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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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durch ihr allerliebstes Naturel und ihre unnachahm-
liche Grazie, den seltnen Reiz des Mädchens nur
vermehren. Als man heute meinen Wagen anmel-
dete, rief ich seufzend: Ah! que cette voiture vient
mal a propos! "Eh! bien",
rief sie, "noch im Män-
ner-Costume dastehend, wie ein wahrer kleiner Hu-
sar: Envoyez la au diable!" Ein höchst strenger
und mißbilligender Blick der Mama, und das Er-
schrecken der Schwester, überzog sogleich alles, was
von dem Gesichtchen hinter dem Schnurbart zu
sehen war, mit Scharlach über und über. Sie schlug
beschämt die Augen nieder, und war dabei so un-
widerstehlich hübsch, daß ich ....... ja was? gute
Julie, fülle Dir die Phrase selbst aus -- und damit
gute Nacht.



Lady M .... empfing mich heute früh in ihrem
Autorboudoir, wo sie im eleganten Costume, mit
einer Feder aus Perlmutter und Gold in der Hand,
nicht ohne Coquetterie an ihren Werken schreibt.
Sie war mit einem neuen Buch beschäftigt, zu dem
sie einen ganz guten Titel erfunden hat: Memoiren
von mir und für mich. Sie frug, ob sie "von mir"
oder "für mich" zuerst setzen sollte? Ich entschied
für das Erste als folgerechter, weil sie erst schreiben

durch ihr allerliebſtes Naturel und ihre unnachahm-
liche Grazie, den ſeltnen Reiz des Mädchens nur
vermehren. Als man heute meinen Wagen anmel-
dete, rief ich ſeufzend: Ah! que cette voiture vient
mal à propos! „Eh! bien“,
rief ſie, „noch im Män-
ner-Coſtume daſtehend, wie ein wahrer kleiner Hu-
ſar: Envoyez la au diable!“ Ein höchſt ſtrenger
und mißbilligender Blick der Mama, und das Er-
ſchrecken der Schweſter, überzog ſogleich alles, was
von dem Geſichtchen hinter dem Schnurbart zu
ſehen war, mit Scharlach über und über. Sie ſchlug
beſchämt die Augen nieder, und war dabei ſo un-
widerſtehlich hübſch, daß ich ....... ja was? gute
Julie, fülle Dir die Phraſe ſelbſt aus — und damit
gute Nacht.



Lady M .... empfing mich heute früh in ihrem
Autorboudoir, wo ſie im eleganten Coſtume, mit
einer Feder aus Perlmutter und Gold in der Hand,
nicht ohne Coquetterie an ihren Werken ſchreibt.
Sie war mit einem neuen Buch beſchäftigt, zu dem
ſie einen ganz guten Titel erfunden hat: Memoiren
von mir und für mich. Sie frug, ob ſie „von mir“
oder „für mich“ zuerſt ſetzen ſollte? Ich entſchied
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[178/0200] durch ihr allerliebſtes Naturel und ihre unnachahm- liche Grazie, den ſeltnen Reiz des Mädchens nur vermehren. Als man heute meinen Wagen anmel- dete, rief ich ſeufzend: Ah! que cette voiture vient mal à propos! „Eh! bien“, rief ſie, „noch im Män- ner-Coſtume daſtehend, wie ein wahrer kleiner Hu- ſar: Envoyez la au diable!“ Ein höchſt ſtrenger und mißbilligender Blick der Mama, und das Er- ſchrecken der Schweſter, überzog ſogleich alles, was von dem Geſichtchen hinter dem Schnurbart zu ſehen war, mit Scharlach über und über. Sie ſchlug beſchämt die Augen nieder, und war dabei ſo un- widerſtehlich hübſch, daß ich ....... ja was? gute Julie, fülle Dir die Phraſe ſelbſt aus — und damit gute Nacht. Den 17ten. Lady M .... empfing mich heute früh in ihrem Autorboudoir, wo ſie im eleganten Coſtume, mit einer Feder aus Perlmutter und Gold in der Hand, nicht ohne Coquetterie an ihren Werken ſchreibt. Sie war mit einem neuen Buch beſchäftigt, zu dem ſie einen ganz guten Titel erfunden hat: Memoiren von mir und für mich. Sie frug, ob ſie „von mir“ oder „für mich“ zuerſt ſetzen ſollte? Ich entſchied für das Erſte als folgerechter, weil ſie erſt ſchreiben

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/200>, abgerufen am 19.04.2024.