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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Eilfter Brief.


Theure Julie!

R ... ist heute nach Harwich abgereist, und wird
in 14 Tagen bei Dir seyn, Du aber Dich gewiß
dann freuen, einen lebendigen Zeugen des Schaltens
und Waltens Deines L .... mündlich über so Man-
ches ausfragen zu können, was doch mit dem besten
Willen in Briefen nicht mit jeder Nüance so auszu-
drücken ist. Ich habe mich unterdessen im Stadtle-
ben wieder eingewohnt. Gestern speiste ich bei Fürst
E ..., wo uns der ..... sche Legations-Sekretair,
eine Art aimabler Bouffon, und obgleich selbst von
sehr ordinairer Abkunft, doch ein Superlativ von Ul-
tra (tel le maitre tel le valet) in einem Lachen er-
hielt. Ich habe oft das Talent der Franzosen be-
wundert, und auch wohl beneidet, die amüsantesten
Erzählungen aus den gewöhnlichsten Begebenheiten
zu componiren, die in anderm Munde sogleich alles
Salz verlieren würden. Niemand excellirt darin mehr,


Eilfter Brief.


Theure Julie!

R … iſt heute nach Harwich abgereist, und wird
in 14 Tagen bei Dir ſeyn, Du aber Dich gewiß
dann freuen, einen lebendigen Zeugen des Schaltens
und Waltens Deines L .... mündlich über ſo Man-
ches ausfragen zu können, was doch mit dem beſten
Willen in Briefen nicht mit jeder Nüance ſo auszu-
drücken iſt. Ich habe mich unterdeſſen im Stadtle-
ben wieder eingewohnt. Geſtern ſpeiste ich bei Fürſt
E …, wo uns der ..... ſche Legations-Sekretair,
eine Art aimabler Bouffon, und obgleich ſelbſt von
ſehr ordinairer Abkunft, doch ein Superlativ von Ul-
tra (tel le maitre tel le valet) in einem Lachen er-
hielt. Ich habe oft das Talent der Franzoſen be-
wundert, und auch wohl beneidet, die amüſanteſten
Erzählungen aus den gewöhnlichſten Begebenheiten
zu componiren, die in anderm Munde ſogleich alles
Salz verlieren würden. Niemand excellirt darin mehr,

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[[311]/0357] Eilfter Brief. London, den 19. Januar 1827. Theure Julie! R … iſt heute nach Harwich abgereist, und wird in 14 Tagen bei Dir ſeyn, Du aber Dich gewiß dann freuen, einen lebendigen Zeugen des Schaltens und Waltens Deines L .... mündlich über ſo Man- ches ausfragen zu können, was doch mit dem beſten Willen in Briefen nicht mit jeder Nüance ſo auszu- drücken iſt. Ich habe mich unterdeſſen im Stadtle- ben wieder eingewohnt. Geſtern ſpeiste ich bei Fürſt E …, wo uns der ..... ſche Legations-Sekretair, eine Art aimabler Bouffon, und obgleich ſelbſt von ſehr ordinairer Abkunft, doch ein Superlativ von Ul- tra (tel le maitre tel le valet) in einem Lachen er- hielt. Ich habe oft das Talent der Franzoſen be- wundert, und auch wohl beneidet, die amüſanteſten Erzählungen aus den gewöhnlichſten Begebenheiten zu componiren, die in anderm Munde ſogleich alles Salz verlieren würden. Niemand excellirt darin mehr,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. [311]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/357>, abgerufen am 18.04.2024.