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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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patrick Laute hervor, die kein andres Instrument be-
sitzt. Der Anblick des Ganzen, wozu Du Dir den
schönen alten Mann mit einem vollen weißen Locken-
kopf hinzudenken mußt, ist wirklich sehr originell, so
zu sagen: tragikomisch. Seine bag pipe war übri-
gens besonders prächtig verziert, die Röhren aus
Ebenholz mit Silber beschlagen, das Band wie ge-
stickt, und der Sack mit feuerfarbner Seide und sil-
bernen Frangen umgeben.

Ich ließ mir die ältesten irländischen Melodieen
aufspielen, wilde Compositionen, die gewöhnlich trau-
rig und melancholisch, wie die Gesänge der slavischen
Völker, anfangen, zuletzt aber dennoch in einen Gigg,
dem irländischen Nationaltanz, oder einer kriegeri-
schen Musik endigen. Eine dieser Melodieen gab das
sehr täuschende fac simile einer Fuchsjagd, und eine
andere glaubte ich aus dem Jägerchor im Freischützen
entlehnt; sie war aber 500 Jahr älter. Les beaux
esprits de rencontrent dans tous les ages.

Nach einiger Zeit hörte der Piper plötzlich auf, und
sagte lächelnd, mit vieler Anmuth: Es muß Ihnen
schon bekannt seyn, gnädiger Herr, daß die irländische
bag pipe nüchtern keinen guten Ton hat -- sie ver-
langt den Abend, oder die Stille der Nacht, heitere
Gesellschaft und den lieblichen Duft dampfenden Whis-
key-Punsches. Erlauben Sie also, daß ich mich jetzt
beurlaube.

patrick Laute hervor, die kein andres Inſtrument be-
ſitzt. Der Anblick des Ganzen, wozu Du Dir den
ſchönen alten Mann mit einem vollen weißen Locken-
kopf hinzudenken mußt, iſt wirklich ſehr originell, ſo
zu ſagen: tragikomiſch. Seine bag pipe war übri-
gens beſonders prächtig verziert, die Röhren aus
Ebenholz mit Silber beſchlagen, das Band wie ge-
ſtickt, und der Sack mit feuerfarbner Seide und ſil-
bernen Frangen umgeben.

Ich ließ mir die älteſten irländiſchen Melodieen
aufſpielen, wilde Compoſitionen, die gewöhnlich trau-
rig und melancholiſch, wie die Geſänge der ſlaviſchen
Völker, anfangen, zuletzt aber dennoch in einen Gigg,
dem irländiſchen Nationaltanz, oder einer kriegeri-
ſchen Muſik endigen. Eine dieſer Melodieen gab das
ſehr täuſchende fac simile einer Fuchsjagd, und eine
andere glaubte ich aus dem Jägerchor im Freiſchützen
entlehnt; ſie war aber 500 Jahr älter. Les beaux
esprits de rencontrent dans tous les âges.

Nach einiger Zeit hörte der Piper plötzlich auf, und
ſagte lächelnd, mit vieler Anmuth: Es muß Ihnen
ſchon bekannt ſeyn, gnädiger Herr, daß die irländiſche
bag pipe nüchtern keinen guten Ton hat — ſie ver-
langt den Abend, oder die Stille der Nacht, heitere
Geſellſchaft und den lieblichen Duft dampfenden Whis-
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[142/0164] patrick Laute hervor, die kein andres Inſtrument be- ſitzt. Der Anblick des Ganzen, wozu Du Dir den ſchönen alten Mann mit einem vollen weißen Locken- kopf hinzudenken mußt, iſt wirklich ſehr originell, ſo zu ſagen: tragikomiſch. Seine bag pipe war übri- gens beſonders prächtig verziert, die Röhren aus Ebenholz mit Silber beſchlagen, das Band wie ge- ſtickt, und der Sack mit feuerfarbner Seide und ſil- bernen Frangen umgeben. Ich ließ mir die älteſten irländiſchen Melodieen aufſpielen, wilde Compoſitionen, die gewöhnlich trau- rig und melancholiſch, wie die Geſänge der ſlaviſchen Völker, anfangen, zuletzt aber dennoch in einen Gigg, dem irländiſchen Nationaltanz, oder einer kriegeri- ſchen Muſik endigen. Eine dieſer Melodieen gab das ſehr täuſchende fac simile einer Fuchsjagd, und eine andere glaubte ich aus dem Jägerchor im Freiſchützen entlehnt; ſie war aber 500 Jahr älter. Les beaux esprits de rencontrent dans tous les âges. Nach einiger Zeit hörte der Piper plötzlich auf, und ſagte lächelnd, mit vieler Anmuth: Es muß Ihnen ſchon bekannt ſeyn, gnädiger Herr, daß die irländiſche bag pipe nüchtern keinen guten Ton hat — ſie ver- langt den Abend, oder die Stille der Nacht, heitere Geſellſchaft und den lieblichen Duft dampfenden Whis- key-Punſches. Erlauben Sie alſo, daß ich mich jetzt beurlaube.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/164>, abgerufen am 18.04.2024.