Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

sind, andere trophäenartige Aufstellungen lächerlich
erscheinen, und die Sophas kleinen Gebäuden glei-
chen, mit überall hervorspringenden, so scharfen Ecken,
daß bei nachlässigem Niederlassen darauf eine gefähr-
liche Verwundung nicht unmöglich wäre.

Als ich spät zu Haus kam, fand ich Deinen Brief,
der mich, wie immer Nachrichten von Dir, mehr als
Alles erfreute.

Sage aber nicht, daß der Schmerz der Trennung
Dich so tief beuge, wenigstens laß es nicht tiefer
seyn, als ein frohes Wiedersehen wieder aufrichten
kann -- und das ist ja wahrscheinlich nicht mehr
fern. Daß Du uns aber schon auf die Unsterblich-
keit verweisen willst, wenn es hier nicht gleich nach
Wunsche geht, zeigt wenig christliches Vertrauen,
meine Liebe. Nein, ich gestehe es, bei aller women-
tan eintretenden Melancholie bin ich doch im Gan-
zen noch leidlich irdisch gesinnt, und "diese Spanne
Leben," wie Du sie nennst, liegt mir noch recht sehr
am Herzen. Freilich, wärest Du, meine liebende
Schutzgöttin, zugleich auch Fortuna, so ginge mir's
wahrscheinlich besser als irgend Jemand auf Erden,
"et toutes les etoiles paliraient devant la mienne"
-- aber schon dadurch, daß Du mich liebst, bist
Du meine Fortuna, und ich verlange keine bessere.

Laß Dich also weder durch Deine eignen Schwer-
muthsstunden, noch durch meine, irre machen. Was
mich betrifft, so weißt Du: ein Nichts hebt den Ba-

ſind, andere trophäenartige Aufſtellungen lächerlich
erſcheinen, und die Sophas kleinen Gebäuden glei-
chen, mit überall hervorſpringenden, ſo ſcharfen Ecken,
daß bei nachläſſigem Niederlaſſen darauf eine gefähr-
liche Verwundung nicht unmöglich wäre.

Als ich ſpät zu Haus kam, fand ich Deinen Brief,
der mich, wie immer Nachrichten von Dir, mehr als
Alles erfreute.

Sage aber nicht, daß der Schmerz der Trennung
Dich ſo tief beuge, wenigſtens laß es nicht tiefer
ſeyn, als ein frohes Wiederſehen wieder aufrichten
kann — und das iſt ja wahrſcheinlich nicht mehr
fern. Daß Du uns aber ſchon auf die Unſterblich-
keit verweiſen willſt, wenn es hier nicht gleich nach
Wunſche geht, zeigt wenig chriſtliches Vertrauen,
meine Liebe. Nein, ich geſtehe es, bei aller women-
tan eintretenden Melancholie bin ich doch im Gan-
zen noch leidlich irdiſch geſinnt, und „dieſe Spanne
Leben,“ wie Du ſie nennſt, liegt mir noch recht ſehr
am Herzen. Freilich, wäreſt Du, meine liebende
Schutzgöttin, zugleich auch Fortuna, ſo ginge mir’s
wahrſcheinlich beſſer als irgend Jemand auf Erden,
„et toutes les étoiles pâliraient devant la mienne“
— aber ſchon dadurch, daß Du mich liebſt, biſt
Du meine Fortuna, und ich verlange keine beſſere.

