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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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mit besonders zierlichem altsächsischen Portal und
einem sehr schön gearbeiteten Taufbecken in demselben
Styl. Hier liegt auch der arme Martin begraben.
Er war einer der Richter Carl des I. und saß 40
Jahre im Schlosse zu Chepstow gefangen, ohne doch
je, wie man behauptet, dort seine gute Laune ganz
zu verlieren. Nach den ersten Jahren scheint über-
haupt seine Haft milder geworden zu seyn, und man
ihn auch nach und nach immer etwas besser logirt zu
haben, denn Carl II. war nicht grausam. Wenig-
stens zeigte mir das Mädchen heute früh drei Ge-
mächer, wovon das unterste freilich ein schauderhaftes
Loch war, und ciceronisirte dabei in folgenden Wor-
ten: "Hier steckte man Martin zuerst hinein, als er
noch böse war; da er aber hernach in sich ging, kam
er einen Stock höher, und endlich, als er religieus
wurde, bekam er das Zimmer mit der schönen Aus-
sicht oben."

Um zwei Uhr fuhr ich mit einer sehr vollen Stage
coach,
wo ich, ohngeachtet des heftigen Regens, nur
mit Mühe noch einen Platz auf dem Bocke bekam,
nach Bristol. Wir passirten den Fluß auf einer schö-
nen Brücke, die zugleich den besten Standpunkt zur
Ansicht des Schloßes bietet, welches sich unmittelbar
über den, senkrecht nach dem River Wye herabfallen-
den, Felsen erhebt, und besonders dadurch einen so
äußerst malerischen Anblick gewährt. Wir behielten
dann noch lange den Park von Piercefield und seine
Felsenwände, jenseits des Flusses, im Angesicht. Ich

mit beſonders zierlichem altſächſiſchen Portal und
einem ſehr ſchön gearbeiteten Taufbecken in demſelben
Styl. Hier liegt auch der arme Martin begraben.
Er war einer der Richter Carl des I. und ſaß 40
Jahre im Schloſſe zu Chepſtow gefangen, ohne doch
je, wie man behauptet, dort ſeine gute Laune ganz
zu verlieren. Nach den erſten Jahren ſcheint über-
haupt ſeine Haft milder geworden zu ſeyn, und man
ihn auch nach und nach immer etwas beſſer logirt zu
haben, denn Carl II. war nicht grauſam. Wenig-
ſtens zeigte mir das Mädchen heute früh drei Ge-
mächer, wovon das unterſte freilich ein ſchauderhaftes
Loch war, und ciceroniſirte dabei in folgenden Wor-
ten: „Hier ſteckte man Martin zuerſt hinein, als er
noch böſe war; da er aber hernach in ſich ging, kam
er einen Stock höher, und endlich, als er religieus
wurde, bekam er das Zimmer mit der ſchönen Aus-
ſicht oben.“

Um zwei Uhr fuhr ich mit einer ſehr vollen Stage
coach,
wo ich, ohngeachtet des heftigen Regens, nur
mit Mühe noch einen Platz auf dem Bocke bekam,
nach Briſtol. Wir paſſirten den Fluß auf einer ſchö-
nen Brücke, die zugleich den beſten Standpunkt zur
Anſicht des Schloßes bietet, welches ſich unmittelbar
über den, ſenkrecht nach dem River Wye herabfallen-
den, Felſen erhebt, und beſonders dadurch einen ſo
äußerſt maleriſchen Anblick gewährt. Wir behielten
dann noch lange den Park von Piercefield und ſeine
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[261/0283] mit beſonders zierlichem altſächſiſchen Portal und einem ſehr ſchön gearbeiteten Taufbecken in demſelben Styl. Hier liegt auch der arme Martin begraben. Er war einer der Richter Carl des I. und ſaß 40 Jahre im Schloſſe zu Chepſtow gefangen, ohne doch je, wie man behauptet, dort ſeine gute Laune ganz zu verlieren. Nach den erſten Jahren ſcheint über- haupt ſeine Haft milder geworden zu ſeyn, und man ihn auch nach und nach immer etwas beſſer logirt zu haben, denn Carl II. war nicht grauſam. Wenig- ſtens zeigte mir das Mädchen heute früh drei Ge- mächer, wovon das unterſte freilich ein ſchauderhaftes Loch war, und ciceroniſirte dabei in folgenden Wor- ten: „Hier ſteckte man Martin zuerſt hinein, als er noch böſe war; da er aber hernach in ſich ging, kam er einen Stock höher, und endlich, als er religieus wurde, bekam er das Zimmer mit der ſchönen Aus- ſicht oben.“ Um zwei Uhr fuhr ich mit einer ſehr vollen Stage coach, wo ich, ohngeachtet des heftigen Regens, nur mit Mühe noch einen Platz auf dem Bocke bekam, nach Briſtol. Wir paſſirten den Fluß auf einer ſchö- nen Brücke, die zugleich den beſten Standpunkt zur Anſicht des Schloßes bietet, welches ſich unmittelbar über den, ſenkrecht nach dem River Wye herabfallen- den, Felſen erhebt, und beſonders dadurch einen ſo äußerſt maleriſchen Anblick gewährt. Wir behielten dann noch lange den Park von Piercefield und ſeine Felſenwände, jenſeits des Fluſſes, im Angeſicht. Ich

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/283>, abgerufen am 23.04.2024.