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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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rometer meiner Seele, und ein Nichts oft läßt ihn
wieder fallen. Es ist allerdings eine gar zu delikate
moralische Constitution, die mir zu Theil wurde,
und nicht zum hausbacknen Glück bestimmt -- wel-
ches gröbere Nerven verlangt.



Oberon, Webers Schwanengesang, füllte mir den
heutigen Abend. Musik und Gesang ließen bei der
Ausführung viel zu wünschen übrig, doch ward die
Oper für London vorzüglich gegeben. Das beste in
seiner Art waren die Dekorationen, besonders die,
wo die Geister beschworen werden. Sie erscheinen
nicht wie gewöhnlich in dem stehenden Costume feuer-
rother Hosen und Jacken, mit Furienhaaren und
Flammen auf dem Kopf, sondern die weite Felsen-
grotte, welche das ganze Theater einnimmt, ver-
wandelte sich plötzlich, jedes Felsstück in andere phan-
tastische und furchtbare Formen und Fratzen, leuch-
tend in buntem Feuer und fahlem Schein, woraus
auch hie und da eine ganze Figur sich grinsend heraus-
bog, während der schauerliche Gesang rund umher
erschallte aus dem wimmelnden Felsenchor. Das Werk
selbst halte ich für eine schwächere Arbeit Webers.
Schön ist jedoch Einzelnes, namentlich die Intro-
duktion, die etwas wahrhaft Elfenartiges hat. We-

rometer meiner Seele, und ein Nichts oft läßt ihn
wieder fallen. Es iſt allerdings eine gar zu delikate
moraliſche Conſtitution, die mir zu Theil wurde,
und nicht zum hausbacknen Glück beſtimmt — wel-
ches gröbere Nerven verlangt.



Oberon, Webers Schwanengeſang, füllte mir den
heutigen Abend. Muſik und Geſang ließen bei der
Ausführung viel zu wünſchen übrig, doch ward die
Oper für London vorzüglich gegeben. Das beſte in
ſeiner Art waren die Dekorationen, beſonders die,
wo die Geiſter beſchworen werden. Sie erſcheinen
nicht wie gewöhnlich in dem ſtehenden Coſtume feuer-
rother Hoſen und Jacken, mit Furienhaaren und
Flammen auf dem Kopf, ſondern die weite Felſen-
grotte, welche das ganze Theater einnimmt, ver-
wandelte ſich plötzlich, jedes Felsſtück in andere phan-
taſtiſche und furchtbare Formen und Fratzen, leuch-
tend in buntem Feuer und fahlem Schein, woraus
auch hie und da eine ganze Figur ſich grinſend heraus-
bog, während der ſchauerliche Geſang rund umher
erſchallte aus dem wimmelnden Felſenchor. Das Werk
ſelbſt halte ich für eine ſchwächere Arbeit Webers.
Schön iſt jedoch Einzelnes, namentlich die Intro-
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[172/0216] rometer meiner Seele, und ein Nichts oft läßt ihn wieder fallen. Es iſt allerdings eine gar zu delikate moraliſche Conſtitution, die mir zu Theil wurde, und nicht zum hausbacknen Glück beſtimmt — wel- ches gröbere Nerven verlangt. Den 5ten. Oberon, Webers Schwanengeſang, füllte mir den heutigen Abend. Muſik und Geſang ließen bei der Ausführung viel zu wünſchen übrig, doch ward die Oper für London vorzüglich gegeben. Das beſte in ſeiner Art waren die Dekorationen, beſonders die, wo die Geiſter beſchworen werden. Sie erſcheinen nicht wie gewöhnlich in dem ſtehenden Coſtume feuer- rother Hoſen und Jacken, mit Furienhaaren und Flammen auf dem Kopf, ſondern die weite Felſen- grotte, welche das ganze Theater einnimmt, ver- wandelte ſich plötzlich, jedes Felsſtück in andere phan- taſtiſche und furchtbare Formen und Fratzen, leuch- tend in buntem Feuer und fahlem Schein, woraus auch hie und da eine ganze Figur ſich grinſend heraus- bog, während der ſchauerliche Geſang rund umher erſchallte aus dem wimmelnden Felſenchor. Das Werk ſelbſt halte ich für eine ſchwächere Arbeit Webers. Schön iſt jedoch Einzelnes, namentlich die Intro- duktion, die etwas wahrhaft Elfenartiges hat. We-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/216>, abgerufen am 24.04.2024.