Laß Dich alſo weder durch Deine eignen Schwer-
muthsſtunden, noch durch meine, irre machen. Was
mich betrifft, ſo weißt Du: ein Nichts hebt den Ba-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0215" n="171"/>
&#x017F;ind, andere trophäenartige Auf&#x017F;tellungen lächerlich<lb/>
er&#x017F;cheinen, und die Sophas kleinen Gebäuden glei-<lb/>
chen, mit überall hervor&#x017F;pringenden, &#x017F;o &#x017F;charfen Ecken,<lb/>
daß bei nachlä&#x017F;&#x017F;igem Niederla&#x017F;&#x017F;en darauf eine gefähr-<lb/>
liche Verwundung nicht unmöglich wäre.</p><lb/>
          <p>Als ich &#x017F;pät zu Haus kam, fand ich Deinen Brief,<lb/>
der mich, wie immer Nachrichten von Dir, mehr als<lb/>
Alles erfreute.</p><lb/>
          <p>Sage aber nicht, daß der Schmerz der Trennung<lb/>
Dich &#x017F;o tief beuge, wenig&#x017F;tens laß es nicht tiefer<lb/>
&#x017F;eyn, als ein frohes Wieder&#x017F;ehen wieder aufrichten<lb/>
kann &#x2014; und das i&#x017F;t ja wahr&#x017F;cheinlich nicht mehr<lb/>
fern. Daß Du uns aber &#x017F;chon auf die Un&#x017F;terblich-<lb/>
keit verwei&#x017F;en will&#x017F;t, wenn es hier nicht gleich nach<lb/>
Wun&#x017F;che geht, zeigt wenig chri&#x017F;tliches Vertrauen,<lb/>
meine Liebe. Nein, ich ge&#x017F;tehe es, bei aller women-<lb/>
tan eintretenden Melancholie bin ich doch im Gan-<lb/>
zen noch leidlich irdi&#x017F;ch ge&#x017F;innt, und &#x201E;die&#x017F;e Spanne<lb/>
Leben,&#x201C; wie Du &#x017F;ie nenn&#x017F;t, liegt mir noch recht &#x017F;ehr<lb/>
am Herzen. Freilich, wäre&#x017F;t Du, meine liebende<lb/>
Schutzgöttin, zugleich auch Fortuna, &#x017F;o ginge mir&#x2019;s<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich be&#x017F;&#x017F;er als irgend Jemand auf Erden,<lb/><hi rendition="#aq">&#x201E;et toutes les étoiles pâliraient devant la mienne&#x201C;</hi><lb/>
&#x2014; aber &#x017F;chon dadurch, daß Du mich lieb&#x017F;t, <hi rendition="#g">bi&#x017F;t</hi><lb/>
Du meine Fortuna, und ich verlange keine be&#x017F;&#x017F;ere.</p><lb/>
          <p>Laß Dich al&#x017F;o weder durch Deine eignen Schwer-<lb/>
muths&#x017F;tunden, noch durch meine, irre machen. Was<lb/>
mich betrifft, &#x017F;o weißt Du: ein Nichts hebt den Ba-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0215] ſind, andere trophäenartige Aufſtellungen lächerlich erſcheinen, und die Sophas kleinen Gebäuden glei- chen, mit überall hervorſpringenden, ſo ſcharfen Ecken, daß bei nachläſſigem Niederlaſſen darauf eine gefähr- liche Verwundung nicht unmöglich wäre. Als ich ſpät zu Haus kam, fand ich Deinen Brief, der mich, wie immer Nachrichten von Dir, mehr als Alles erfreute. Sage aber nicht, daß der Schmerz der Trennung Dich ſo tief beuge, wenigſtens laß es nicht tiefer ſeyn, als ein frohes Wiederſehen wieder aufrichten kann — und das iſt ja wahrſcheinlich nicht mehr fern. Daß Du uns aber ſchon auf die Unſterblich- keit verweiſen willſt, wenn es hier nicht gleich nach Wunſche geht, zeigt wenig chriſtliches Vertrauen, meine Liebe. Nein, ich geſtehe es, bei aller women- tan eintretenden Melancholie bin ich doch im Gan- zen noch leidlich irdiſch geſinnt, und „dieſe Spanne Leben,“ wie Du ſie nennſt, liegt mir noch recht ſehr am Herzen. Freilich, wäreſt Du, meine liebende Schutzgöttin, zugleich auch Fortuna, ſo ginge mir’s wahrſcheinlich beſſer als irgend Jemand auf Erden, „et toutes les étoiles pâliraient devant la mienne“ — aber ſchon dadurch, daß Du mich liebſt, biſt Du meine Fortuna, und ich verlange keine beſſere. Laß Dich alſo weder durch Deine eignen Schwer- muthsſtunden, noch durch meine, irre machen. Was mich betrifft, ſo weißt Du: ein Nichts hebt den Ba-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/215
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/215>, abgerufen am 20.04.2024.