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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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gegeben, und ohngeachtet ich zweimal stürzte, was
Lord Howth auch einmal arrivirte, folgte ich ihm so
gut auf dem Fuße, daß ich unsrer Cavallerie keine
Schande gemacht zu haben glaube. Zuletzt waren
von den fünfzig Rothröcken mehr als Zweidrittheil
verloren gegangen. Bemerkenswerth erschien mir ein
Offizier, der nur noch einen Arm hatte, und dennoch
stets unter den ersten war, ohne daß sein vortreffli-
ches Pferd auch nur einen Sprung versagt, oder
mankirt hätte.

Von Zeit zu Zeit ist diese Jagd ein hübsches Ver-
gnügen; wie man aber jedes Jahr sechs Monate
hindurch, und wöchentlich dreimal, sich dieser, doch
sehr geistarmen, Unterhaltung widmen, und sie im-
mer mit gleicher Leidenschaft treiben kann, bleibt mir
unbegreiflich. Was überdem die Hirschjagd in Eng-
land für mich weit weniger angenehm macht, als
anderswo, ist, daß die dazu gebrauchten Hirsche nur
zahme sind, die man wie Rennpferde völlig dazu
trainirt. In einen Kasten gesperrt, werden sie auf
den Platz des Jagd-rendezvous gebracht, und dort
erst herausgelassen. Wenn sie einen gehörigen Vor-
sprung haben, geht die Jagd an, und ehe man sie
endigt, werden die Hunde abgerufen, und das Thier
wieder im Kasten aufbewahrt. Ist das nicht entsetz-
lich prosaisch, und kaum durch das Agrement aufge-
wogen, daß man sich den Hals über einen breiten
Graben brechen, oder den Kopf an einer hohen
Mauer einstoßen kann?


gegeben, und ohngeachtet ich zweimal ſtürzte, was
Lord Howth auch einmal arrivirte, folgte ich ihm ſo
gut auf dem Fuße, daß ich unſrer Cavallerie keine
Schande gemacht zu haben glaube. Zuletzt waren
von den fünfzig Rothröcken mehr als Zweidrittheil
verloren gegangen. Bemerkenswerth erſchien mir ein
Offizier, der nur noch einen Arm hatte, und dennoch
ſtets unter den erſten war, ohne daß ſein vortreffli-
ches Pferd auch nur einen Sprung verſagt, oder
mankirt hätte.

Von Zeit zu Zeit iſt dieſe Jagd ein hübſches Ver-
gnügen; wie man aber jedes Jahr ſechs Monate
hindurch, und wöchentlich dreimal, ſich dieſer, doch
ſehr geiſtarmen, Unterhaltung widmen, und ſie im-
mer mit gleicher Leidenſchaft treiben kann, bleibt mir
unbegreiflich. Was überdem die Hirſchjagd in Eng-
land für mich weit weniger angenehm macht, als
anderswo, iſt, daß die dazu gebrauchten Hirſche nur
zahme ſind, die man wie Rennpferde völlig dazu
trainirt. In einen Kaſten geſperrt, werden ſie auf
den Platz des Jagd-rendezvous gebracht, und dort
erſt herausgelaſſen. Wenn ſie einen gehörigen Vor-
ſprung haben, geht die Jagd an, und ehe man ſie
endigt, werden die Hunde abgerufen, und das Thier
wieder im Kaſten aufbewahrt. Iſt das nicht entſetz-
lich proſaiſch, und kaum durch das Agrément aufge-
wogen, daß man ſich den Hals über einen breiten
Graben brechen, oder den Kopf an einer hohen
Mauer einſtoßen kann?


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[210/0232] gegeben, und ohngeachtet ich zweimal ſtürzte, was Lord Howth auch einmal arrivirte, folgte ich ihm ſo gut auf dem Fuße, daß ich unſrer Cavallerie keine Schande gemacht zu haben glaube. Zuletzt waren von den fünfzig Rothröcken mehr als Zweidrittheil verloren gegangen. Bemerkenswerth erſchien mir ein Offizier, der nur noch einen Arm hatte, und dennoch ſtets unter den erſten war, ohne daß ſein vortreffli- ches Pferd auch nur einen Sprung verſagt, oder mankirt hätte. Von Zeit zu Zeit iſt dieſe Jagd ein hübſches Ver- gnügen; wie man aber jedes Jahr ſechs Monate hindurch, und wöchentlich dreimal, ſich dieſer, doch ſehr geiſtarmen, Unterhaltung widmen, und ſie im- mer mit gleicher Leidenſchaft treiben kann, bleibt mir unbegreiflich. Was überdem die Hirſchjagd in Eng- land für mich weit weniger angenehm macht, als anderswo, iſt, daß die dazu gebrauchten Hirſche nur zahme ſind, die man wie Rennpferde völlig dazu trainirt. In einen Kaſten geſperrt, werden ſie auf den Platz des Jagd-rendezvous gebracht, und dort erſt herausgelaſſen. Wenn ſie einen gehörigen Vor- ſprung haben, geht die Jagd an, und ehe man ſie endigt, werden die Hunde abgerufen, und das Thier wieder im Kaſten aufbewahrt. Iſt das nicht entſetz- lich proſaiſch, und kaum durch das Agrément aufge- wogen, daß man ſich den Hals über einen breiten Graben brechen, oder den Kopf an einer hohen Mauer einſtoßen kann?

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/232>, abgerufen am 25.04.2024.