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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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schnell, obgleich mit vier blinden Pferden,
zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann
nahm ich ein Boot, schickte es fünf Meilen voraus
nach dem alten Schloß Goderich, und schlug selbst
meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu-
erst auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller
Aussicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am
Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot
mit zwei Rudern und meinem Irländer schon vor-
fand. Ich mußte über den Fluß setzen, der hier
ziemlich reißend ist, um zu dem, mit der alten Burg
gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem
schlüpfrigen Rasen war ziemlich beschwerlich. Als ich
in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftstoß
die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeist mir
mehr Respekt für die Schatten der verblichenen Rit-
ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung
konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die
dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und
auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som-
mer und Herbst wird der River Wye von Reisenden
nicht leer, da aber wahrscheinlich nie ein methodischer
Engländern die Reise auch im Winter unternahm, so
sind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich
fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer,
noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touristen.
So war auch die Leiter, welche nöthig ist, um zu der
abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen,
nicht vorhanden, sondern bereits in die Winterquar-
tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-

ſchnell, obgleich mit vier blinden Pferden,
zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann
nahm ich ein Boot, ſchickte es fünf Meilen voraus
nach dem alten Schloß Goderich, und ſchlug ſelbſt
meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu-
erſt auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller
Ausſicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am
Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot
mit zwei Rudern und meinem Irländer ſchon vor-
fand. Ich mußte über den Fluß ſetzen, der hier
ziemlich reißend iſt, um zu dem, mit der alten Burg
gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem
ſchlüpfrigen Raſen war ziemlich beſchwerlich. Als ich
in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftſtoß
die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeiſt mir
mehr Reſpekt für die Schatten der verblichenen Rit-
ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung
konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die
dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und
auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som-
mer und Herbſt wird der River Wye von Reiſenden
nicht leer, da aber wahrſcheinlich nie ein methodiſcher
Engländern die Reiſe auch im Winter unternahm, ſo
ſind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich
fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer,
noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touriſten.
So war auch die Leiter, welche nöthig iſt, um zu der
abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen,
nicht vorhanden, ſondern bereits in die Winterquar-
tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-

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[246/0268] ſchnell, obgleich mit vier blinden Pferden, zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann nahm ich ein Boot, ſchickte es fünf Meilen voraus nach dem alten Schloß Goderich, und ſchlug ſelbſt meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu- erſt auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller Ausſicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot mit zwei Rudern und meinem Irländer ſchon vor- fand. Ich mußte über den Fluß ſetzen, der hier ziemlich reißend iſt, um zu dem, mit der alten Burg gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem ſchlüpfrigen Raſen war ziemlich beſchwerlich. Als ich in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftſtoß die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeiſt mir mehr Reſpekt für die Schatten der verblichenen Rit- ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som- mer und Herbſt wird der River Wye von Reiſenden nicht leer, da aber wahrſcheinlich nie ein methodiſcher Engländern die Reiſe auch im Winter unternahm, ſo ſind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer, noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touriſten. So war auch die Leiter, welche nöthig iſt, um zu der abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen, nicht vorhanden, ſondern bereits in die Winterquar- tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/268>, abgerufen am 28.03.2024.