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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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wiederte, daß sie sich ungemein von dem Antrage ge-
schmeichelt und geehrt fühle, aber weit entfernt, eine
Belohnung für sich anzunehmen, werde sie mit Freu-
den eine Gelegenheit ergreifen, der Wiege ihres schwa-
chen Talents den schuldigen Tribut zu bringen. Nur
unter dieser Bedingung, und daß es ihr freistehen
möge, auch ihren Beitrag für ihre armen Lands-
leute beifügen zu dürfen, würde sie am bestimmten
Tage eintreffen. Augenzeugen haben mich versichert,
daß sie nie eine vollendetere Darstellung gesehen, als
die von Shakespear's unsterblichem Meisterstück an
diesem Tage. Nie wäre Miß Oneil besser unterstützt
worden, und nie habe sie sich selbst mehr übertroffen.
Eine eigne Schickung war es, daß sich an demselben
Tage ein sehr reicher junger Baronet in sie verliebte,
und sie ganz kurze Zeit darauf heirathete. Er be-
ging einen großen Raub am Publikum, aber wer
kann ihn deshalb verdammen! Miß Oneil hat jetzt
mehrere Kinder, ist noch immer reizend, wie man be-
hauptet, lebt glücklich auf dem Landgute ihres Man-
nes, hat aber nie mehr, weder eine öffentliche, noch
eine Privatbühne betreten.

(Der Schluß dieses Briefes, welcher, wie aus dem
Anfang des Folgenden scheint, die Schilderung eini-
ger öffentlichen Feste und Vorfälle dabei enthielt, ist
abhanden gekommen.)


wiederte, daß ſie ſich ungemein von dem Antrage ge-
ſchmeichelt und geehrt fühle, aber weit entfernt, eine
Belohnung für ſich anzunehmen, werde ſie mit Freu-
den eine Gelegenheit ergreifen, der Wiege ihres ſchwa-
chen Talents den ſchuldigen Tribut zu bringen. Nur
unter dieſer Bedingung, und daß es ihr freiſtehen
möge, auch ihren Beitrag für ihre armen Lands-
leute beifügen zu dürfen, würde ſie am beſtimmten
Tage eintreffen. Augenzeugen haben mich verſichert,
daß ſie nie eine vollendetere Darſtellung geſehen, als
die von Shakeſpear’s unſterblichem Meiſterſtück an
dieſem Tage. Nie wäre Miß Oneil beſſer unterſtützt
worden, und nie habe ſie ſich ſelbſt mehr übertroffen.
Eine eigne Schickung war es, daß ſich an demſelben
Tage ein ſehr reicher junger Baronet in ſie verliebte,
und ſie ganz kurze Zeit darauf heirathete. Er be-
ging einen großen Raub am Publikum, aber wer
kann ihn deshalb verdammen! Miß Oneil hat jetzt
mehrere Kinder, iſt noch immer reizend, wie man be-
hauptet, lebt glücklich auf dem Landgute ihres Man-
nes, hat aber nie mehr, weder eine öffentliche, noch
eine Privatbühne betreten.

(Der Schluß dieſes Briefes, welcher, wie aus dem
Anfang des Folgenden ſcheint, die Schilderung eini-
ger öffentlichen Feſte und Vorfälle dabei enthielt, iſt
abhanden gekommen.)


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[204/0226] wiederte, daß ſie ſich ungemein von dem Antrage ge- ſchmeichelt und geehrt fühle, aber weit entfernt, eine Belohnung für ſich anzunehmen, werde ſie mit Freu- den eine Gelegenheit ergreifen, der Wiege ihres ſchwa- chen Talents den ſchuldigen Tribut zu bringen. Nur unter dieſer Bedingung, und daß es ihr freiſtehen möge, auch ihren Beitrag für ihre armen Lands- leute beifügen zu dürfen, würde ſie am beſtimmten Tage eintreffen. Augenzeugen haben mich verſichert, daß ſie nie eine vollendetere Darſtellung geſehen, als die von Shakeſpear’s unſterblichem Meiſterſtück an dieſem Tage. Nie wäre Miß Oneil beſſer unterſtützt worden, und nie habe ſie ſich ſelbſt mehr übertroffen. Eine eigne Schickung war es, daß ſich an demſelben Tage ein ſehr reicher junger Baronet in ſie verliebte, und ſie ganz kurze Zeit darauf heirathete. Er be- ging einen großen Raub am Publikum, aber wer kann ihn deshalb verdammen! Miß Oneil hat jetzt mehrere Kinder, iſt noch immer reizend, wie man be- hauptet, lebt glücklich auf dem Landgute ihres Man- nes, hat aber nie mehr, weder eine öffentliche, noch eine Privatbühne betreten. (Der Schluß dieſes Briefes, welcher, wie aus dem Anfang des Folgenden ſcheint, die Schilderung eini- ger öffentlichen Feſte und Vorfälle dabei enthielt, iſt abhanden gekommen.)

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/226>, abgerufen am 19.04.2024.