Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

fen-Knabe, dessen Natur es ist, mit bunten Seifen-
blasen zu spielen, während er sich auf einer Blume
schaukelt, würde, vom weisen Mentor gezügelt, viel-
leicht, statt der farbigen Kugeln, eine consistentere
irdische Frucht zu pflücken versucht und auch wohl
erlangt haben. Mais tout ce qui est -- est pour
le mieux.
Dieses Axiom laß uns nie vergessen.
Voltaire hat Unrecht darüber zu spotten, und Pang-
los wirklich Recht. Nur diese Ueberzeugung kann
über Alles trösten, und was mich betrifft, gestehe ich,
daß es die Essenz meiner Religion ist.

Dein Brief Nr. 1 ist die Weisheit und Güte selbst
-- aber gute Julie, in Hinsicht auf die erste, ist,
fürchte ich, Hopfen und Malz an mir verloren. Ich
bin zu sehr -- wie nenn' ichs doch? .... ein Ge-
fühlsm
ensch, und solche werden nie weise, d. h.
lebensklug. Destomehr wirkt freilich Güte auf mich,
nur die Deinige ausgenommen, denn davon ist
das Maas schon bei mir so voll, daß auch kein
Tropfen mehr in mein Herz kann. Mit diesem vol-
len Herzen mußt Du Dich nun ein für allemal be-
gnügen -- mehr kann Dein armer Freund Dir nicht
geben! Ist es aber wo möglich, daß Du dabei immer
noch Befürchtungen Raum geben kannst, als hätten
die zwei vergangenen Jahre Abwesenheit mich gegen
Dich verändern können! als würde ich in Dir nicht
mehr das finden, was ich früher gefunden u. s. w.
Weißt Du, wie die Engländer dergleichen nennen? --
Nonsense. -- Daß ich übrigens nichts sehnlicher wünschen

fen-Knabe, deſſen Natur es iſt, mit bunten Seifen-
blaſen zu ſpielen, während er ſich auf einer Blume
ſchaukelt, würde, vom weiſen Mentor gezügelt, viel-
leicht, ſtatt der farbigen Kugeln, eine conſiſtentere
irdiſche Frucht zu pflücken verſucht und auch wohl
erlangt haben. Mais tout ce qui est — est pour
le mieux.
Dieſes Axiom laß uns nie vergeſſen.
Voltaire hat Unrecht darüber zu ſpotten, und Pang-
los wirklich Recht. Nur dieſe Ueberzeugung kann
über Alles tröſten, und was mich betrifft, geſtehe ich,
daß es die Eſſenz meiner Religion iſt.

