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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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schen dem Gestein, und der Donner der Wogen über-
tä ubte ihr Hülfegeschrei, das nur undeutlich in Zwi-
schenräumen vernommen ward. Bald waren sie gänz-
lich verschwunden, und obgleich man viele Monate
lang, ohne Kosten zu scheuen, die Körper bis an
den Ausfluß des Rheins in Holland suchen ließ, und
große Summen auf ihr Wiederfinden setzte, so hat
man doch nie wieder etwas von ihnen vernommen.
Sie schlummern unbekannt in der krystallnen Tiefe.

Sonderbar ist es, daß an demselben Tage, der
ihnen den Tod brachte, das Stammschloß der Mon-
tague in Susser bis auf den Grund abbrannte. Die
unglückliche Mutter überlebte nur ein Jahr den Tod
ihres zum zweitenmal und diesmal unwiederbringlich
verlorenen Sohnes.

Wenn Grillparzer zu trauen ist, so muß hier wenig-
stens eine unversöhnliche Ahnfrau im Spiele ge-
wesen seyn, vielleicht noch von Romeo's Zeiten her.



Müde von der vorgestrigen Tour brachte ich den
andern Morgen in meinen vier Pfählen zu, besuchte
aber Abends die englische Oper im Strand, nicht
weit von dem Thierlokal, dessen Bewohner sie gleich
zu ihrer Disposition hat. Das Haus ist weder ele-

ſchen dem Geſtein, und der Donner der Wogen über-
tä ubte ihr Hülfegeſchrei, das nur undeutlich in Zwi-
ſchenräumen vernommen ward. Bald waren ſie gänz-
lich verſchwunden, und obgleich man viele Monate
lang, ohne Koſten zu ſcheuen, die Körper bis an
den Ausfluß des Rheins in Holland ſuchen ließ, und
große Summen auf ihr Wiederfinden ſetzte, ſo hat
man doch nie wieder etwas von ihnen vernommen.
Sie ſchlummern unbekannt in der kryſtallnen Tiefe.

Sonderbar iſt es, daß an demſelben Tage, der
ihnen den Tod brachte, das Stammſchloß der Mon-
tague in Suſſer bis auf den Grund abbrannte. Die
unglückliche Mutter überlebte nur ein Jahr den Tod
ihres zum zweitenmal und diesmal unwiederbringlich
verlorenen Sohnes.

Wenn Grillparzer zu trauen iſt, ſo muß hier wenig-
ſtens eine unverſöhnliche Ahnfrau im Spiele ge-
weſen ſeyn, vielleicht noch von Romeo’s Zeiten her.



Müde von der vorgeſtrigen Tour brachte ich den
andern Morgen in meinen vier Pfählen zu, beſuchte
aber Abends die engliſche Oper im Strand, nicht
weit von dem Thierlokal, deſſen Bewohner ſie gleich
zu ihrer Dispoſition hat. Das Haus iſt weder ele-

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[66/0106] ſchen dem Geſtein, und der Donner der Wogen über- tä ubte ihr Hülfegeſchrei, das nur undeutlich in Zwi- ſchenräumen vernommen ward. Bald waren ſie gänz- lich verſchwunden, und obgleich man viele Monate lang, ohne Koſten zu ſcheuen, die Körper bis an den Ausfluß des Rheins in Holland ſuchen ließ, und große Summen auf ihr Wiederfinden ſetzte, ſo hat man doch nie wieder etwas von ihnen vernommen. Sie ſchlummern unbekannt in der kryſtallnen Tiefe. Sonderbar iſt es, daß an demſelben Tage, der ihnen den Tod brachte, das Stammſchloß der Mon- tague in Suſſer bis auf den Grund abbrannte. Die unglückliche Mutter überlebte nur ein Jahr den Tod ihres zum zweitenmal und diesmal unwiederbringlich verlorenen Sohnes. Wenn Grillparzer zu trauen iſt, ſo muß hier wenig- ſtens eine unverſöhnliche Ahnfrau im Spiele ge- weſen ſeyn, vielleicht noch von Romeo’s Zeiten her. Den 13ten. Müde von der vorgeſtrigen Tour brachte ich den andern Morgen in meinen vier Pfählen zu, beſuchte aber Abends die engliſche Oper im Strand, nicht weit von dem Thierlokal, deſſen Bewohner ſie gleich zu ihrer Dispoſition hat. Das Haus iſt weder ele-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/106>, abgerufen am 24.04.2024.