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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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etwas zu sehr schreit. Die Costüme waren muster-
haft, aber der feuerspeiende Vesuv mißrieth, und die
Rauchwolken, welche in die Erde versanken, statt dar-
aus hervorzusteigen, waren ein Phänomen, das ich
wenigstens nicht so glücklich gewesen bin zu erleben,
als ich dem wirklichen Ausbruch des Vesuvs bei-
wohnte.



Ein französischer Schriftsteller sagt irgendwo: "L'on
dit que nous sommes des enfans -- oui, pour les
faiblesses, mais pas pour le bonheur."
Das kann
ich Gottlob von mir keineswegs sagen. Je le suis
pour l'un et pour l'autre,
ohngeachtet der überstie-
genen drei Dutzend Jahre. So amüsire ich mich hier,
in der Einsamkeit der großen Stadt, außerordentlich
gut, und kann mir noch, ganz wie ein Jüngling ein-
bilden, ich träte eben in die Welt, und alles dies sey
mir noch neu. Des Morgens besehe ich Merkwür-
digkeiten, wandle im Museum auf und ab, oder gehe
Schopping (dies Wort bedeutet in den Buden um-
herlaufen und Bagatellen kaufen, deren der Luxus
in Paris und London fortwährend neue erfindet).
Hundert kleine Geschenke habe ich Dir dort bereits
gesammelt, so daß mein hiesiges, so wenig geräumi-
ges, Logis sie kaum zu fassen im Stande ist, und
dennoch kaum achtzig Pfund dafür ausgegeben, denn
in England ist die Theuerkeit kostbar, hier ver-

Briefe eines Verstorbenen. II. 22

etwas zu ſehr ſchreit. Die Coſtüme waren muſter-
haft, aber der feuerſpeiende Veſuv mißrieth, und die
Rauchwolken, welche in die Erde verſanken, ſtatt dar-
aus hervorzuſteigen, waren ein Phänomen, das ich
wenigſtens nicht ſo glücklich geweſen bin zu erleben,
als ich dem wirklichen Ausbruch des Veſuvs bei-
wohnte.



Ein franzöſiſcher Schriftſteller ſagt irgendwo: „L’on
dit que nous sommes des enfans — oui, pour les
faiblesses, mais pas pour le bonheur.“
Das kann
ich Gottlob von mir keineswegs ſagen. Je le suis
pour l’un et pour l’autre,
ohngeachtet der überſtie-
genen drei Dutzend Jahre. So amüſire ich mich hier,
in der Einſamkeit der großen Stadt, außerordentlich
gut, und kann mir noch, ganz wie ein Jüngling ein-
bilden, ich träte eben in die Welt, und alles dies ſey
mir noch neu. Des Morgens beſehe ich Merkwür-
digkeiten, wandle im Muſeum auf und ab, oder gehe
Schopping (dies Wort bedeutet in den Buden um-
herlaufen und Bagatellen kaufen, deren der Luxus
in Paris und London fortwährend neue erfindet).
Hundert kleine Geſchenke habe ich Dir dort bereits
geſammelt, ſo daß mein hieſiges, ſo wenig geräumi-
ges, Logis ſie kaum zu faſſen im Stande iſt, und
dennoch kaum achtzig Pfund dafür ausgegeben, denn
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Briefe eines Verſtorbenen. II. 22
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[335/0357] etwas zu ſehr ſchreit. Die Coſtüme waren muſter- haft, aber der feuerſpeiende Veſuv mißrieth, und die Rauchwolken, welche in die Erde verſanken, ſtatt dar- aus hervorzuſteigen, waren ein Phänomen, das ich wenigſtens nicht ſo glücklich geweſen bin zu erleben, als ich dem wirklichen Ausbruch des Veſuvs bei- wohnte. Den 8ten. Ein franzöſiſcher Schriftſteller ſagt irgendwo: „L’on dit que nous sommes des enfans — oui, pour les faiblesses, mais pas pour le bonheur.“ Das kann ich Gottlob von mir keineswegs ſagen. Je le suis pour l’un et pour l’autre, ohngeachtet der überſtie- genen drei Dutzend Jahre. So amüſire ich mich hier, in der Einſamkeit der großen Stadt, außerordentlich gut, und kann mir noch, ganz wie ein Jüngling ein- bilden, ich träte eben in die Welt, und alles dies ſey mir noch neu. Des Morgens beſehe ich Merkwür- digkeiten, wandle im Muſeum auf und ab, oder gehe Schopping (dies Wort bedeutet in den Buden um- herlaufen und Bagatellen kaufen, deren der Luxus in Paris und London fortwährend neue erfindet). Hundert kleine Geſchenke habe ich Dir dort bereits geſammelt, ſo daß mein hieſiges, ſo wenig geräumi- ges, Logis ſie kaum zu faſſen im Stande iſt, und dennoch kaum achtzig Pfund dafür ausgegeben, denn in England iſt die Theuerkeit koſtbar, hier ver- Briefe eines Verſtorbenen. II. 22

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/357>, abgerufen am 29.03.2024.