Dein Brief Nr. 1 iſt die Weisheit und Güte ſelbſt
— aber gute Julie, in Hinſicht auf die erſte, iſt,
fürchte ich, Hopfen und Malz an mir verloren. Ich
bin zu ſehr — wie nenn’ ichs doch? .... ein Ge-
fühlsm
enſch, und ſolche werden nie weiſe, d. h.
lebensklug. Deſtomehr wirkt freilich Güte auf mich,
nur die Deinige ausgenommen, denn davon iſt
das Maas ſchon bei mir ſo voll, daß auch kein
Tropfen mehr in mein Herz kann. Mit dieſem vol-
len Herzen mußt Du Dich nun ein für allemal be-
gnügen — mehr kann Dein armer Freund Dir nicht
geben! Iſt es aber wo möglich, daß Du dabei immer
noch Befürchtungen Raum geben kannſt, als hätten
die zwei vergangenen Jahre Abweſenheit mich gegen
Dich verändern können! als würde ich in Dir nicht
mehr das finden, was ich früher gefunden u. ſ. w.
Weißt Du, wie die Engländer dergleichen nennen? —
Nonsense. — Daß ich übrigens nichts ſehnlicher wünſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="165"/>
fen-Knabe, de&#x017F;&#x017F;en Natur es i&#x017F;t, mit bunten Seifen-<lb/>
bla&#x017F;en zu &#x017F;pielen, während er &#x017F;ich auf einer Blume<lb/>
&#x017F;chaukelt, würde, vom wei&#x017F;en Mentor gezügelt, viel-<lb/>
leicht, &#x017F;tatt der farbigen Kugeln, eine con&#x017F;i&#x017F;tentere<lb/>
irdi&#x017F;che Frucht zu pflücken ver&#x017F;ucht und auch wohl<lb/>
erlangt haben. <hi rendition="#aq">Mais tout ce qui est &#x2014; est pour<lb/>
le mieux.</hi> Die&#x017F;es Axiom laß uns nie verge&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Voltaire hat Unrecht darüber zu &#x017F;potten, und Pang-<lb/>
los wirklich Recht. Nur die&#x017F;e Ueberzeugung kann<lb/>
über Alles trö&#x017F;ten, und was mich betrifft, ge&#x017F;tehe ich,<lb/>
daß es die E&#x017F;&#x017F;enz meiner Religion i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Dein Brief Nr. 1 i&#x017F;t die Weisheit und Güte &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x2014; aber gute <hi rendition="#aq">Julie,</hi> in Hin&#x017F;icht auf die er&#x017F;te, i&#x017F;t,<lb/>
fürchte ich, Hopfen und Malz an mir verloren. Ich<lb/>
bin zu &#x017F;ehr &#x2014; wie nenn&#x2019; ichs doch? .... ein <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
fühlsm</hi>en&#x017F;ch, und &#x017F;olche werden nie wei&#x017F;e, d. h.<lb/>
lebensklug. De&#x017F;tomehr wirkt freilich Güte auf mich,<lb/>
nur die <hi rendition="#g">Deinige</hi> ausgenommen, denn davon i&#x017F;t<lb/>
das Maas &#x017F;chon bei mir &#x017F;o voll, daß auch kein<lb/>
Tropfen mehr in mein Herz kann. Mit die&#x017F;em vol-<lb/>
len Herzen mußt Du Dich nun ein für allemal be-<lb/>
gnügen &#x2014; mehr kann Dein armer Freund Dir nicht<lb/>
geben! I&#x017F;t es aber wo möglich, daß Du dabei immer<lb/>
noch Befürchtungen Raum geben kann&#x017F;t, als hätten<lb/>
die zwei vergangenen Jahre Abwe&#x017F;enheit mich gegen<lb/>
Dich verändern können! als würde ich in Dir nicht<lb/>
mehr das finden, was ich früher gefunden u. &#x017F;. w.<lb/>
Weißt Du, wie die Engländer dergleichen nennen? &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">Nonsense.</hi> &#x2014; Daß ich übrigens nichts &#x017F;ehnlicher wün&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0187] fen-Knabe, deſſen Natur es iſt, mit bunten Seifen- blaſen zu ſpielen, während er ſich auf einer Blume ſchaukelt, würde, vom weiſen Mentor gezügelt, viel- leicht, ſtatt der farbigen Kugeln, eine conſiſtentere irdiſche Frucht zu pflücken verſucht und auch wohl erlangt haben. Mais tout ce qui est — est pour le mieux. Dieſes Axiom laß uns nie vergeſſen. Voltaire hat Unrecht darüber zu ſpotten, und Pang- los wirklich Recht. Nur dieſe Ueberzeugung kann über Alles tröſten, und was mich betrifft, geſtehe ich, daß es die Eſſenz meiner Religion iſt. Dein Brief Nr. 1 iſt die Weisheit und Güte ſelbſt — aber gute Julie, in Hinſicht auf die erſte, iſt, fürchte ich, Hopfen und Malz an mir verloren. Ich bin zu ſehr — wie nenn’ ichs doch? .... ein Ge- fühlsmenſch, und ſolche werden nie weiſe, d. h. lebensklug. Deſtomehr wirkt freilich Güte auf mich, nur die Deinige ausgenommen, denn davon iſt das Maas ſchon bei mir ſo voll, daß auch kein Tropfen mehr in mein Herz kann. Mit dieſem vol- len Herzen mußt Du Dich nun ein für allemal be- gnügen — mehr kann Dein armer Freund Dir nicht geben! Iſt es aber wo möglich, daß Du dabei immer noch Befürchtungen Raum geben kannſt, als hätten die zwei vergangenen Jahre Abweſenheit mich gegen Dich verändern können! als würde ich in Dir nicht mehr das finden, was ich früher gefunden u. ſ. w. Weißt Du, wie die Engländer dergleichen nennen? — Nonsense. — Daß ich übrigens nichts ſehnlicher wünſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/187
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/187>, abgerufen am 25.04.2024.