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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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frei gehaltenen Hofstaat, so daß er recht gut seine
eigenen Revenüen ökonomisiren kann, was jedoch der
jetzige nicht thun soll, dessen Haus ich vortrefflich ein-
gerichtet fand. Er ist auch von einigen interessanten
Leuten umgeben, die einen sehr guten Ton mit Ge-
nialität verbinden, und der politischen Parthei der
Mäßigung und Vernunft anzuhängen scheinen. Man
kann unter solchen Umständen fast voraussetzen, daß
Lord Anglesea sich nicht lange hier halten wird, auch
hörte ich Anspielungen darauf. Da er an der schmerz-
lichen Krankheit des tic douloureux sehr leidet, em-
pfahl ich ihm H ..... das sich so efficace dagegen
gezeigt hat, und übergab seinem Hausarzt das Buch,
welches davon handelt. Der Marquis sagte lächelnd:
"Urlaub wird man mir wohl nicht verweigern," in-
dem er seinen confidentiellen Sekretair bezeichnend
dazu anblickte. Dies bestätigt meine eben geäußerte
Vermuthung; es wäre aber gewiß ein großes Un-
glück für Irland, das zum erstenmal sich des Segens
erfreut, einen Statthalter zu besitzen, der die abge-
schmackten Religionshändel mit philosophischem Auge
betrachtet.

Ehe ich nach dem Phönixpark fuhr, wohnte ich dem
Gottesdienste in der katholischen Capelle bei. Es ist
dies ein schönes Gebäude. Das Innere, ein großer,
ovaler Saal mit einer ringsum laufenden Colonnade
ionischer Säulen, einer schönen Kuppel und einem
vortrefflichen hautrelief, in der halben Wölbung der
Decke, die sich über dem, am Ende des Saales stehen-

frei gehaltenen Hofſtaat, ſo daß er recht gut ſeine
eigenen Revenüen ökonomiſiren kann, was jedoch der
jetzige nicht thun ſoll, deſſen Haus ich vortrefflich ein-
gerichtet fand. Er iſt auch von einigen intereſſanten
Leuten umgeben, die einen ſehr guten Ton mit Ge-
nialität verbinden, und der politiſchen Parthei der
Mäßigung und Vernunft anzuhängen ſcheinen. Man
kann unter ſolchen Umſtänden faſt vorausſetzen, daß
Lord Angleſea ſich nicht lange hier halten wird, auch
hörte ich Anſpielungen darauf. Da er an der ſchmerz-
lichen Krankheit des tic douloureux ſehr leidet, em-
pfahl ich ihm H ..... das ſich ſo efficace dagegen
gezeigt hat, und übergab ſeinem Hausarzt das Buch,
welches davon handelt. Der Marquis ſagte lächelnd:
„Urlaub wird man mir wohl nicht verweigern,“ in-
dem er ſeinen confidentiellen Sekretair bezeichnend
dazu anblickte. Dies beſtätigt meine eben geäußerte
Vermuthung; es wäre aber gewiß ein großes Un-
glück für Irland, das zum erſtenmal ſich des Segens
erfreut, einen Statthalter zu beſitzen, der die abge-
ſchmackten Religionshändel mit philoſophiſchem Auge
betrachtet.

Ehe ich nach dem Phönixpark fuhr, wohnte ich dem
Gottesdienſte in der katholiſchen Capelle bei. Es iſt
dies ein ſchönes Gebäude. Das Innere, ein großer,
ovaler Saal mit einer ringsum laufenden Colonnade
ioniſcher Säulen, einer ſchönen Kuppel und einem
vortrefflichen hautrelief, in der halben Wölbung der
Decke, die ſich über dem, am Ende des Saales ſtehen-

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[149/0171] frei gehaltenen Hofſtaat, ſo daß er recht gut ſeine eigenen Revenüen ökonomiſiren kann, was jedoch der jetzige nicht thun ſoll, deſſen Haus ich vortrefflich ein- gerichtet fand. Er iſt auch von einigen intereſſanten Leuten umgeben, die einen ſehr guten Ton mit Ge- nialität verbinden, und der politiſchen Parthei der Mäßigung und Vernunft anzuhängen ſcheinen. Man kann unter ſolchen Umſtänden faſt vorausſetzen, daß Lord Angleſea ſich nicht lange hier halten wird, auch hörte ich Anſpielungen darauf. Da er an der ſchmerz- lichen Krankheit des tic douloureux ſehr leidet, em- pfahl ich ihm H ..... das ſich ſo efficace dagegen gezeigt hat, und übergab ſeinem Hausarzt das Buch, welches davon handelt. Der Marquis ſagte lächelnd: „Urlaub wird man mir wohl nicht verweigern,“ in- dem er ſeinen confidentiellen Sekretair bezeichnend dazu anblickte. Dies beſtätigt meine eben geäußerte Vermuthung; es wäre aber gewiß ein großes Un- glück für Irland, das zum erſtenmal ſich des Segens erfreut, einen Statthalter zu beſitzen, der die abge- ſchmackten Religionshändel mit philoſophiſchem Auge betrachtet. Ehe ich nach dem Phönixpark fuhr, wohnte ich dem Gottesdienſte in der katholiſchen Capelle bei. Es iſt dies ein ſchönes Gebäude. Das Innere, ein großer, ovaler Saal mit einer ringsum laufenden Colonnade ioniſcher Säulen, einer ſchönen Kuppel und einem vortrefflichen hautrelief, in der halben Wölbung der Decke, die ſich über dem, am Ende des Saales ſtehen-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/171>, abgerufen am 25.04.2024.