Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

zu bieten. Dort haben uns O'Connel und die Asso-
ciation ordentlich wie Truppen organisirt. Ich ge-
höre auch dazu, und habe auch zu Hause meine Uni-
form. Wenn ihr mich so sähet, würdet ihr mich
kaum wieder kennen; vor drei Wochen waren wir
alle dort, über 40,000 Mann zusammen, um Revue
über uns halten zu lassen. Wir hatten alle grüne
Jacken an, die sich jeder anschaffen muß, so gut er
kann, und mit der Inschrift auf dem Arm: "King
George and O'Connel."
Unsre Offiziere haben wir
selbst gewählt; die exerziren uns, und wir können
schon marschieren und schwenken wie die Rothröcke.
Waffen hatten wir freilich nicht, aber . . . . . . die
würden sich auch wohl finden -- wenn O'Connel nur
wollte. Fahnen hatten wir, und wer sie verließ,
oder sich betrank, den warfen wir ins Wasser, bis
er wieder nüchtern wurde. So was ist aber selten
vorgekommen. Man nennt uns nur O'Connels
Miliz."

Das Gouvernement hat seitdem weislich diese
Heerschau verboten, und mein angehender Volks-
soldat war wüthend auf Lord K . . . . . . der alle
seine tenants (kleine Pächter, die in Irland, fast
mehr als Leibeigne, von Lords abhängig sind) welche
bei der Revue gegenwärtig gewesen waren, hatte ar-
retiren lassen. "Aber," fügte er hinzu, "jede Stunde,
die sie im Gefängniß sitzen, soll dem Tyrannen be-
zahlt werden, den wir lieber todt wie lebendig sähen.
Wären sie hier in Cork nur nicht solche zahme

zu bieten. Dort haben uns O’Connel und die Aſſo-
ciation ordentlich wie Truppen organiſirt. Ich ge-
höre auch dazu, und habe auch zu Hauſe meine Uni-
form. Wenn ihr mich ſo ſähet, würdet ihr mich
kaum wieder kennen; vor drei Wochen waren wir
alle dort, über 40,000 Mann zuſammen, um Revue
über uns halten zu laſſen. Wir hatten alle grüne
Jacken an, die ſich jeder anſchaffen muß, ſo gut er
kann, und mit der Inſchrift auf dem Arm: „King
George and O’Connel.“
Unſre Offiziere haben wir
ſelbſt gewählt; die exerziren uns, und wir können
ſchon marſchieren und ſchwenken wie die Rothröcke.
Waffen hatten wir freilich nicht, aber . . . . . . die
würden ſich auch wohl finden — wenn O’Connel nur
wollte. Fahnen hatten wir, und wer ſie verließ,
oder ſich betrank, den warfen wir ins Waſſer, bis
er wieder nüchtern wurde. So was iſt aber ſelten
vorgekommen. Man nennt uns nur O’Connels
Miliz.“

