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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Unglücklichen verschafft, aber man kann doch nicht
läugnen, daß bei manchen Menschen, durch das, was
wir Zufall nennen, fortwährend die kräftigsten und
klügsten Combinationen scheitern, ja es giebt sogar
eine gewisse Ahnung, die uns im Voraus, entweder
beim verwickeltsten Zutrauen, oder auch beim an-
scheinbar leichtesten schon das dunkle Gefühl giebt,
daß es dennoch nicht gelingen werde. Manchmal bin
ich versucht, zu glauben, daß Glück und Unglück
blos eine Art subjektiver Eigenschaften sind, die man
mit auf die Welt bringt, wie Gesundheit, Körper-
stärke
, besser organisirtes Gehirn u. s. w. und dessen
überwiegender Kraft sich, wo es da ist, die Umstände
magnetisch fügen müssen. Wie alle Eigenschaften,
kann man auch diese ausbilden oder schlafen lassen,
vermehren oder vermindern. Der Wille thut dabei
viel -- drum sagt man: wagen gewinnt, und Kühn-
heit gehört zum Glück. Man bemerkt zugleich, daß
das Glück in der Regel, wie andere Sinne, mit den
Jahren, d. h. mit der Kräftigkeit des Materiellen
abnimmt. Es ist dies durchaus nicht immer die
Folge von schwächeren oder ungeschickteren geistigen
Maßregeln, sondern scheint wirklich das Ergebniß
einer geheimnißvollen Fähigkeit an sich zu seyn, die,
so lange sie jung und stark ist, das Glück bannt,
später aber es nicht mehr zu halten im Stande ist.
Beim großen Spiel macht man hierüber sehr gute
Studien, und es ist dies zugleich die einzige poeti-
sche Seite dieser gefährlichen Leidenschaft, die oft sehr
anziehen kann, da nichts ein so treues Bild des Le-

Unglücklichen verſchafft, aber man kann doch nicht
läugnen, daß bei manchen Menſchen, durch das, was
wir Zufall nennen, fortwährend die kräftigſten und
klügſten Combinationen ſcheitern, ja es giebt ſogar
eine gewiſſe Ahnung, die uns im Voraus, entweder
beim verwickeltſten Zutrauen, oder auch beim an-
ſcheinbar leichteſten ſchon das dunkle Gefühl giebt,
daß es dennoch nicht gelingen werde. Manchmal bin
ich verſucht, zu glauben, daß Glück und Unglück
blos eine Art ſubjektiver Eigenſchaften ſind, die man
mit auf die Welt bringt, wie Geſundheit, Körper-
ſtärke
, beſſer organiſirtes Gehirn u. ſ. w. und deſſen
überwiegender Kraft ſich, wo es da iſt, die Umſtände
magnetiſch fügen müſſen. Wie alle Eigenſchaften,
kann man auch dieſe ausbilden oder ſchlafen laſſen,
vermehren oder vermindern. Der Wille thut dabei
viel — drum ſagt man: wagen gewinnt, und Kühn-
heit gehört zum Glück. Man bemerkt zugleich, daß
das Glück in der Regel, wie andere Sinne, mit den
Jahren, d. h. mit der Kräftigkeit des Materiellen
abnimmt. Es iſt dies durchaus nicht immer die
Folge von ſchwächeren oder ungeſchickteren geiſtigen
Maßregeln, ſondern ſcheint wirklich das Ergebniß
einer geheimnißvollen Fähigkeit an ſich zu ſeyn, die,
ſo lange ſie jung und ſtark iſt, das Glück bannt,
ſpäter aber es nicht mehr zu halten im Stande iſt.
Beim großen Spiel macht man hierüber ſehr gute
Studien, und es iſt dies zugleich die einzige poeti-
ſche Seite dieſer gefährlichen Leidenſchaft, die oft ſehr
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[214/0236] Unglücklichen verſchafft, aber man kann doch nicht läugnen, daß bei manchen Menſchen, durch das, was wir Zufall nennen, fortwährend die kräftigſten und klügſten Combinationen ſcheitern, ja es giebt ſogar eine gewiſſe Ahnung, die uns im Voraus, entweder beim verwickeltſten Zutrauen, oder auch beim an- ſcheinbar leichteſten ſchon das dunkle Gefühl giebt, daß es dennoch nicht gelingen werde. Manchmal bin ich verſucht, zu glauben, daß Glück und Unglück blos eine Art ſubjektiver Eigenſchaften ſind, die man mit auf die Welt bringt, wie Geſundheit, Körper- ſtärke, beſſer organiſirtes Gehirn u. ſ. w. und deſſen überwiegender Kraft ſich, wo es da iſt, die Umſtände magnetiſch fügen müſſen. Wie alle Eigenſchaften, kann man auch dieſe ausbilden oder ſchlafen laſſen, vermehren oder vermindern. Der Wille thut dabei viel — drum ſagt man: wagen gewinnt, und Kühn- heit gehört zum Glück. Man bemerkt zugleich, daß das Glück in der Regel, wie andere Sinne, mit den Jahren, d. h. mit der Kräftigkeit des Materiellen abnimmt. Es iſt dies durchaus nicht immer die Folge von ſchwächeren oder ungeſchickteren geiſtigen Maßregeln, ſondern ſcheint wirklich das Ergebniß einer geheimnißvollen Fähigkeit an ſich zu ſeyn, die, ſo lange ſie jung und ſtark iſt, das Glück bannt, ſpäter aber es nicht mehr zu halten im Stande iſt. Beim großen Spiel macht man hierüber ſehr gute Studien, und es iſt dies zugleich die einzige poeti- ſche Seite dieſer gefährlichen Leidenſchaft, die oft ſehr anziehen kann, da nichts ein ſo treues Bild des Le-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/236>, abgerufen am 25.04.2024.