken in der Sonne. Noch
mehr beruhigte ihn aber bald darauf die eben ſo
heftige als zärtliche Neigung, welche ſein Sohn für
Anna Blake, der Tochter ſeines beſten Freundes,

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[269/0293] Anſtand des Körpers, verband er jene ſtets heitere Laune, jene immer überlegne Familiarität, die un- terjocht, indem ſie zu ſchmeicheln ſcheint — und die verbindliche Grazie der Manieren, welche, ohne An- ſtrengung, blos durch die Lieblichkeit ihrer eignen Erſcheinung, alle Herzen erobert. Auf der andern Seite gewann ihm ſeine oft erprobte Vaterlands- liebe, ſeine edle Freigebigkeit, ſeine romantiſche Tap- ferkeit, und eine für jene Jahrhunderte ſeltene Bil- dung, wie die höchſte Meiſterſchaft in allen Waffen- übungen, die Dauer einer Hochachtung, welche ſein erſtes Erſcheinen unwillkührlich gebot. Soviel Licht war indeſſen nicht ohne Schatten. — Tiefe, glühende Leidenſchaften, Hochmuth, Eiferſucht auf jedes riva- liſirende Verdienſt, und ein wilder Hang zum ſchö- nen Geſchlecht, den keine Schranke aufhielt, machten alle ſeine Vorzüge zu eben ſo viel Gefahren für ihn ſelbſt und Andere. Oft hatte ſein ſtrenger Vater, obgleich ſtolz auf einen ſolchen Sohn und Erben, Urſache zu bitterem Tadel, und noch ängſtlicherer Be- ſorgniß für die Zukunft, doch unwiderſtehlich, ſelbſt für ihn, ſchien die Liebenswürdigkeit des eben ſo ſchnell bereuenden, als fehlenden Jünglings, der dem Vater wenigſtens, ſtets gleiche Liebe und Un- terwürfigkeit zeigte. Nach dem erſten Zorn erſchie- nen ihm daher, wie jedem Andern, die gerügten Mängel nur als leichte Flecken in der Sonne. Noch mehr beruhigte ihn aber bald darauf die eben ſo heftige als zärtliche Neigung, welche ſein Sohn für Anna Blake, der Tochter ſeines beſten Freundes,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/293>, abgerufen am 28.03.2024.