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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Ich machte gestern dem Lord Lieutenant meinen
Besuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tische
einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Gesellschaft an-
traf. Er ist beliebt in Irland, weil er partheilos
verfährt, und die Emancipation zu wünschen scheint.
Seine Thaten als Feldherr sind bekannt, Niemand
aber repräsentirt auch besser, und ein künstlicher ge-
machtes falsches Bein als das seine, sah ich auch noch
nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, ist noch
immer sehr schön gewachsen, und das falsche Bein,
wie der Fuß, rivalisiren mit dem ächten a s'y me-
prendre.
Nur beim Gehen bemerkt man einige
Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän-
der, die eine so gute tournore haben, als der jetzige
Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt
residirt, wird eine ganz strenge Etikette, wie an einem
kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber
betrachtet er sich als Privatmann. Macht und An-
sehn eines Lord Lieutenants sind ziemlich groß, da
er den König repräsentirt, obgleich sie das Ministe-
rium gehörig beschneidet. Er darf unter andern Ba-
ronets machen, und es ist schon in früheren Zeiten
vorgekommen, daß Gastwirthen, und noch weniger
Qualificirten, diese Ehre zu Theil geworden ist. Hö-
ren seine Funktionen auf, so giebt ihm ihre frühere Aus-
übung keinen fernern erhöhten Rang. Während der
Amtsführung beläuft sich die Besoldung des Lord
Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. jährlich, und dem


Ich machte geſtern dem Lord Lieutenant meinen
Beſuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tiſche
einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Geſellſchaft an-
traf. Er iſt beliebt in Irland, weil er partheilos
verfährt, und die Emancipation zu wünſchen ſcheint.
Seine Thaten als Feldherr ſind bekannt, Niemand
aber repräſentirt auch beſſer, und ein künſtlicher ge-
machtes falſches Bein als das ſeine, ſah ich auch noch
nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, iſt noch
immer ſehr ſchön gewachſen, und das falſche Bein,
wie der Fuß, rivaliſiren mit dem ächten à s’y mé-
prendre.
Nur beim Gehen bemerkt man einige
Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän-
der, die eine ſo gute tournôre haben, als der jetzige
Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt
reſidirt, wird eine ganz ſtrenge Etikette, wie an einem
kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber
betrachtet er ſich als Privatmann. Macht und An-
ſehn eines Lord Lieutenants ſind ziemlich groß, da
er den König repräſentirt, obgleich ſie das Miniſte-
rium gehörig beſchneidet. Er darf unter andern Ba-
ronets machen, und es iſt ſchon in früheren Zeiten
vorgekommen, daß Gaſtwirthen, und noch weniger
Qualificirten, dieſe Ehre zu Theil geworden iſt. Hö-
ren ſeine Funktionen auf, ſo giebt ihm ihre frühere Aus-
übung keinen fernern erhöhten Rang. Während der
Amtsführung beläuft ſich die Beſoldung des Lord
Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. jährlich, und dem

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[148/0170] Den 25ſten. Ich machte geſtern dem Lord Lieutenant meinen Beſuch im Phönirpark, der mich auf heute zu Tiſche einlud, wo ich eine ziemlich glänzende Geſellſchaft an- traf. Er iſt beliebt in Irland, weil er partheilos verfährt, und die Emancipation zu wünſchen ſcheint. Seine Thaten als Feldherr ſind bekannt, Niemand aber repräſentirt auch beſſer, und ein künſtlicher ge- machtes falſches Bein als das ſeine, ſah ich auch noch nie. Der Marquis, obgleich nicht mehr jung, iſt noch immer ſehr ſchön gewachſen, und das falſche Bein, wie der Fuß, rivaliſiren mit dem ächten à s’y mé- prendre. Nur beim Gehen bemerkt man einige Schwierigkeit. Im Ganzen kenne ich wenig Englän- der, die eine ſo gute tournôre haben, als der jetzige Lord Lieutenant Irlands. Wenn er in der Stadt reſidirt, wird eine ganz ſtrenge Etikette, wie an einem kleinen Hofe aufrecht erhalten, auf dem Lande aber betrachtet er ſich als Privatmann. Macht und An- ſehn eines Lord Lieutenants ſind ziemlich groß, da er den König repräſentirt, obgleich ſie das Miniſte- rium gehörig beſchneidet. Er darf unter andern Ba- ronets machen, und es iſt ſchon in früheren Zeiten vorgekommen, daß Gaſtwirthen, und noch weniger Qualificirten, dieſe Ehre zu Theil geworden iſt. Hö- ren ſeine Funktionen auf, ſo giebt ihm ihre frühere Aus- übung keinen fernern erhöhten Rang. Während der Amtsführung beläuft ſich die Beſoldung des Lord Lieutenants auf 50,000 Pfd. Sterl. jährlich, und dem

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/170>, abgerufen am 25.04.2024.