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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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mögen noch so viel gegen Rossini schreien -- wahr
bleibt es doch, daß auch hier wieder Ströme von
Melodie das Ohr entzücken, bald in Liebestönen
schmelzend, im Gewitter donnernd, beim Banquet der
Ritter jubelnd, oder beim Gebet sich feierlich gen
Himmel erhebend. Seltsam genug ist es freilich, daß
in dieser, fast mehr als leichtfertigen Oper, das, nur
als Heuchelei dargestellte, Gebet der Ritter das-
selbe
ist, welches Rossini früher für Karl X. Krö-
nungsfeierlichkeit componirt hatte. Madame Cinti
sang die Rolle der Gräfin sehr gut, Mademoiselle
Javoureck zeigte, als Page des Grafen, sehr schöne
Beine, und auch der Bassist war vortrefflich.

Das Ballet, dächte ich, hätte gegen ehemals ein
wenig verloren; Albert und Paul werden durch die
Jahre nicht leichter, und außer den Damen Noblet
und Taglioni zeichnet sich kaum eine Tänzerin aus.

Ich bemerkte während der Oper, daß derselbe Akteur,
welcher in der Muette eine der Hauptrollen spielt,
heute unter dem Corps der Ritter eine ganz unbe-
deutende Stelle einnahm. Aehnliches geschieht hier
oft, und ist eine höchst nachahmungswerthe Einrich-
tung, da nur, wenn auch die Besten zum ensemble
conkurriren müssen, die Rolle mag groß oder klein
seyn, ein wahrhaft gutes Ganze hervorgebracht wer-
den kann.

Für dieses ensemble wird überhaupt in Frank-
reich weit mehr als bei uns gethan, wo oft die Täu-

mögen noch ſo viel gegen Roſſini ſchreien — wahr
bleibt es doch, daß auch hier wieder Ströme von
Melodie das Ohr entzücken, bald in Liebestönen
ſchmelzend, im Gewitter donnernd, beim Banquet der
Ritter jubelnd, oder beim Gebet ſich feierlich gen
Himmel erhebend. Seltſam genug iſt es freilich, daß
in dieſer, faſt mehr als leichtfertigen Oper, das, nur
als Heuchelei dargeſtellte, Gebet der Ritter daſ-
ſelbe
iſt, welches Roſſini früher für Karl X. Krö-
nungsfeierlichkeit componirt hatte. Madame Cinti
ſang die Rolle der Gräfin ſehr gut, Mademoiſelle
Javoureck zeigte, als Page des Grafen, ſehr ſchöne
Beine, und auch der Baſſiſt war vortrefflich.

Das Ballet, dächte ich, hätte gegen ehemals ein
wenig verloren; Albert und Paul werden durch die
Jahre nicht leichter, und außer den Damen Noblet
und Taglioni zeichnet ſich kaum eine Tänzerin aus.

Ich bemerkte während der Oper, daß derſelbe Akteur,
welcher in der Muette eine der Hauptrollen ſpielt,
heute unter dem Corps der Ritter eine ganz unbe-
deutende Stelle einnahm. Aehnliches geſchieht hier
oft, und iſt eine höchſt nachahmungswerthe Einrich-
tung, da nur, wenn auch die Beſten zum ensemble
conkurriren müſſen, die Rolle mag groß oder klein
ſeyn, ein wahrhaft gutes Ganze hervorgebracht wer-
den kann.

Für dieſes ensemble wird überhaupt in Frank-
reich weit mehr als bei uns gethan, wo oft die Täu-

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[339/0361] mögen noch ſo viel gegen Roſſini ſchreien — wahr bleibt es doch, daß auch hier wieder Ströme von Melodie das Ohr entzücken, bald in Liebestönen ſchmelzend, im Gewitter donnernd, beim Banquet der Ritter jubelnd, oder beim Gebet ſich feierlich gen Himmel erhebend. Seltſam genug iſt es freilich, daß in dieſer, faſt mehr als leichtfertigen Oper, das, nur als Heuchelei dargeſtellte, Gebet der Ritter daſ- ſelbe iſt, welches Roſſini früher für Karl X. Krö- nungsfeierlichkeit componirt hatte. Madame Cinti ſang die Rolle der Gräfin ſehr gut, Mademoiſelle Javoureck zeigte, als Page des Grafen, ſehr ſchöne Beine, und auch der Baſſiſt war vortrefflich. Das Ballet, dächte ich, hätte gegen ehemals ein wenig verloren; Albert und Paul werden durch die Jahre nicht leichter, und außer den Damen Noblet und Taglioni zeichnet ſich kaum eine Tänzerin aus. Ich bemerkte während der Oper, daß derſelbe Akteur, welcher in der Muette eine der Hauptrollen ſpielt, heute unter dem Corps der Ritter eine ganz unbe- deutende Stelle einnahm. Aehnliches geſchieht hier oft, und iſt eine höchſt nachahmungswerthe Einrich- tung, da nur, wenn auch die Beſten zum ensemble conkurriren müſſen, die Rolle mag groß oder klein ſeyn, ein wahrhaft gutes Ganze hervorgebracht wer- den kann. Für dieſes ensemble wird überhaupt in Frank- reich weit mehr als bei uns gethan, wo oft die Täu-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/361>, abgerufen am 25.04.2024.