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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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ein dunkles Gebirge über dem Wasserspiegel auf,
das nach und nach immer festere Consistenz gewann.
Als nun die Sonne den höchsten Pick desselben er-
reichte und die schwarzen Massen, wie mit Rissen
flammenden Goldes durchbrach, glaubte ich den Ve-
suv wieder zu sehen, von Lava überströmt.

Nachdem ich diesem festlichen Nachtlager der Him-
melskönigin bis auf seinen letzten Moment beige-
wohnt, irrte ich noch bis zu völliger Dunkelheit in
den kahlen Dünen umher, wie ein Schatten über
Berg und Thal auf meinem schnellen Rosse dahin-
gleitend, das auch seine Phantasieen haben mochte,
die es zu immer größerer Eile antrieben, ohne Zwei-
fel die lockende Vorstellung -- von Hafer und Heu.



Diese ewigen Bälle, Concerts, Dines und Prome-
naden kann ich für mich, eben nicht langweilig, aber
wohl Zeit tödtend nennen. Ueberdem hat sich ein ar-
mer Sterbender unter mir einquartirt, und macht
mich durch sein Stöhnen und Jammern, das durch
den dünnen Boden allnächtlich zu mir heraufdringt,
und dessen Contrast so grell mit diesem Orte der Fri-
volität und Zerstreuung absticht, zu melancholisch.

*) Die Relation der vorhergehenden Tage ist unterdrückt
worden. A. d. H.

ein dunkles Gebirge über dem Waſſerſpiegel auf,
das nach und nach immer feſtere Conſiſtenz gewann.
Als nun die Sonne den höchſten Pick deſſelben er-
reichte und die ſchwarzen Maſſen, wie mit Riſſen
flammenden Goldes durchbrach, glaubte ich den Ve-
ſuv wieder zu ſehen, von Lava überſtrömt.

Nachdem ich dieſem feſtlichen Nachtlager der Him-
melskönigin bis auf ſeinen letzten Moment beige-
wohnt, irrte ich noch bis zu völliger Dunkelheit in
den kahlen Dünen umher, wie ein Schatten über
Berg und Thal auf meinem ſchnellen Roſſe dahin-
gleitend, das auch ſeine Phantaſieen haben mochte,
die es zu immer größerer Eile antrieben, ohne Zwei-
fel die lockende Vorſtellung — von Hafer und Heu.



Dieſe ewigen Bälle, Concerts, Dinés und Prome-
naden kann ich für mich, eben nicht langweilig, aber
wohl Zeit tödtend nennen. Ueberdem hat ſich ein ar-
mer Sterbender unter mir einquartirt, und macht
mich durch ſein Stöhnen und Jammern, das durch
den dünnen Boden allnächtlich zu mir heraufdringt,
und deſſen Contraſt ſo grell mit dieſem Orte der Fri-
volität und Zerſtreuung abſticht, zu melancholiſch.

*) Die Relation der vorhergehenden Tage iſt unterdruͤckt
worden. A. d. H.
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[391/0437] ein dunkles Gebirge über dem Waſſerſpiegel auf, das nach und nach immer feſtere Conſiſtenz gewann. Als nun die Sonne den höchſten Pick deſſelben er- reichte und die ſchwarzen Maſſen, wie mit Riſſen flammenden Goldes durchbrach, glaubte ich den Ve- ſuv wieder zu ſehen, von Lava überſtrömt. Nachdem ich dieſem feſtlichen Nachtlager der Him- melskönigin bis auf ſeinen letzten Moment beige- wohnt, irrte ich noch bis zu völliger Dunkelheit in den kahlen Dünen umher, wie ein Schatten über Berg und Thal auf meinem ſchnellen Roſſe dahin- gleitend, das auch ſeine Phantaſieen haben mochte, die es zu immer größerer Eile antrieben, ohne Zwei- fel die lockende Vorſtellung — von Hafer und Heu. Den 14ten Maͤrz *). Dieſe ewigen Bälle, Concerts, Dinés und Prome- naden kann ich für mich, eben nicht langweilig, aber wohl Zeit tödtend nennen. Ueberdem hat ſich ein ar- mer Sterbender unter mir einquartirt, und macht mich durch ſein Stöhnen und Jammern, das durch den dünnen Boden allnächtlich zu mir heraufdringt, und deſſen Contraſt ſo grell mit dieſem Orte der Fri- volität und Zerſtreuung abſticht, zu melancholiſch. *) Die Relation der vorhergehenden Tage iſt unterdruͤckt worden. A. d. H.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/437>, abgerufen am 25.04.2024.