Das Gouvernement hat ſeitdem weislich dieſe
Heerſchau verboten, und mein angehender Volks-
ſoldat war wüthend auf Lord K . . . . . . der alle
ſeine tenants (kleine Pächter, die in Irland, faſt
mehr als Leibeigne, von Lords abhängig ſind) welche
bei der Revue gegenwärtig geweſen waren, hatte ar-
retiren laſſen. „Aber,“ fügte er hinzu, „jede Stunde,
die ſie im Gefängniß ſitzen, ſoll dem Tyrannen be-
zahlt werden, den wir lieber todt wie lebendig ſähen.
Wären ſie hier in Cork nur nicht ſolche zahme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="75"/>
zu bieten. Dort haben uns O&#x2019;Connel und die A&#x017F;&#x017F;o-<lb/>
ciation ordentlich wie Truppen organi&#x017F;irt. Ich ge-<lb/>
höre auch dazu, und habe auch zu Hau&#x017F;e meine Uni-<lb/>
form. Wenn ihr mich &#x017F;o &#x017F;ähet, würdet ihr mich<lb/>
kaum wieder kennen; vor drei Wochen waren wir<lb/>
alle dort, über 40,000 Mann zu&#x017F;ammen, um Revue<lb/>
über uns halten zu la&#x017F;&#x017F;en. Wir hatten alle grüne<lb/>
Jacken an, die &#x017F;ich jeder an&#x017F;chaffen muß, &#x017F;o gut er<lb/>
kann, und mit der In&#x017F;chrift auf dem Arm: <hi rendition="#aq">&#x201E;King<lb/>
George and O&#x2019;Connel.&#x201C;</hi> Un&#x017F;re Offiziere haben wir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gewählt; die exerziren uns, und wir können<lb/>
&#x017F;chon mar&#x017F;chieren und &#x017F;chwenken wie die Rothröcke.<lb/>
Waffen hatten wir freilich nicht, aber . . . . . . die<lb/>
würden &#x017F;ich auch wohl finden &#x2014; wenn O&#x2019;Connel nur<lb/>
wollte. Fahnen hatten wir, und wer &#x017F;ie verließ,<lb/>
oder &#x017F;ich betrank, den warfen wir ins Wa&#x017F;&#x017F;er, bis<lb/>
er wieder nüchtern wurde. So was i&#x017F;t aber &#x017F;elten<lb/>
vorgekommen. Man nennt uns nur O&#x2019;Connels<lb/>
Miliz.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das Gouvernement hat &#x017F;eitdem weislich die&#x017F;e<lb/>
Heer&#x017F;chau verboten, und mein angehender Volks-<lb/>
&#x017F;oldat war wüthend auf Lord K . . . . . . der alle<lb/>
&#x017F;eine <hi rendition="#aq">tenants</hi> (kleine Pächter, die in Irland, fa&#x017F;t<lb/>
mehr als Leibeigne, von Lords abhängig &#x017F;ind) welche<lb/>
bei der Revue gegenwärtig gewe&#x017F;en waren, hatte ar-<lb/>
retiren la&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Aber,&#x201C; fügte er hinzu, &#x201E;jede Stunde,<lb/>
die &#x017F;ie im Gefängniß &#x017F;itzen, &#x017F;oll dem Tyrannen be-<lb/>
zahlt werden, den wir lieber todt wie lebendig &#x017F;ähen.<lb/>
Wären &#x017F;ie hier in Cork nur nicht &#x017F;olche zahme<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0097] zu bieten. Dort haben uns O’Connel und die Aſſo- ciation ordentlich wie Truppen organiſirt. Ich ge- höre auch dazu, und habe auch zu Hauſe meine Uni- form. Wenn ihr mich ſo ſähet, würdet ihr mich kaum wieder kennen; vor drei Wochen waren wir alle dort, über 40,000 Mann zuſammen, um Revue über uns halten zu laſſen. Wir hatten alle grüne Jacken an, die ſich jeder anſchaffen muß, ſo gut er kann, und mit der Inſchrift auf dem Arm: „King George and O’Connel.“ Unſre Offiziere haben wir ſelbſt gewählt; die exerziren uns, und wir können ſchon marſchieren und ſchwenken wie die Rothröcke. Waffen hatten wir freilich nicht, aber . . . . . . die würden ſich auch wohl finden — wenn O’Connel nur wollte. Fahnen hatten wir, und wer ſie verließ, oder ſich betrank, den warfen wir ins Waſſer, bis er wieder nüchtern wurde. So was iſt aber ſelten vorgekommen. Man nennt uns nur O’Connels Miliz.“ Das Gouvernement hat ſeitdem weislich dieſe Heerſchau verboten, und mein angehender Volks- ſoldat war wüthend auf Lord K . . . . . . der alle ſeine tenants (kleine Pächter, die in Irland, faſt mehr als Leibeigne, von Lords abhängig ſind) welche bei der Revue gegenwärtig geweſen waren, hatte ar- retiren laſſen. „Aber,“ fügte er hinzu, „jede Stunde, die ſie im Gefängniß ſitzen, ſoll dem Tyrannen be- zahlt werden, den wir lieber todt wie lebendig ſähen. Wären ſie hier in Cork nur nicht ſolche zahme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/97
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/97>, abgerufen am 25.04.2024.