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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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einer poetischen Prosa, so gut ich kann, und so wört-
lich als möglich, zu übersetzen.

"Der Himmel wandelt sich! -- Welch ein Wechsel! O
Nacht --
Und Sturm und Finsterniß, wohl seyd ihr wundermächtig!
Doch lieblich Eure Macht -- dem Lichte gleich,
Das aus dem dunklen Aug des Weibes bricht. -- Weithin
Von Gipfel zu Gipfel, die schmetternden Felsen entlang
Springt der eilende Donner. Nicht die einsame Wolke allein,
Jeder Berg hat eine Zunge gefunden,
Und Jura sendet durch den Nebelvorhang Antwort
Zurück, dem lauten Zuruf der jubelnden Alpen.
Das ist eine Nacht! -- o herrliche Nacht!
Du wurdest nicht gesandt für Schlummer. Laß auch mich
Ein Theilnehmer seyn an Deiner wilden, fernhin schallen-
den Freude
Ein Theil vom Sturme -- und ein Theil meiner selbst --
Wie der See erleuchtet glänzt -- gleich dem phosphori-
schen Meer!
Und die vollen Regentropfen -- wie sie herabtanzen auf
seine Wellen!
Und nun wird Alles wieder schwarz -- und von neuem
Hallt der Berge Chorus wieder, in lauter Lust,
Als säng' er Triumph über eines jungen Erdbebens Geburt!

Ist das nicht schön, wahrhaft dichterisch gefühlt!
Wie schade daß wir sogar keine guten Uebersetzungen
seiner Werke haben. Nur Göthe vielleicht wäre fähig,
ihn genügend wiederzugeben -- wenn er nicht leich-
ter und lieber, gleich Herrliches selbst schüfe.



10*

einer poetiſchen Proſa, ſo gut ich kann, und ſo wört-
lich als möglich, zu überſetzen.

„Der Himmel wandelt ſich! — Welch ein Wechſel! O
Nacht —
Und Sturm und Finſterniß, wohl ſeyd ihr wundermächtig!
Doch lieblich Eure Macht — dem Lichte gleich,
Das aus dem dunklen Aug des Weibes bricht. — Weithin
Von Gipfel zu Gipfel, die ſchmetternden Felſen entlang
Springt der eilende Donner. Nicht die einſame Wolke allein,
Jeder Berg hat eine Zunge gefunden,
Und Jura ſendet durch den Nebelvorhang Antwort
Zurück, dem lauten Zuruf der jubelnden Alpen.
Das iſt eine Nacht! — o herrliche Nacht!
Du wurdeſt nicht geſandt für Schlummer. Laß auch mich
Ein Theilnehmer ſeyn an Deiner wilden, fernhin ſchallen-
den Freude
Ein Theil vom Sturme — und ein Theil meiner ſelbſt —
Wie der See erleuchtet glänzt — gleich dem phosphori-
ſchen Meer!
Und die vollen Regentropfen — wie ſie herabtanzen auf
ſeine Wellen!
Und nun wird Alles wieder ſchwarz — und von neuem
Hallt der Berge Chorus wieder, in lauter Luſt,
Als ſäng’ er Triumph über eines jungen Erdbebens Geburt!

Iſt das nicht ſchön, wahrhaft dichteriſch gefühlt!
Wie ſchade daß wir ſogar keine guten Ueberſetzungen
ſeiner Werke haben. Nur Göthe vielleicht wäre fähig,
ihn genügend wiederzugeben — wenn er nicht leich-
ter und lieber, gleich Herrliches ſelbſt ſchüfe.



10*
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[147/0169] einer poetiſchen Proſa, ſo gut ich kann, und ſo wört- lich als möglich, zu überſetzen. „Der Himmel wandelt ſich! — Welch ein Wechſel! O Nacht — Und Sturm und Finſterniß, wohl ſeyd ihr wundermächtig! Doch lieblich Eure Macht — dem Lichte gleich, Das aus dem dunklen Aug des Weibes bricht. — Weithin Von Gipfel zu Gipfel, die ſchmetternden Felſen entlang Springt der eilende Donner. Nicht die einſame Wolke allein, Jeder Berg hat eine Zunge gefunden, Und Jura ſendet durch den Nebelvorhang Antwort Zurück, dem lauten Zuruf der jubelnden Alpen. Das iſt eine Nacht! — o herrliche Nacht! Du wurdeſt nicht geſandt für Schlummer. Laß auch mich Ein Theilnehmer ſeyn an Deiner wilden, fernhin ſchallen- den Freude Ein Theil vom Sturme — und ein Theil meiner ſelbſt — Wie der See erleuchtet glänzt — gleich dem phosphori- ſchen Meer! Und die vollen Regentropfen — wie ſie herabtanzen auf ſeine Wellen! Und nun wird Alles wieder ſchwarz — und von neuem Hallt der Berge Chorus wieder, in lauter Luſt, Als ſäng’ er Triumph über eines jungen Erdbebens Geburt! Iſt das nicht ſchön, wahrhaft dichteriſch gefühlt! Wie ſchade daß wir ſogar keine guten Ueberſetzungen ſeiner Werke haben. Nur Göthe vielleicht wäre fähig, ihn genügend wiederzugeben — wenn er nicht leich- ter und lieber, gleich Herrliches ſelbſt ſchüfe. 10*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/169>, abgerufen am 18.04.2024.