Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht so sehr wundern, wenn es ihnen in der Türkei
und Aegypten eben so ergeht.



Es ist nicht zu läugnen, daß man, nach einiger
Zeit der Entbehrung, den englischen comfort immer
mit Vergnügen wieder findet. Abwechselung ist über-
haupt die Seele des Lebens, und giebt jedem Dinge,
dans son tour, wieder erneuten Werth. Die guten
Gasthöfe, die reinlich servirten breakfeasts und din-
ners,
die geräumigen, und sorgfältig gewärmten Bet-
ten, die höflichen und gewandten Kellner -- fielen
mir, nach dem irländischen Mangel, sehr angenehm
auf, und versöhnten mich bald mit den höheren Prei-
sen. Um zehn Uhr früh verließ ich Shrewsbury, wie-
derum mit der Mail, und erreichte Hereford um acht
Uhr Abends. Da es nicht kalt war, saß ich außer-
halb, und cedirte meinem Bedienten den Platz in der
Kutsche. Zwei bis drei unbedeutende Männer, und
ein bübscher, aufgeweckter Knabe von eilf Jahren
formirten meine Gesellschaft auf der Imperiale, wo
gewaltig politisirt wurde. Der Knabe war der Sohn
wohlhabender Gutsbesitzer, der von seiner, hundert
Meilen entfernten, Erziehungsanstalt zur Christmaß
ganz allein zu Hause reiste. Diese Gewohnheit Kin-
der so früh schon, auf ihre eignen Kräfte anzuweisen,
giebt ihnen gewiß für das folgende Leben die ver-

nicht ſo ſehr wundern, wenn es ihnen in der Türkei
und Aegypten eben ſo ergeht.



Es iſt nicht zu läugnen, daß man, nach einiger
Zeit der Entbehrung, den engliſchen comfort immer
mit Vergnügen wieder findet. Abwechſelung iſt über-
haupt die Seele des Lebens, und giebt jedem Dinge,
dans son tour, wieder erneuten Werth. Die guten
Gaſthöfe, die reinlich ſervirten breakfeasts und din-
ners,
die geräumigen, und ſorgfältig gewärmten Bet-
ten, die höflichen und gewandten Kellner — fielen
mir, nach dem irländiſchen Mangel, ſehr angenehm
auf, und verſöhnten mich bald mit den höheren Prei-
ſen. Um zehn Uhr früh verließ ich Shrewsbury, wie-
derum mit der Mail, und erreichte Hereford um acht
Uhr Abends. Da es nicht kalt war, ſaß ich außer-
halb, und cedirte meinem Bedienten den Platz in der
Kutſche. Zwei bis drei unbedeutende Männer, und
ein bübſcher, aufgeweckter Knabe von eilf Jahren
formirten meine Geſellſchaft auf der Impériale, wo
gewaltig politiſirt wurde. Der Knabe war der Sohn
wohlhabender Gutsbeſitzer, der von ſeiner, hundert
Meilen entfernten, Erziehungsanſtalt zur Chriſtmaß
ganz allein zu Hauſe reiste. Dieſe Gewohnheit Kin-
der ſo früh ſchon, auf ihre eignen Kräfte anzuweiſen,
giebt ihnen gewiß für das folgende Leben die ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0266" n="244"/>
nicht &#x017F;o &#x017F;ehr wundern, wenn es ihnen in der Türkei<lb/>
und Aegypten eben &#x017F;o ergeht.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Horeford, den 17<hi rendition="#sup">ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t nicht zu <choice><sic>la&#x0307;ugnen</sic><corr>läugnen</corr></choice>, daß man, nach einiger<lb/>
Zeit der Entbehrung, den engli&#x017F;chen <hi rendition="#aq">comfort</hi> immer<lb/>
mit Vergnügen wieder findet. Abwech&#x017F;elung i&#x017F;t über-<lb/>
haupt die Seele des Lebens, und giebt jedem Dinge,<lb/><hi rendition="#aq">dans son tour,</hi> wieder erneuten Werth. Die guten<lb/>
Ga&#x017F;thöfe, die reinlich &#x017F;ervirten <hi rendition="#aq">breakfeasts</hi> und <hi rendition="#aq">din-<lb/>
ners,</hi> die geräumigen, und &#x017F;orgfältig gewärmten Bet-<lb/>
ten, die höflichen und gewandten Kellner &#x2014; fielen<lb/>
mir, nach dem irländi&#x017F;chen Mangel, &#x017F;ehr angenehm<lb/>
auf, und ver&#x017F;öhnten mich bald mit den höheren Prei-<lb/>
&#x017F;en. Um zehn Uhr früh verließ ich Shrewsbury, wie-<lb/>
derum mit der Mail, und erreichte Hereford um acht<lb/>
Uhr Abends. Da es nicht kalt war, &#x017F;aß ich außer-<lb/>
halb, und cedirte meinem Bedienten den Platz in der<lb/>
Kut&#x017F;che. Zwei bis drei unbedeutende <choice><sic>Ma&#x0307;nner</sic><corr>Männer</corr></choice>, und<lb/>
ein büb&#x017F;cher, aufgeweckter Knabe von eilf Jahren<lb/>
formirten meine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft auf der Imp<hi rendition="#aq">é</hi>riale, wo<lb/>
gewaltig politi&#x017F;irt wurde. Der Knabe war der Sohn<lb/>
wohlhabender Gutsbe&#x017F;itzer, der von &#x017F;einer, hundert<lb/>
Meilen entfernten, Erziehungsan&#x017F;talt zur Chri&#x017F;tmaß<lb/>
ganz allein zu Hau&#x017F;e reiste. Die&#x017F;e Gewohnheit Kin-<lb/>
der &#x017F;o früh &#x017F;chon, auf ihre eignen <choice><sic>Kra&#x0307;fte</sic><corr>Kräfte</corr></choice> anzuwei&#x017F;en,<lb/>
giebt ihnen gewiß für das folgende Leben die ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0266] nicht ſo ſehr wundern, wenn es ihnen in der Türkei und Aegypten eben ſo ergeht. Horeford, den 17ten. Es iſt nicht zu läugnen, daß man, nach einiger Zeit der Entbehrung, den engliſchen comfort immer mit Vergnügen wieder findet. Abwechſelung iſt über- haupt die Seele des Lebens, und giebt jedem Dinge, dans son tour, wieder erneuten Werth. Die guten Gaſthöfe, die reinlich ſervirten breakfeasts und din- ners, die geräumigen, und ſorgfältig gewärmten Bet- ten, die höflichen und gewandten Kellner — fielen mir, nach dem irländiſchen Mangel, ſehr angenehm auf, und verſöhnten mich bald mit den höheren Prei- ſen. Um zehn Uhr früh verließ ich Shrewsbury, wie- derum mit der Mail, und erreichte Hereford um acht Uhr Abends. Da es nicht kalt war, ſaß ich außer- halb, und cedirte meinem Bedienten den Platz in der Kutſche. Zwei bis drei unbedeutende Männer, und ein bübſcher, aufgeweckter Knabe von eilf Jahren formirten meine Geſellſchaft auf der Impériale, wo gewaltig politiſirt wurde. Der Knabe war der Sohn wohlhabender Gutsbeſitzer, der von ſeiner, hundert Meilen entfernten, Erziehungsanſtalt zur Chriſtmaß ganz allein zu Hauſe reiste. Dieſe Gewohnheit Kin- der ſo früh ſchon, auf ihre eignen Kräfte anzuweiſen, giebt ihnen gewiß für das folgende Leben die ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/266
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/266>, abgerufen am 19.04.2024.