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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Interesse. Sein Gesicht ist eben so vornehm als
schön, und obgleich es nicht ein großes Genie ver-
räth, hat es doch den Ausdruck eines klugen, im
äußern Anstand würdevollen und kräftigen Mannes.
Von dem Glanz der Jugend ist nichts mehr übrig,
wohl aber eine gewisse stolze Gemächlichkeit der sichern
unerschütterlichen Gunst. In einer Copie der Schule
von Athen, von Guilio Romano, bewunderte ich von
neuem das herrliche Antlitz des jungen Herzogs von
Urbino, dieses Ideals sanfter jugendlicher Schönheit.
Das schönste Mädchen könnte damit überzufrieden
seyn. Auch Raphaels eignes Bild ist dort am be-
deutendsten. Garriks Portrait von Raphael Mengs
entsprach meiner Vorstellung von diesem Künstler
nicht so wohl, als das in Stratford. Desto mehr
gefiel mir ein Bild Carl XII. in Lebensgröße von
Schröter, auch jeder Zoll -- ein großer Don Qui-
xote, und ein sehr charakteristisches Carls II. von Pe-
ter Leley. Ich finde daß Carls II. wie seine Welt-
bildung, auch in den Zügen ganz französisch aussiebt,
und namentlich eine auffallende Aehnlichkeit mit Bussy
Nabutin hat. Sein Vater hängt in einer mehr als
gewöhnlich anziehenden Abbildung daneben. Gewiß
hat er ein schönes Gesicht mit vielsagenden Augen,
aber der weiche, leidende, ideologische Ausdruck des-
selben zeigt genugsam an, daß der Träger solcher
Züge keinem Mann wie Cromwell und keiner Zeit
wie der seinigen gewachsen war. Es ist aber das
größte Unglück für einen Hochstehenden, in eine un-
rechte Zeit zu gerathen, wenn er nicht groß genug

Intereſſe. Sein Geſicht iſt eben ſo vornehm als
ſchön, und obgleich es nicht ein großes Genie ver-
räth, hat es doch den Ausdruck eines klugen, im
äußern Anſtand würdevollen und kräftigen Mannes.
Von dem Glanz der Jugend iſt nichts mehr übrig,
wohl aber eine gewiſſe ſtolze Gemächlichkeit der ſichern
unerſchütterlichen Gunſt. In einer Copie der Schule
von Athen, von Guilio Romano, bewunderte ich von
neuem das herrliche Antlitz des jungen Herzogs von
Urbino, dieſes Ideals ſanfter jugendlicher Schönheit.
Das ſchönſte Mädchen könnte damit überzufrieden
ſeyn. Auch Raphaels eignes Bild iſt dort am be-
deutendſten. Garriks Portrait von Raphael Mengs
entſprach meiner Vorſtellung von dieſem Künſtler
nicht ſo wohl, als das in Stratford. Deſto mehr
gefiel mir ein Bild Carl XII. in Lebensgröße von
Schröter, auch jeder Zoll — ein großer Don Qui-
xote, und ein ſehr charakteriſtiſches Carls II. von Pe-
ter Leley. Ich finde daß Carls II. wie ſeine Welt-
bildung, auch in den Zügen ganz franzöſiſch ausſiebt,
und namentlich eine auffallende Aehnlichkeit mit Buſſy
Nabutin hat. Sein Vater hängt in einer mehr als
gewöhnlich anziehenden Abbildung daneben. Gewiß
hat er ein ſchönes Geſicht mit vielſagenden Augen,
aber der weiche, leidende, ideologiſche Ausdruck deſ-
ſelben zeigt genugſam an, daß der Träger ſolcher
Züge keinem Mann wie Cromwell und keiner Zeit
wie der ſeinigen gewachſen war. Es iſt aber das
größte Unglück für einen Hochſtehenden, in eine un-
rechte Zeit zu gerathen, wenn er nicht groß genug

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[285/0331] Intereſſe. Sein Geſicht iſt eben ſo vornehm als ſchön, und obgleich es nicht ein großes Genie ver- räth, hat es doch den Ausdruck eines klugen, im äußern Anſtand würdevollen und kräftigen Mannes. Von dem Glanz der Jugend iſt nichts mehr übrig, wohl aber eine gewiſſe ſtolze Gemächlichkeit der ſichern unerſchütterlichen Gunſt. In einer Copie der Schule von Athen, von Guilio Romano, bewunderte ich von neuem das herrliche Antlitz des jungen Herzogs von Urbino, dieſes Ideals ſanfter jugendlicher Schönheit. Das ſchönſte Mädchen könnte damit überzufrieden ſeyn. Auch Raphaels eignes Bild iſt dort am be- deutendſten. Garriks Portrait von Raphael Mengs entſprach meiner Vorſtellung von dieſem Künſtler nicht ſo wohl, als das in Stratford. Deſto mehr gefiel mir ein Bild Carl XII. in Lebensgröße von Schröter, auch jeder Zoll — ein großer Don Qui- xote, und ein ſehr charakteriſtiſches Carls II. von Pe- ter Leley. Ich finde daß Carls II. wie ſeine Welt- bildung, auch in den Zügen ganz franzöſiſch ausſiebt, und namentlich eine auffallende Aehnlichkeit mit Buſſy Nabutin hat. Sein Vater hängt in einer mehr als gewöhnlich anziehenden Abbildung daneben. Gewiß hat er ein ſchönes Geſicht mit vielſagenden Augen, aber der weiche, leidende, ideologiſche Ausdruck deſ- ſelben zeigt genugſam an, daß der Träger ſolcher Züge keinem Mann wie Cromwell und keiner Zeit wie der ſeinigen gewachſen war. Es iſt aber das größte Unglück für einen Hochſtehenden, in eine un- rechte Zeit zu gerathen, wenn er nicht groß genug

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/331>, abgerufen am 25.04.2024.