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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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die vielen Ruinen und Anklänge vergangener Zeiten
so montirt, daß ich schon in eine Zukunft hinüber
träume, wo selbst alle Ruinen aufhören, und wo
man nicht nur seinen Schatten, sondern den ganzen
Menschen verloren haben wird, um auf neuen Ster-
nen ein neues Leben zu beginnen -- denn mit der
Erinnerung, man sage was man wolle, verliert man
doch das ganz, was man jetzt ist, wie schon auf
dieser Erde der Greis beinahe sich als Kind verloren
hat. Wieder finden können wir uns aber dennoch,
meine Herzensfreundin, und dann wird das Band,
das uns hier verbindet, sich auch nothwendig wieder
dort neu anknüpfen müssen. Dies kann uns auch
genügen

Mais revenons a nos moutons -- c'est a dire:
parlons de nouveau de parcs.

Ein abscheuliches Wetter, Regen und Dunkelheit
hielten mich in Oxford bis 3 Uhr Nachmittags zurück,
wo es sich soweit aufklärte, daß ich abfahren konnte.
Der Postillon wußte den Weg, welcher keine Haupt-
straße ist, nicht recht genau, und fuhr uns eine große
Strecke um, so daß wir erst sehr spät hier ankamen.
Während man in meiner Stube Kaminfeuer machte,
trat ich in die des Wirths, wo ich ein sehr hübsches
Mädchen, seine Nichte, fand, nebst zwei Doctoren
aus dem Orte, mit denen ich mich den Abend ganz
gut unterhielt.


die vielen Ruinen und Anklänge vergangener Zeiten
ſo montirt, daß ich ſchon in eine Zukunft hinüber
träume, wo ſelbſt alle Ruinen aufhören, und wo
man nicht nur ſeinen Schatten, ſondern den ganzen
Menſchen verloren haben wird, um auf neuen Ster-
nen ein neues Leben zu beginnen — denn mit der
Erinnerung, man ſage was man wolle, verliert man
doch das ganz, was man jetzt iſt, wie ſchon auf
dieſer Erde der Greis beinahe ſich als Kind verloren
hat. Wieder finden können wir uns aber dennoch,
meine Herzensfreundin, und dann wird das Band,
das uns hier verbindet, ſich auch nothwendig wieder
dort neu anknüpfen müſſen. Dies kann uns auch
genügen

Mais revenons à nos moutons — c’est à dire:
parlons de nouveau de parcs.

Ein abſcheuliches Wetter, Regen und Dunkelheit
hielten mich in Oxford bis 3 Uhr Nachmittags zurück,
wo es ſich ſoweit aufklärte, daß ich abfahren konnte.
Der Poſtillon wußte den Weg, welcher keine Haupt-
ſtraße iſt, nicht recht genau, und fuhr uns eine große
Strecke um, ſo daß wir erſt ſehr ſpät hier ankamen.
Während man in meiner Stube Kaminfeuer machte,
trat ich in die des Wirths, wo ich ein ſehr hübſches
Mädchen, ſeine Nichte, fand, nebſt zwei Doctoren
aus dem Orte, mit denen ich mich den Abend ganz
gut unterhielt.


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[294/0340] die vielen Ruinen und Anklänge vergangener Zeiten ſo montirt, daß ich ſchon in eine Zukunft hinüber träume, wo ſelbſt alle Ruinen aufhören, und wo man nicht nur ſeinen Schatten, ſondern den ganzen Menſchen verloren haben wird, um auf neuen Ster- nen ein neues Leben zu beginnen — denn mit der Erinnerung, man ſage was man wolle, verliert man doch das ganz, was man jetzt iſt, wie ſchon auf dieſer Erde der Greis beinahe ſich als Kind verloren hat. Wieder finden können wir uns aber dennoch, meine Herzensfreundin, und dann wird das Band, das uns hier verbindet, ſich auch nothwendig wieder dort neu anknüpfen müſſen. Dies kann uns auch genügen Mais revenons à nos moutons — c’est à dire: parlons de nouveau de parcs. Ein abſcheuliches Wetter, Regen und Dunkelheit hielten mich in Oxford bis 3 Uhr Nachmittags zurück, wo es ſich ſoweit aufklärte, daß ich abfahren konnte. Der Poſtillon wußte den Weg, welcher keine Haupt- ſtraße iſt, nicht recht genau, und fuhr uns eine große Strecke um, ſo daß wir erſt ſehr ſpät hier ankamen. Während man in meiner Stube Kaminfeuer machte, trat ich in die des Wirths, wo ich ein ſehr hübſches Mädchen, ſeine Nichte, fand, nebſt zwei Doctoren aus dem Orte, mit denen ich mich den Abend ganz gut unterhielt.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/340>, abgerufen am 19.04.2024.